Gesperrt für Social Media: Wie können sich Nutzer*innen wehren

Eine Illustration zeigt die Silhouette eines Menschen vor einem farbigen Hintergrund
Gesperrt für Social Media: Wie können sich Nutzer*innen wehren
Autorin: Elisabeth Krainer 30.09.2025

17 Tage offline – und das mitten im Business­alltag. Ohne Vorwarnung sperrte LinkedIn das Profil von Technik­sozio­loge und Cyber­­sicher­heits­berater Felix Sühlmann-Faul. Für ihn ist das soziale Netzwerk ein wichtiger Akquise­kanal. Hilfe bekam er nicht, nur Antworten einer Service-KI. Was gegen die Willkür der Big-Tech-Platt­formen hilft und welche Alter­nativen sich lohnen, erklärt er im Gespräch mit AufRuhr.

Herr Sühlmann-Faul, Ihr LinkedIn-Profil war kürzlich deaktiviert. Wie kam es dazu?

Ich wollte die Zwei-Faktor-Authenti­fizierung einschalten, die LinkedIn anbietet. Das heißt: User*innen melden sich nicht bloß mit ihrem Passwort an, sondern zusätzlich mit einem zweiten Identi­täts­­nachweis, zum Beispiel einem Code per App oder SMS. Ich verwende das Verfahren bei allen Diensten, um meine eigene Cyber­­sicher­heit zu erhöhen. Auf LinkedIn hat das aber nicht funktioniert, und ich konnte mich nicht mehr anmelden. In einem anderen Browser­­fenster war ich noch eingeloggt, dort wollte ich das Verfahren dann wieder deaktivieren. In der Folge wurde ich für insgesamt 17 Tage gesperrt. Für meine Arbeit ist LinkedIn ein sehr wichtiger Vertriebs­­kanal, der mir kurzer­hand weg­gebrochen ist.

Was haben Sie dagegen unternommen?

Ich habe mich mehrfach an den Support gewandt, kam jedoch nie zu einem echten Menschen durch. Ich habe nur mit KI-Assis­tenten kommuniziert, die mir gesagt haben, ich hätte gegen die Richt­linien verstoßen, die aller­dings sehr schwer auf­findbar irgendwo auf der Hilfe-Seite von LinkedIn versteckt sind. Ich sollte dann mit einem Scan meines Ausweises meine Identität über einen Dritt­­dienst­­leister bestätigen. Das hat LinkedIn dreimal ohne Begründung nicht akzeptiert. Danach sollte ich mich an eine*n Notar*in wenden, die*der meine Identität bestätigt. Auch das habe ich auf eigene Kosten getan. Die Bestätigung hat LinkedIn abgelehnt, weil ich auf dem Portal keine personen­­bezogenen Daten hinter­legt habe. Es war also wirklich kafkaesk.

Wie bekamen Sie schluss­endlich wieder Zugriff auf Ihr Profil?
Ich habe mich an das Center for User Rights der Gesellschaft für Freiheitsrechte gewandt. Es hat in meinem Namen eine offizielle Beschwerde in Bezug auf Artikel 86 und Artikel 21 des Digital Service Acts eingereicht. Parallel habe ich den Tipp erhalten, mich mit Johannes Ceh zu vernetzen. Er bezeichnet sich als Digital Street­worker und arbeitet mit anderen ehrenamtlich daran, Persön­lich­keits­­rechte im Internet zu stärken und Menschen zu schützen, denen Ähnliches passiert ist wie mir. Das sind oft User*innen, die sich politisch äußern, vor allem gegen rechts­­radikale Parteien. Johannes Ceh hat eine große Follower*innen­schaft und konnte mit einem Post über die unrecht­mäßige Sperrung meines LinkedIn-Kontos viel Druck auf die Country Managerin für Deutschland, Österreich und Schweiz ausüben, es wieder frei­­zu­­schalten. Der Post hat viel Aufmerk­samkeit erhalten und wurde auch häufig geteilt – durch ihn habe ich wieder Zugriff erhalten.

Ein Portraitbild von Felix Sühlmann-Faul
© Felix Sühlmann-Faul

Dr. Felix Sühlmann-Faul ist Technik­­sozio­loge, Speaker und Autor. Er forscht und berät zu den Themen Digita­lisierung, Nach­­haltig­­keit und digitaler Ethik. Er trainiert auch Unter­nehmen in Daten­­schutz und Cyber­­sicherheit.

Gab es eine Reaktion von LinkedIn, etwa eine Entschuldigung?

Nein, es gab keine Reaktion. Das Konto war am Abend des Tages, an dem Johannes Ceh seinen Post abgesetzt hat, wieder kommentar­los zugänglich. Vielleicht wäre ein Kommentar oder eine Entschul­digung als Schuld­­einge­ständnis der Plattform zu interpretieren gewesen? Ich weiß es nicht. Ich habe jedenfalls nichts von LinkedIn gehört.

Es gibt in Deutschland keine vergleichbare Plattform, die es ermöglicht, sich beruflich so zu positionieren wie auf LinkedIn. Besonders für Menschen wie mich, die solo­selbst­ständig sind, ist die Plattform ökonomisch wichtig.

Felix Sühlmann-Faul

Wieso ist der Umgang von Plattformen mit User*innen Ihrer Ansicht nach problematisch?

