re:publica 25: Markus Beckedahl und Carolin Moje diskutieren digitale Hot Takes

re:publica 25: Markus Beckedahl und Carolin Moje diskutieren digitale Hot Takes
Autor: Felix Jung Fotos: Stefanie Loos 15.04.2025

Einmal im Jahr kommen auf der Konferenz re:publica die klügsten Köpfe der digitalen Gesellschaft zusammen. Unter dem Motto „Generation XYZ“ geht es dieses Jahr um die Frage, wie sich die Generationen on- und offline begegnen – und wie sie besser zueinander finden. Anlässlich der Veröffentlichung des Programms hat AufRuhr re:publica-Mitgründer Markus Beckedahl und Programm­kuratorin Carolin Moje in der STATION Berlin getroffen. Sie diskutierten über aktuelle „Hot Takes“ – steile Thesen aus dem Netz.

Hot Take #1: Boomer regulieren, Gen Z experimentiert, Millennials verzweifeln.

Carolin Moje: Also erst mal: Wer reguliert hier wirklich?
Markus Beckedahl: Junge Menschen haben schon immer experimentiert.
CM: Aber die Technologien, mit denen sie heute experimentieren, experimentieren auch mit ihnen.
MB: Plattformen testen ihre Mechanismen in Echtzeit, sie betreiben Live-Labore ohne ethische Standards. Und das macht sie gefährlich.
CM: Und Millennials? Verzweifelt sind wir Gen Y eigentlich nicht, sondern wir versuchen, Brücken zu bauen. Wir verstehen noch die alte analoge Welt und leben gleichzeitig in der digitalen. Das macht uns zu einer Generation von Vermittler*innen.

Hot Take #2: Wer teilt am häufigsten Fake News – Gen Z, Millennials oder Boomer?

MB: Boomer sind in einer Welt aufgewachsen, in der Medien weit­gehend vertrauens­würdig waren. Das macht sie anfälliger für Falsch­informationen, weil sie es nicht gewohnt sind, alles zu hinter­fragen.
CM: Aber es gibt auch jüngere Menschen, die vieles glauben, was sie in Social Media sehen. Und die Algorithmen pushen genau das. Es ist weniger eine Generationen­frage als die Frage, wie viel wir uns kritisch zu hinter­fragen trauen und welche Digital­kompetenzen wir besitzen.

Carolin Moje
© Stefanie Loos

Carolin Sophie Moje ist Senior­kuratorin der re:publica. Nach Ausbildungs­stationen in Berlin, Brasilien, Hongkong, Cambridge (UK) und Kairo arbeitete sie im ­Bereich der inter­nationalen Zusammen­arbeit (GIZ, Weltbank, UN) in Berlin, Amman und Maputo. Nach ihrer Rückkehr in ihre Heimat­stadt Berlin arbeitete sie neben der re:publica zu verschiedenen Themen der Stadt- und Kultur­politik, unter anderem für ein Mitglied des Berliner Abgeordneten­hauses und für die Berliner Senats­verwaltung für Kultur und Europa.

Hot Take #3: TikTok ist das neue MTV – nur gefährlicher.

CM: MTV war Musik- und Popkultur, TikTok ist viel mehr. Das Video­portal ist Politik, Nachrichten, Musik, Unterhaltung – und eben auch ein politisches Instrument.
MB: Und im Gegensatz zu MTV haben wir es hier mit Algorithmen zu tun, die Inhalte gezielt ausspielen. Das bedeutet, dass die Nutzer*innen unbemerkt sehr schnell in eine Realitäts­blase gezogen werden. Das spiegelt sich auch in vielen Einreichungen für die re:publica dieses Jahr wieder – Menschen wollen verstehen, wie diese Mechanismen funktionieren und welche Regulierungs­möglichkeiten es gibt.

Hot Take #4: Die Gen Z glaubt eher TikTok-Influencer*innen als den Nachrichten.

MB: Ja, das Vertrauen in Nachrichten der klassischen Medien hat abgenommen. Aber das ist auch ein haus­gemachtes Problem. Journalismus kann und muss sich weiter­entwickeln, zum Beispiel durch konstruktive Ansätze.
CM: Und wenn klassische Medien nicht liefern, dann füllen Influencer*innen diese Lücke. Die Frage ist nur: Mit welcher Qualität?
MB: Das Problem ist auch nicht, dass Menschen TikTok als Nachrichten­quelle nutzen, sondern dass dort Meinungen oft als Fakten verkauft werden.

