Vom Mut sich zu engagieren: meet! Romance

Romance Bassingha ist ständig in Bewegung. Durch die meet!-Mercator Europa Tour hat sie Landesgrenzen und Sprachbarrieren überwunden – und hofft in Deutschland mit ihrem Engagement etwas zu verändern.
Romance Bassingha ist eine Person, die mit Leidenschaft über ihre Interessen spricht. Schon früh hatte sie klare Ziele vor Augen. „Als ich kleiner war, wollte ich Astrophysikerin werden. Ich hasse Langeweile, und deswegen muss ich immer in Bewegung bleiben. Als Kind habe ich mich deswegen für MINT-Veranstaltungen angemeldet, um mehr über Naturwissenschaften zu lernen.“ Schnell hat sie jedoch gemerkt, dass Physik nichts für sie ist und lieber den Umgang mit Menschen bevorzugt. Nun verschreibt sich die heute 20-jährige Abiturabsolventin mit kamerunischen Wurzeln dem zivilgesellschaftlichen Engagement.
Die eigenen Ängste überwinden
Ihr Engagement erstreckt sich mittlerweile auf viele verschiedene Bereiche. Dabei ist ihre Motivation, neue Erfahrungen zu sammeln und dabei mehr über sich selbst zu lernen. Eine Bekannte fragte sie vor ein paar Jahren, ob sie nicht in die Schüler*innenvertretung ihrer ehemaligen Gesamtschule in Bochum will. Obwohl Romance sich selbst als „introvertierter Mensch mit sozialen Ängsten“ beschreibt, stellt sie sich zur Wahl als Schülersprecherin – und gewinnt. Ihr Pflichtbewusstsein gegenüber ihren Mitschüler*innen setzt sich gegen die Angst vor dem Scheitern durch.
Aufgewachsen mit einer alleinerziehenden Mutter, ohne deutschen Pass, weiß Romance, wie es ist, schwierige Umstände zu meistern. Diskussionen über ihre Herkunft prägen ihren Alltag. Oft wird sie mit der rassistischen Frage konfrontiert: „Gehörst du eigentlich zu Deutschland?“ Solche negativen Erfahrungen motivieren Romance jedoch immer wieder dazu, das Leben von Menschen, die ähnliche Erfahrungen machen, verbessern zu wollen. Mit den Young European Professionals und Ruhrpott für Europa hält sie in Schulen Workshops ab, um mit Schüler*innen über ein inklusives Europa zu sprechen und ihnen eine Stimme zu geben.
Auch die Entwicklungszusammenarbeit und die Bekämpfung von Kinderarmut sind ihr wichtige Anliegen. Geschichten wie die Ausbeutung von Frauen und Kindern auf Teeplantagen in Kenia treiben sie an Haltung zu beziehen: „Ich möchte nicht, dass andere so leiden müssen.“ Im Jugendbeirat von Plan International ist es ihr wichtig, ohne „kolonialen Blick“ auf Ungerechtigkeiten zu schauen und Kinderrechte zu schützen sowie die weltweite Gleichberechtigung von jungen Menschen voranzubringen.


Ihr Engagement ist geprägt durch die Verbindung zu den Menschen – ihre ehemalige Lehrerin für Sozialwissenschaften etwa formte sie weit über den Unterricht hinaus. Noch heute schreibt Romance ihr Postkarten. Auch die Freund*innen, die sie durch ihr Engagement kennengelernt hat, ermutigen sie – auch wenn sie gerne mehr Zeit für sie hätte. Gerade im aktuell politisch heiklen Klima sieht Romance jedoch weiterhin die Notwendigkeit ihres Engagements. „Wenn es auf der Welt Leute retten kann oder die Demokratie stärkt, würde ich es wieder tun.“
Mit vollem Einsatz für die Demokratie
Inmitten all dieses Engagements ist für Romance die Demokratie zentral. „Mir ist Demokratie sehr wichtig!“ Wünschen würde sie sich nur, dass Politik und demokratische Themen viel stärker in der öffentlichen Wahrnehmung präsent sind – vor allem bei ihrer Generation. „Aktuell versteht man die Politik in Deutschland einfach nicht. Die Politik hat die Verbindung zu den Menschen verloren.” Für Romance ist das einer der Gründe, warum rechtsradikale Parteien wie die in Teilen gesichert rechtsextreme AfD Zuspruch bekommen. Tatenlos zuschauen möchte sie jedoch nicht und klare Kante für die Demokratie zeigen. Ihr Blick in die Zukunft ist kämpferisch: „Wenn es hart auf hart kommt, kandidiere ich vielleicht selbst für den Bundestag.“
Der Großteil junger Menschen würde sich gerne engagieren