Plattformen sehen Nutzer*innen nur als Daten­punkte, die sie so lang wie möglich auf ihrer Plattform halten wollen, um ihnen Werbung auszuspielen. Und User*innen sind diesem Prinzip mehr oder weniger ausgeliefert. Es gibt in Deutschland keine vergleich­bare Plattform, die es ermöglicht, sich beruflich so zu positionieren wie auf LinkedIn. Besonders für Menschen wie mich, die solo­­selbst­­ständig sind, ist die Plattform ökonomisch wichtig. Das nutzen Plattformen aus. Um bei meinem Beispiel zu bleiben: Ich bin sogar Premium­kunde bei LinkedIn und zahle Geld dafür. Es besteht eine Geschäfts­­beziehung, die jedoch nicht auf Augenhöhe statt­findet.

Eine Illustration zeigt den Kopf einer Frau, die sich im Handy spiegelt
Social Media ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Nutzer*innen fordern deshalb mehr Transparenz von den Plattformbetreibern. © Stocksy/ kkgas

Sind Sie ein Einzel­fall oder häufen sich die Beschwerden über solch willkürliches Verhalten der Plattformen?

Da ich inzwischen wöchentlich von Johannes Ceh auf­gefordert werde, durch Kommentieren und Teilen anderen Betroffenen zu helfen, bekomme ich mit, dass das ein sehr weit verbreitetes Phänomen ist. Auch kann nicht allen Menschen geholfen werden – manche Konten bleiben gesperrt. Wieso es zur Sperrung kommt, ist für mich und andere Betroffene nicht transparent – ich vermute, dass es vielleicht auch mit der politischen Ausrichtung meines Kanals und der Kanäle meiner Bekannten zu tun hat. Wir setzen uns in meiner Bubble für Themen wie Nach­haltig­keit, Umwelt­schutz oder die digitale Souveränität ein, also für vermeintlich „linke“ Themen. Es könnte sein, dass sich hier Gruppen rechts­radikaler Trolle zusammen­schließen und solche Accounts vermehrt melden, sodass es zu Sperrungen kommt. Genau sagen kann ich es aber nicht.

Gibt es eine Alternative, ohne sich rigoros von großen sozialen Plattformen abmelden zu müssen?

Ein völliges Opt-out ist heute kaum noch möglich, in vielen Bereichen sind wir von den Big-Tech-Strukturen abhängig. Ich sehe dieses Dilemma an meinem Beispiel. Doch auch wenn es aktuell keine Alternativen gibt, können wir zumindest die Mechanismen von Platt­formen überprüfen und schauen, welchen Stellen­wert sie Persön­lich­keits­­rechten und Daten­­schutz einräumen. Danach können wir zumindest eine infor­miertere Entscheidung treffen, diese Platt­­formen zu nutzen oder nicht.

Worauf sollten User*innen achten?

Wenn ein Dienst zum Beispiel auf Werbung basiert, ist es sehr wahrscheinlich, dass persönliche Daten nicht unbedingt mit Vorsicht bezie­hungs­­weise auf Basis der Datenschutz-Grundverordnung behandelt werden. Für eine grobe Einschätzung in Sachen Daten­schutz habe ich den PRIVA SCORE entwickelt. Er funktioniert wie der Nutri-Score von Lebens­­mitteln: Ein drei­­stufiges Ampel­system zeigt an, wie gut das Daten­schutz­­niveau des jeweiligen Dienstes ist. Dabei werden verschiedene Kriterien bewertet, zum Beispiel, ob die Anwendung anonym nutzbar ist, auf Kontakt­listen zugreift und wie viele Metadaten sie sammelt. Daraus ergibt sich dann ein Gesamt-Score, der bei der ersten Einschätzung hilft. Ich empfehle aber, sich generell mit dem Thema Cyber­­sicher­­heit ausein­ander­­zusetzen. Informationen gibt es unter anderem im c’t Magazin für Computer und Technik, beim Chaos Computer Club, bei der Verbraucherzentrale und natürlich beim Center for User Rights.

Es lohnt sich, sich mit Alternativen zu Big Tech auseinander­zu­setzen, weil sich damit auch das eigene Verständnis von Souveränität und Kontrolle weiter­entwickelt.

Gibt es alternative Angebote die fairer und transparenter funktionieren als die Plattformen von Big Tech?

Ja, Open-Source-Platt­formen zum Beispiel. Der Quellcode dieser Plattformen ist frei zugänglich, es gibt keine intrans­parenten Algorithmen. Das Fediverse wird immer beliebter. Darauf basieren etwa Mastodon, eine Alternative zu X, oder Pixelfed, das mit Instagram vergleichbar ist. Ich nutze außerdem Linux als Betriebs­­system, das ebenfalls Open Source ist. Diese Angebote funktionieren teilweise etwas anders als die etablierten Plattformen und Softwares. Aber es lohnt sich, sich mit Alternativen ausein­ander­­zusetzen, weil sich damit auch das eigene Verständnis von Souveränität und Kontrolle weiterentwickelt.

Wie ließe sich die digitale Infrastruktur demokratischer gestalten?

Indem Plattformen genossen­schaftlich funktionieren und Nutzer*innen mitbe­stimmen können. Oder mit Daten­zentren, die gemeinschaftlich geführt werden statt von wenigen Konzernen. Im Grunde ist das alles möglich, wenn wir uns nicht so sehr an die vorgegebenen Strukturen von Big Tech halten. Wir müssten nur mutiger sein.


Center for User Rights

Das Center for User Rights der Gesellschaft für Freiheits­­rechte verfolgt das Ziel, die Rechte von Nutzer*innen gegenüber Online­­platt­­formen zu stärken und durch­­zu­setzen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf dem europäischen Digital Services Act.

https://centerforuserrights.freiheitsrechte.org/