„Klima- und Entwicklungsdebatten sind nicht trennbar“ – das Climate Solutions Forum 2024
Klimapolitik demokratisieren: Wie kann das gehen? Das Climate Solutions Forum 2024 liefert Antworten. Im Rahmen der diesjährigen G20-Präsidentschaft Brasiliens wurde Anfang Juni in Rio de Janeiro über Klimagerechtigkeit, Umweltrassismus und die Rolle gemeinschaftlichen Engagements bei der Klimaanpassung diskutiert. Alice Amorim, Direktorin für Partnerschaften und Kommunikation beim Institute for Climate and Society, war dabei und zieht für AufRuhr ein Resümee.
Frau Amorim, Sie haben das Climate Solutions Forum 2024 live erlebt. Was waren die diesjährigen Schwerpunkte?
Alice Amorim: Die Konferenz hat sich in diesem Jahr vier Hauptthemen gewidmet: nachhaltigen Finanzen, Ernährungssystemen und Klimawandel, Klimaanpassung sowie Ungleichheit. Ein übergreifendes Thema war die Rolle der Philanthropie bei der Umsetzung all dieser Punkte im Rahmen des G20-Prozesses.
Worüber haben die Teilnehmenden diskutiert?
Im Bereich nachhaltige Finanzen ging es insbesondere darum, wie Finanzmittel für Entwicklungsländer zugänglich gemacht werden können. Außerdem braucht es zusätzliche Gelder für den Klimaschutz – und dabei nicht irgendwelche. Sie müssen auf die tatsächlichen Bedürfnisse vor Ort einzahlen. Beim Thema Ernährungssysteme standen die geopolitischen Aspekte der Ernährungsunsicherheit vieler Weltregionen im Vordergrund. Denn es braucht einen drastischen Wandel bei der globalen Lebensmittelversorgung. Nicht nur sollten Lebensmittel überall auf der Welt gleichermaßen verfügbar sein, bei ihrem Anbau sollten außerdem Energie und erdölbasierte Düngemittel eingespart werden.
Wie sah es bei den Themen Klimawandel und Ungleichheit aus?
Beim Thema Klimawandel haben wir darüber gesprochen, wie wichtig nicht nur die Investitionen in Klimaanpassungen sind. Es braucht hierfür auch ein gelungenes Storytelling, um Länder des Globalen Südens und Nordens von der Relevanz von Klimaanpassungen mehr und mehr zu überzeugen. Eine der wichtigsten Botschaften in Bezug auf Ungleichheit war, dass bei Klimafinanzierung und Klimamaßnahmen der Aspekt des Umweltrassismus berücksichtigt werden muss. Beim Thema Umweltrassismus geht es um die Tatsache, dass von Rassismus betroffene Personen global gesehen einer besonders hohen Umweltverschmutzung ausgesetzt sind, bei entsprechenden politischen Entscheidungen und bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen aber oft ausgeschlossen werden.
Alice de Moraes Amorim Vogas ist Expertin für Klimapolitik und Direktorin für Partnerschaften und Kommunikation beim Institute for Climate and Society (iCS). Außerdem ist sie Vorsitzende der Stiftungsplattform F20. Sie war Mitglied von GiP – Public Interest Management, Koordinatorin des „Policy and Engagement“-Programms von iCS und Bundeskanzler-Stipendiatin bei der Bundestagsabgeordneten Lisa Badum (Bündnis90/
Welche Teilnehmer*innen sind Ihnen besonders aufgefallen, und was waren ihre Botschaften?
Die wichtigsten Akteur*innen vertraten zivilgesellschaftliche Organisationen aus Ländern des Globalen Südens. Beim Climate Solutions Forum haben sie gezeigt, welche Lösungen sie bereits vor Ort umsetzen, wenn auch mit viel weniger Mitteln als benötigt. Eine Schlüsselbotschaft des Forums war, dass gemeinnützige Organisationen im Globalen Süden generell disziplinübergreifend arbeiten: Es ist unmöglich, die Klima- und Entwicklungsdebatten in diesen Ländern zu trennen.
Welche Projekte sind Ihnen in Erinnerung geblieben?
Da wäre eine Fallstudie aus einer brasilianischen Stadt im Bundesstaat São Paulo. Sie hat trotz eines sehr niedrigen Pro-Kopf-BIP ausgefeilte Klimaanpassungsmaßnahmen mit starker sozialer Beteiligung entwickelt. Während des Projektes wurden ärmere Stadtteile strategisch begrünt, um einerseits die Hitze in der Stadt zu verringern und andererseits den Lebensmittelanbau zu ermöglichen. Die Begrünung von Häusern hilft dort außerdem bei der Isolierung und senkt dadurch die Morbiditätsrate. Ergänzend wird Regenwasser gesammelt, um es für die Bewohner*innen des Stadtteils im Sommer zu speichern. Dann fällt mir ein interessantes Beispiel aus Rio de Janeiro ein. Die Organisation Casa Fluminense hat eine Karte der Ungleichheit für Rio de Janeiro erstellt, auf der Mobilität, Armut, Bildungsgrad und weitere soziale Faktoren über die Stadt verteilt sichtbar gemacht werden. Auf diese Weise konnten auch eine Million Häuser identifiziert werden, die durch klimawandelbedingte Überschwemmungen gefährdet sind.
Wie blicken Sie nach dem Forum in die Zukunft?
Das Climate Solutions Forum hat mehr als 300 Menschen zusammengebracht, um nicht nur die Probleme der Klimakrise, sondern auch ihre Lösungen zu diskutieren. Ich glaube, dass die nächsten sechs Monate entscheidend dafür sein werden, inwieweit die G20-Empfehlungen von den Staatschef*innen tatsächlich umgesetzt werden. Die brasilianische Regierung jedenfalls hat ihren politischen Willen bekundet, den Beiträgen aus der Gesellschaft Gehör zu schenken. Das Forum war ein Ausdruck dieser Redefreiheit und der Demokratisierung von Klimapolitik. Wir hoffen, dass einige Beiträge auf dem G20-Sozialgipfel und im abschließenden Kommuniqué berücksichtigt werden.
F20 Climate Solutions Forum 2024
Das F20 Climate Solutions Forum 2024 fand vom 4. bis 6. Juni in Rio de Janeiro, Brasilien, statt. Die diesjährige Ausgabe des Forums war verbunden mit der brasilianischen G20-Präsidentschaft unter dem Motto „Accountability in Action – Building bridges for North and South Partnerships“. Die Veranstaltung wurde von der Stiftungsplattform F20, dem Institute for Climate and Society (iCS), der Fundación Avina und der Group of Institutes, Foundations and Companies (GIFE) organisiert und ausgerichtet.
foundations-20.org/f20-climate-solutions-forum-2024/