Dieser Einsatz für die Demokratie bleibt für Romance und andere Jugendliche ein Partizipationsthema: „Es ist die Frage: Kannst du dich für die Demokratie einsetzen oder nicht? Ich glaube, ein Großteil der jungen Menschen würde sich gern engagieren, hat aber die nötigen Ressourcen nicht.“ Wenn Schulen zusätzlich den Politikunterricht vernachlässigten, würden unnötige Barrieren geschaffen.
Politische Sensibilisierung muss aber nicht schwer sein, findet sie: „Ein Anfang wäre, ab und zu mal das heute journal oder die tagesschau anzuschauen und sich danach mit Freund*innen auszutauschen.“ Entscheidet man sich dann für ein zivilgesellschaftliches Engagement, kommt es sehr darauf an, was man machen möchte. Auch hier gilt: Probieren. „Von der Jugendpolitik auf kommunaler, Landes- und Bundesebene bis zur NGO-Arbeit ist alles dabei.“ Trotz des breiten Engagements in Deutschland, weiß Romance, dass es noch mehr zu entdecken gibt. Diese Erkenntnis hat sie schließlich zur meet!-Mercator Europa Tour 2024 gebracht, die ihren Blick auf Europa und die Welt erweitert hat.
„meet! hat mich stärker gemacht“
Bei der Tour reisen junge Erwachsene drei Wochen lang durch verschiedene europäische Länder und kommen über Hospitationen mit wichtigen Akteur*innen aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft in Kontakt. Romances Hospitation führte sie ins Istanbul-Büro der Stiftung Mercator – ein zentraler Dreh- und Angelpunkt der türkisch-europäischen Beziehungen.
In Istanbul stand Romance direkt zu Beginn vor der Herausforderung, sich in einer völlig fremden Stadt zurechtzufinden. Doch genau diese Erfahrung hat sie nachhaltig geprägt und wachsen lassen: „meet! hat mich stärker gemacht.“
Während der meet!-Tour waren auch die anderen Jugendlichen, die „Meeties“, ein wichtiger Ankerpunkt für Romance. Mit vielen war sie bereits durch ihr Engagement bei Ruhrpott für Europa vernetzt, andere lernte sie bei der Reise kennen. Ob beim ersten Kennenlerntreffen in Hattingen oder der gemeinsamen Zeit in Tallinn und Helsinki – Romance lernte nicht nur mehr über Europa, sondern auch über den Wert von Gemeinschaft: „Das Projekt lebt von den Leuten!“


Die meet!-Mercator Europa Tour geht in die nächste Runde:
Bis zum 14. April können sich Abiturient*innen, Studierende und Auszubildende für die meet!-Mercator Europa Tour 2024 mit Stopps in Lissabon und Berlin bewerben. Das Programm richtet sich insbesondere an junge Erwachsene aus dem Ruhrgebiet und NRW, die als Erste in ihrer Familie Abitur machen oder studieren. Neben der gemeinsamen Reise in zwei europäische Hauptstädte machen die Teilnehmer*innen eine einwöchige Hospitation in einer internationalen Organisation und können so erste Auslandserfahrungen sammeln und sich beruflich orientieren.
Mit genug Selbstvertrauen wirst auch Du deinen Weg gehen
Aufbruch in die Zukunft
Für ihren weiteren Weg hat Romance noch große Pläne. „Ich würde gerne weiterhin mit Menschen zusammenarbeiten und irgendwann als Menschenrechtsaktivistin Leuten in Not helfen. Vielleicht führt mich mein Weg auch zur UN nach New York.“ Doch erstmal will sie ein Studium beginnen, das ihr Spaß macht und dem Journalismus treu bleiben.
Ganz festlegen möchte sie sich jedoch nicht. „Ich habe das Gefühl, dass, wenn ich mich auf eine bestimmte Sache festbeiße und es hinterher nicht klappt, meine Enttäuschung umso größer ist.“ Deshalb will sich Romance weiter ausprobieren und die Chancen im Leben ergreifen. „Niemand ist perfekt. Trotzdem wirst du mit genug Selbstvertrauen den richtigen Weg für dich finden.“
meet! – Mercator Europa Tour
Die meet! – Mercator Europa Tour ermöglicht jungen Menschen aus dem Ruhrgebiet einen vollfinanzierten dreiwöchigen Aufenthalt in Europa. Das Programm richtet sich an Auszubildende nach dem (Fach-)Abitur sowie Studierende, die internationale Tätigkeitsfelder kennenlernen möchten.