„Klima- und Entwicklungsdebatten sind nicht trennbar“ – das Climate Solutions Forum 2024

Luftaufnahme der Jesus-Statue in Rio de Janeiro
„Klima- und Entwicklungsdebatten sind nicht trennbar“ – das Climate Solutions Forum 2024
Autor: Felix Jung 16.07.2024

Klimapolitik demokratisieren: Wie kann das gehen? Das Climate Solutions Forum 2024 liefert Antworten. Im Rahmen der diesjährigen G20-Präsidentschaft Brasiliens wurde Anfang Juni in Rio de Janeiro über Klima­gerechtigkeit, Umwelt­rassismus und die Rolle gemeinschaftlichen Engagements bei der Klima­anpassung diskutiert. Alice Amorim, Direktorin für Partnerschaften und Kommunikation beim Institute for Climate and Society, war dabei und zieht für AufRuhr ein Resümee.

Frau Amorim, Sie haben das Climate Solutions Forum 2024 live erlebt. Was waren die diesjährigen Schwerpunkte?

Alice Amorim: Die Konferenz hat sich in diesem Jahr vier Haupt­themen gewidmet: nachhaltigen Finanzen, Ernährungs­systemen und Klima­wandel, Klima­anpassung sowie Ungleichheit. Ein über­greifendes Thema war die Rolle der Philanthropie bei der Umsetzung all dieser Punkte im Rahmen des G20-Prozesses.

Worüber haben die Teilnehmenden diskutiert?

Im Bereich nachhaltige Finanzen ging es insbesondere darum, wie Finanz­mittel für Entwicklungs­länder zugänglich gemacht werden können. Außerdem braucht es zusätzliche Gelder für den Klimaschutz – und dabei nicht irgendwelche. Sie müssen auf die tatsächlichen Bedürfnisse vor Ort einzahlen. Beim Thema Ernährungs­systeme standen die geopolitischen Aspekte der Ernährungs­unsicherheit vieler Welt­regionen im Vorder­grund. Denn es braucht einen drastischen Wandel bei der globalen Lebens­mittel­versorgung. Nicht nur sollten Lebens­mittel überall auf der Welt gleicher­maßen verfügbar sein, bei ihrem Anbau sollten außerdem Energie und erdölbasierte Dünge­mittel eingespart werden.

Wie sah es bei den Themen Klimawandel und Ungleichheit aus?

Beim Thema Klimawandel haben wir darüber gesprochen, wie wichtig nicht nur die Investitionen in Klima­anpassungen sind. Es braucht hierfür auch ein gelungenes Story­telling, um Länder des Globalen Südens und Nordens von der Relevanz von Klima­anpassungen mehr und mehr zu überzeugen. Eine der wichtigsten Botschaften in Bezug auf Ungleichheit war, dass bei Klima­finanzierung und Klima­maßnahmen der Aspekt des Umwelt­rassismus berücksichtigt werden muss. Beim Thema Umwelt­rassismus geht es um die Tatsache, dass von Rassismus betroffene Personen global gesehen einer besonders hohen Umwelt­verschmutzung ausgesetzt sind, bei entsprechenden politischen Entscheidungen und bei der Umsetzung von Klima­schutz­maßnahmen aber oft ausgeschlossen werden.

Alice de Moraes Amorim Vogas
© privat

Alice de Moraes Amorim Vogas ist Expertin für Klima­politik und Direktorin für Partnerschaften und Kommunikation beim Institute for Climate and Society (iCS). Außerdem ist sie Vorsitzende der Stiftungs­plattform F20. Sie war Mitglied von GiP – Public Interest Management, Koordinatorin des „Policy and Engagement“-Programms von iCS und Bundes­kanzler-Stipendiatin bei der Bundes­tags­abgeordneten Lisa Badum (Bündnis90/Die Grünen). Als Senior Lead bei WINGS koordinierte sie die globale Bewegung #PhilanthropyForClimate.

Welche Teilnehmer*innen sind Ihnen besonders aufgefallen, und was waren ihre Botschaften?

Die wichtigsten Akteur*innen vertraten zivil­gesellschaftliche Organisationen aus Ländern des Globalen Südens. Beim Climate Solutions Forum haben sie gezeigt, welche Lösungen sie bereits vor Ort umsetzen, wenn auch mit viel weniger Mitteln als benötigt. Eine Schlüssel­botschaft des Forums war, dass gemein­nützige Organisationen im Globalen Süden generell disziplin­über­greifend arbeiten: Es ist unmöglich, die Klima- und Entwicklungs­debatten in diesen Ländern zu trennen.

Welche Projekte sind Ihnen in Erinnerung geblieben?

Da wäre eine Fallstudie aus einer brasilianischen Stadt im Bundesstaat São Paulo. Sie hat trotz eines sehr niedrigen Pro-Kopf-BIP ausgefeilte Klima­anpassungs­maßnahmen mit starker sozialer Beteiligung entwickelt. Während des Projektes wurden ärmere Stadt­teile strategisch begrünt, um einerseits die Hitze in der Stadt zu verringern und anderer­seits den Lebens­mittel­anbau zu ermöglichen. Die Begrünung von Häusern hilft dort außerdem bei der Isolierung und senkt dadurch die Morbiditäts­rate. Ergänzend wird Regen­wasser gesammelt, um es für die Bewohner*innen des Stadt­teils im Sommer zu speichern. Dann fällt mir ein interessantes Beispiel aus Rio de Janeiro ein. Die Organisation Casa Fluminense hat eine Karte der Ungleichheit für Rio de Janeiro erstellt, auf der Mobilität, Armut, Bildungs­grad und weitere soziale Faktoren über die Stadt verteilt sichtbar gemacht werden. Auf diese Weise konnten auch eine Million Häuser identifiziert werden, die durch klima­wandel­bedingte Über­schwemmungen gefährdet sind.

Wie blicken Sie nach dem Forum in die Zukunft?

Das Climate Solutions Forum hat mehr als 300 Menschen zusammen­gebracht, um nicht nur die Probleme der Klimakrise, sondern auch ihre Lösungen zu diskutieren. Ich glaube, dass die nächsten sechs Monate entscheidend dafür sein werden, inwieweit die G20-Empfehlungen von den Staats­chef*innen tatsächlich umgesetzt werden. Die brasilianische Regierung jedenfalls hat ihren politischen Willen bekundet, den Beiträgen aus der Gesellschaft Gehör zu schenken. Das Forum war ein Ausdruck dieser Rede­freiheit und der Demokratisierung von Klimapolitik. Wir hoffen, dass einige Beiträge auf dem G20-Sozialgipfel und im abschließenden Kommuniqué berücksichtigt werden.


F20 Climate Solutions Forum 2024

Das F20 Climate Solutions Forum 2024 fand vom 4. bis 6. Juni in Rio de Janeiro, Brasilien, statt. Die diesjährige Ausgabe des Forums war verbunden mit der brasilianischen G20-Präsidentschaft unter dem Motto „Accountability in Action – Building bridges for North and South Partnerships“. Die Veranstaltung wurde von der Stiftungsplattform F20, dem Institute for Climate and Society (iCS), der Fundación Avina und der Group of Institutes, Foundations and Companies (GIFE) organisiert und ausgerichtet.
foundations-20.org/f20-climate-solutions-forum-2024/