Markus Beckedahl
© Stefanie Loos

Markus Beckedahl ist einer der Gründer*innen von re:publica und kuratorischer Leiter der Konferenz. Er hat die vielfach ausgezeichnete Plattform netzpolitik.org gegründet, fast 20 Jahre lang als Chef­redakteur aufgebaut und zu einem der größten gemein­wohl­orientierten unabhängigen Medien im deutsch­sprachigen Raum entwickelt. Gerade entwickelt er ein neues Projekt, das Wege finden soll, um gesellschaftliche Fragen der Digitalisierung und der digitalen Souveränität besser zu kommunizieren.

Hot Take #5: Künstliche Intelligenz kann nicht divers sein, solange sie von weißen Männern in Kalifornien programmiert wird.

CM: Die Frage ist nicht nur, wer die KI programmiert, sondern auch, mit welchen Daten sie gefüttert wird.
MB: Richtig, wenn das Trainings­material nicht divers ist, wird es auch die KI nicht sein.
CM: Und selbst wenn die Entscheider*innen und Programmierer*innen diverser wären – solange KI von kapitalistischen Interessen gesteuert wird, bleibt das Problem weiter­hin bestehen.
MB: KI ist nun mal kein neutrales Werkzeug. Sie spiegelt, wer sie gebaut hat und welche Zwecke sie erfüllen soll.

Social Media als Demokratiefeind? "Dieser Take gehört angezündet", findet Markus Beckdahl. © Stefanie Loos
Sind weiße Männer das Problem? Carolin Moje beim Diskutieren mit Markus Beckedahl. © Stefanie Loos

Hot Take #6: Social Media ist der größte Feind der Demokratie.

MB: Wenn wir mit Social Media nur die großen Player wie Facebook, Instagram, TikTok & Co. meinen, dann ja. Diese Plattformen sind nicht auf Demokratie ausgerichtet, sondern auf Profite. Deshalb bekommt Desinformation dort auch mehr Reich­weite als Fakten.
CM: Aber der größte Feind der Demokratie sind nicht die Plattformen selbst, sondern die politischen Kräfte, die sie nutzen. Und wir dürfen nicht vergessen, dass Social Media auch Chancen bietet. Immerhin haben Protest­bewegungen und Gras­wurzel­organisationen über Social Media enorme Reichweiten aufgebaut.

Markus Beckedahl und Carolin Moje in den noch leeren Ausstellungsflächen der kommenden re:publica. © Stefanie Loos

Hot Take #7: Früher war alles besser, weil analog kommuniziert wurde.

MB: Nein, früher wirkte nur alles übersichtlicher, weil wir viel weniger Informationen hatten.
CM: Und weil wir nicht ständig mit allem konfrontiert wurden. Aber das heißt nicht, dass es besser war.
MB: Wer sich heute informiert, hat Zugang zu einer unendlichen Vielfalt an Perspektiven – das ist eine Chance für diejenigen, die sie nutzen.
CM: Aber genau darin liegt auch die Heraus­forderung: die richtigen Informationen zu finden und nicht in Desinformation zu versinken.

Hot Take #8: Wir können die Demokratie noch retten.

CM: Die Demokratie zu retten, klingt, als sei sie kurz vor dem Kollaps. Aber Demokratie ist ein Prozess – etwas, für das wir uns täglich engagieren müssen. Sie wird nun mal nicht auf dem Silber­tablett serviert.
MB: Wir müssen für Demokratie kämpfen und sie weiter­entwickeln, damit wieder das Vertrauen in unser Gemeinwohl gestärkt wird.
CM: Und das ist genau die Idee der re:publica: Demokratie ist nichts Statisches. Sie ist ein Raum, in dem wir arbeiten und streiten – und den wir gestalten müssen. Jedes Jahr kommen Menschen zu uns auf die re:publica, um dieses Ziel hoffnungs­voll anzugehen.
MB: Und je mehr Menschen sich beteiligen, desto besser. Denn Demokratie lebt von Teilhabe. Wird die Demokratie von heute auf morgen sterben? Sie kann langsam ausgehöhlt werden, wenn wir nicht aufpassen. Die USA zeigen das gerade anschaulich.


re:publica

Die re:publica 25 findet vom 26. bis 28. Mai in der STATION Berlin statt. Das Festival für die digitale Gesellschaft steht dieses Jahr unter dem Motto „Generation XYZ“. Die Konferenz bringt auch dieses Mal die wichtigsten Themen rund um das Netz, seine Communitys und die Chancen und Heraus­forderungen, die in der Digitalisierung der Gesellschaft liegen, auf die Bühne. Seit 2025 wird sie dabei von der Stiftung Mercator unter­stützt.

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