Was wünschen Sie sich für 2025, Armin Laschet?
2025 könnte das Jahr werden, in dem die Gräben zwischen den demokratischen Parteien geschlossen werden und das Grundvertrauen in die Politik zurückkehrt. Zumindest, wenn es nach CDU-Politiker Armin Laschet geht. Im laufenden Wintersemester hat er die Gastprofessur für Politikmanagement der Stiftung Mercator an der NRW School of Governance der Universität Duisburg-Essen übernommen. Bei einem Besuch in der Stiftung spricht er sich gegen Schwarz-Weiß-Debatten im Jahr 2025 aus und fordert den kultivierten Umgang miteinander.
Herr Laschet, Ihnen eilt der Ruf voraus, stets gelassen zu sein. Wie schaffen Sie das in schwierigen Zeiten wie diesen?
Ich wurde so geboren und habe es mein Leben lang so praktiziert. Klar, als junger Abgeordneter war ich impulsiver. In meiner Zeit als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen habe ich oft angespannte Situationen erlebt und festgestellt, dass eine Bemerkung, über die alle lachen können, die Verspannungen löst. Mit Freundlichkeit und Humor kommt man am Ende besser ans Ziel.
Nach einem turbulenten politischen Jahr 2024 ist das Vertrauen vieler Menschen in die Politik gestört. Können Sie das nachvollziehen?
Ja, allerdings kenne ich diese Diskussion seit Jahrzehnten. Schon in den 80ern wurde über Staatsverdrossenheit geklagt. Früher haben sich die Leute ebenfalls geärgert, sich vielleicht zurückgezogen. Heute entstehen hingegen neue Parteien wie das BSW, auch die AfD ist recht stark geworden. Offenbar finden viele Menschen im demokratischen Spektrum nicht mehr das, was sie unterstützen wollen. Sie werden zu Protestwählern, und das sollte nicht so sein.
Wie lässt sich das Grundvertrauen wieder herstellen?
Vor allem müssen wir wegkommen von diesen Schwarz-Weiß-Debatten, von denen die Populisten profitieren. In Krisenzeiten wird wenig abgewogen. Stattdessen sind diejenigen populär, die am rigorosesten auftreten. Die Politik muss deshalb ausstrahlen: Wir können zwar eine bestimmte Meinung haben, doch es gibt auch Gegenmeinungen. In einer Demokratie sollten wir stets überlegen, ob die Argumente des Gegenübers eventuell auch berechtigt sind.
Armin Laschet (CDU) hat im Wintersemester 2024/25 die Gastprofessur für Politikmanagement der Stiftung Mercator an der NRW School of Governance der Universität Duisburg-Essen übernommen. Von 2017 bis 2021 war er Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Anschließend wurde er Bundesvorsitzender der CDU und Kanzlerkandidat der Union. Aktuell ist Laschet Bundestagsabgeordneter und Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Im 20. Deutschen Bundestag hat Laschet den Vorsitz des Unterausschusses Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung und ist ebenfalls ordentliches Mitglied im Auswärtigen Ausschuss.
Wie erleben Sie im Rahmen Ihrer Gastprofessur und Ihrer Lehraufträge in Bonn und München die heutige Generation von Studierenden?
Zur Zeit der 68er-Revolten war ich ein Kind, damals haben die Studierenden den ganzen Staat infrage gestellt. In den 80ern war das nicht mehr der Fall und heute noch weniger. Aber ich erlebe die heutige Jugend als sehr interessiert, als durchaus politisch. Allerdings sind die jungen Leute nicht mehr Teil so großer Bewegungen wie früher, und ihre Debatten finden mehr im Netz als im öffentlichen Raum statt.
Welche Schwerpunkte setzen Sie in Ihren Seminaren?
Es geht um eines meiner Hauptthemen: die internationale Politik mit dem Fokus auf der Nahostpolitik, der arabischen Welt und auf Israel. Denn dort passiert viel. Nachdem früher nur Ägypten und Jordanien Beziehungen zu Israel aufgenommen hatten, unterzeichneten 2020/21 auf einmal die vier arabischen Staaten Bahrain, Marokko, der Sudan und die Vereinigten Arabischen Emirate die Abraham Accords. Ziel dieses Abkommens ist es, regional zu kooperieren, sich aber auch im Inneren zu verändern. In Abu Dhabi wurde beispielsweise das Abrahamic Family House realisiert, ein Ensemble aus einer Moschee, einer Synagoge und einer Kirche – und das mitten in einem arabischen Land! Da findet ein Wandel statt, den hier die wenigsten wahrnehmen.
Sie sind als Brückenbauer bekannt. Braucht es den Brückenbau zwischen den Generationen?
Es war schon immer üblich, dass die Jungen nachdrängen, das ist auch richtig so. Doch bei manchen Klimaaktivisten wird dieses Verhalten zugespitzt. Sie klagen an: Ihr habt uns die Welt schlecht hinterlassen und wir müssen jetzt damit leben. Das halte ich für falsch. Was meine Generation zu ihrer Zeit getan hat und heute tut, ist auch verantwortungsvoll, wir haben uns durchaus etwas dabei gedacht. Trotzdem finde ich es richtig, dass sich junge Menschen für den Klimaschutz einsetzen, und nehme diese Bewegung sehr ernst. Übrigens denken viele, dass die gesamte junge Generation klimabewegt ist. Aber das stimmt nicht. 18 bis 20 Prozent der jungen Erwachsenen wählen die AfD, die den Klimawandel leugnet. Das ist viel, auch wenn 80 Prozent anders denken.
Was denken Sie, wenn Sie solche Zahlen hören?
Dass manche sehr wenig über Geschichte zu wissen scheinen. Sie sind geradezu geschichtsvergessen und folgen deshalb solchen Parteien.
Was können wir gegen diese Geschichtsvergessenheit tun?
Wir sind heute wieder mit Antisemitismus, antieuropäischen Bewegungen und weiteren Problemen konfrontiert. Das bedeutet, dass wir die Werte des Grundgesetzes neu erklären müssen – Presse- und Versammlungsfreiheit zum Beispiel –, so als wären wir bei null. Das gilt auch für den Holocaust. In den 50er- und 60er-Jahren musste man ihn anders vermitteln als in den 80ern und 90ern und heute noch mal anders, weil er immer weiter in der Vergangenheit liegt. Scheinbar muss man jeder Generation die Dinge auf eine neue Art und Weise vermitteln.
Was wünschen Sie sich für das kommende Jahr?
Wir müssen 2025 die Gräben zwischen den Parteien schließen. Demokratinnen und Demokraten müssen wieder vernünftig miteinander umgehen. Denn man koaliert heute mit den einen, in ein paar Jahren vielleicht mit den anderen. Man darf das Verhältnis zueinander nicht so zerstören, dass diese Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist. Natürlich darf man weiterhin streiten, das ist schließlich ein Kern der Politik. Doch die Grenze beim Streiten muss der Respekt sein.
NRW School of Governance
Die NRW School of Governance ist eine Professional School an der Universität Duisburg-Essen. Durch die Gastprofessur für Politikmanagement der Stiftung Mercator wird der Universitätsstandort gestärkt. Bisher hatten die Gastprofessur unter anderem Renate Künast, Rita Süssmuth, Christian Wulff, Peer Steinbrück, Antje Vollmer und Gregor Gysi inne.