Der Katastrophen-Profi

Der Katastrophen-Profi
Autor: Matthias Klein 21.12.2020

Ebola in Afrika oder ein Waldbrand in Brandenburg: Jonathan Baum hat seit Jahren Erfahrungen mit Einsätzen in Ausnahmesituationen gesammelt. Inzwischen arbeitet der Alumnus des Mercator Kollegs beim Robert Koch-Institut. Im COVID 19-Lagezentrum und bei Auslandseinsätzen ist er in der Coronakrise an vorderster Front aktiv.

Jonathan Baum erlebt die Coronakrise ganz anders. Während des Lockdowns im Frühjahr saßen die meisten Menschen zu Hause, isoliert, manche ohne Arbeit. Er hingegen war von Anfang an im Dauereinsatz, fuhr jeden Tag durch die leere Stadt. Im Lagezentrum des Robert Koch-Instituts (RKI) in Berlin war besonders viel zu tun. „Ich habe nicht die Corona-Erfahrungen wie die meisten Menschen gemacht“, erzählt Baum. „Ich bin permanent sehr beschäftigt.“

Im RKI-Lagezentrum arbeitet er daran mit, Entscheidungen des Krisenstabs vorzubereiten. Da geht es beispielsweise darum, wie sich internationale Kontakte von Infizierten nachverfolgen lassen. Oder die Anfragen von Ärzt*innen zu beantworten, welche Schutzmaßnahmen sie in bestimmten Situationen umsetzen sollten. „Das sind sehr herausfordernde Aufgaben, extrem spannend“, sagt Baum. „Ich mag diese Arbeit unter hohem Druck, wenn schnell und eindeutig entschieden werden muss. Eine Arbeit, bei der wenig passiert, wäre nichts für mich.“

Jonathan Baum arbeitet im Robert Koch-Institut. © Getty Images

Helfen in Ausnahmesituationen

Menschen in Ausnahmesituationen helfen zu können, das ist etwas, was Baum schon lange antreibt. Nach dem Abitur und einem Freiwilligendienst begann er bei der Freiwilligen Feuerwehr in Berlin-Zehlendorf. Ob bei einem Unfall, einem Waldbrand oder Hochwasser: Die Einsätze fand er immer spannend.

„Es ist bereichernd, etwas mit Sinn tun zu können“, beschreibt der 32-Jährige. „Ich kann Menschen helfen. Ich kann dazu beitragen, dass es für sie weniger schlimm ist.“ Die immer wieder neuen Herausforderungen spornen ihn an. „Und außerdem macht es Freude, bei der Feuerwehr mit Menschen aus allen Gesellschaftsschichten zusammenzuarbeiten.“

Kampf gegen Ebola erlebt

Nach einem Studium der Biochemie arbeitete er für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Deutschen Biosicherheitsprogramm. „Und dann kam Ebola“, erzählt Baum. Mit dem Ausbruch der lebensbedrohlichen Infektionskrankheit verlagerte sich sein Arbeitsschwerpunkt ganz auf dieses Thema. Bei einem Einsatz in Guinea erlebte er den Kampf gegen die Krankheit vor Ort. Zu seinen Aufgaben gehörte es, in einem Zelt Blutproben zu analysieren: „Das war hochspannend. Ich habe viel gelernt.“

Jonathan Baum im Auslandseinsatz vor der Coronakrise. © Lena Mucha/Johanniter International Assistance

Die Arbeit in einem internationalen Hilfseinsatz begeisterte ihn. In seinem Jahr beim Mercator Kolleg 2015 beschäftigte er sich dann mit dem European Medical Corps, das von der Europäischen Union als eine Lehre aus der Ebola-Krise gegründet wurde. Es vereint Gesundheitsexpert*innen, medizinische Teams und mobile Labore, die bei grenzüberschreitenden Gesundheitskrisen eingesetzt werden können.

Eine Station absolvierte er bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Dort kam er mit Emergency Medical Teams (EMT) in Kontakt, die ihn bis heute beschäftigen. Solche Teams gibt es überall auf der Welt, Staaten und NGOs haben sie aufgebaut. Bei Notlagen sind sie schnell einsetzbar, national ebenso wie international. „Sie sind eine Art Feuerwehr für medizinische Katastrophen“, sagt Baum. Beim RKI hat er eine Stelle im National Focal Point for Emergency Medical Teams. Der National Focal Point unterstützt die Koordination der deutschen EMTs bei internationalen Hilfseinsätzen.

Verwundbarkeit erlebt

Katastrophen sind für Baum also gewissermaßen Alltag. Er spricht nüchtern und sachlich darüber, immer mit Blick auf die Frage, wie Hilfe möglich ist. Wenn er über die Struktur und Organisation von Hilfsteams redet, merkt man ihm die Begeisterung an. Bis ins Detail erklärt er gerne die Arbeit.

Das Gefühl der Verwundbarkeit wird bleiben.

Von einer Pandemie sei er nicht grundsätzlich überrascht worden. „Die Fachleute sprachen schon lange davon, dass so etwas passieren würde – es war nur eine Frage der Zeit.“ Und trotzdem: „Auch mich hat überrascht, dass es eine solche Notlage in Deutschland geben kann. Ich glaube, das konnten sich sehr viele Menschen nicht vorstellen. Dieses Gefühl der Verwundbarkeit wird bleiben.“

Zu Hause belaste ihn seine Arbeit nicht. Er habe privat natürlich entsprechend den Empfehlungen vorgesorgt, erzählt er. „Ich habe immer Vorräte zu Hause und auch ein Kurbelradio, falls der Strom ausfällt. Das hat nichts mit Corona zu tun.“

Im Auslandseinsatz

Im Sommer erlebte Baum die Krise bei mehreren Auslandseinsätzen dann aus ganz anderen Perspektiven. In Usbekistan gehörte er zu einem Team, das sich verschiedene Behandlungseinrichtungen anschaute und Empfehlungen für Verbesserungen erarbeitete.

Im Kamerun arbeitete er danach in einer Situation, in der es oft am Nötigsten fehlte. Gut drei Wochen verbrachte er in verschiedenen Krankenhäusern und Behandlungszentren. Eine wichtige Aufgabe: Er schulte Ärzt*innen und Pfleger*innen in Hygienefragen. So bekam das Personal auf die Schutzkleidung eine spezielle Trainingsfarbe und musste sich dann umziehen, ohne mit der Farbe in Kontakt zu kommen. „Diese Übung ist sehr anschaulich und bleibt gut in Erinnerung. Das hat sehr gut funktioniert.“

Seit Monaten ist Baum nun an vorderster Front im Einsatz – schwinden da nicht langsam seine Kräfte? „Natürlich ist die Zeit sehr anstrengend“, erzählt er. „Aber ich habe sehr viel gelernt. Mich freut es sehr, dass ich mein Fachwissen in einer solch wichtigen Situation einbringen kann.“ Er halte weiter durch: „Für mich ist wichtig, dass ich etwas tun kann. Das motiviert. Zu Hause im Lockdown rumzusitzen, also das könnte ich nicht.“ Der nächste Auslandseinsatz ist schon längst in Planung.

Mercator Kolleg für internationale Aufgaben

Das Mercator Kolleg für internationale Aufgaben fördert jährlich 25 engagierte, deutschsprachige Hochschulabsolvent*innen und junge Berufstätige aller Fachrichtungen, die für unsere Welt von morgen Verantwortung übernehmen.

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