Wer einen Neu- oder Gebrauchtwagen kauft, stellt sich heute die Frage:
Verbrenner oder E-Auto?
Doch neben persönlicher Präferenz und dem Aspekt der Nachhaltigkeit entscheidet vor allem eines über den Kauf – der Preis. Und aktuell sind elektrisch angetriebene Modelle noch immer teurer als ihre Verbrenneräquivalente. Wie sozial gerecht ist die Antriebswende also? Das hat der International Council on Clean Transportation (ICCT) untersucht. Es zeigt sich: Besonders fünf Faktoren beeinflussen die soziale Teilhabe an der E-Mobilität.
Deutschland ist ein Autoland, das gilt nach wie vor.
Fast 50 Millionen Pkw sind heute zugelassen, die allermeisten davon Verbrenner. Nicht ohne Grund trägt der motorisierte Individualverkehr erheblich zu den CO2-Emissionen hierzulande bei. Die Politik hat sich derweil ambitionierte Ziele gesetzt, um den Verkehr klimafreundlicher zu machen: Bis 2030 sollen 15 Millionen Elektroautos auf deutschen Straßen fahren. Doch wie schnell kann Deutschland zum E-Autoland werden? Und wer wird sich die Antriebswende finanziell leisten können? Der neue ICCT-Monitor gibt Aufschluss.
Faktor 1: Ungleiche Einkommensverteilung
Die E-Mobilität in Deutschland steckt noch in den Kinderschuhen, doch sie macht Fortschritte. Zu Beginn dieses Jahres waren in Deutschland mehr als 1,4 Millionen Elektro-Pkw zugelassen, mehr als doppelt so viele wie zwei Jahre zuvor. Fast jeder fünfte Pkw, der 2023 neu zugelassen wurde, ist elektrisch angetrieben. Allerdings ist die Entscheidung für ein E-Auto sehr ungleich verteilt in Deutschland.
Die fünf Regionen, in denen 2023 anteilig die meisten Elektro-Pkw neu zugelassen wurden, liegen in Bayern und Niedersachen. Im Osten ist der Anteil im Durchschnitt niedriger als in den anderen Teilen Deutschlands.
Räumliche Verteilung von Elektro-Pkw-Neuzulassungen im Jahr 2023 in Relation zum Bundesdurchschnitt nach städtischen, suburbanen und ländlichen Kreisen und kreisfreien Städten.
Woher kommen diese Unterschiede?
Sandra Wappelhorst, Senior Researcher beim ICCT, erklärt:
„Tendenziell gibt es dort mehr Neuzulassungen von Elektro-Pkw, wo das durchschnittliche verfügbare Einkommen und die Dichte an öffentlich zugänglichen Ladepunkten höher ist. Auch die Möglichkeit, zu Hause zu laden, spielt dabei eine Rolle.“
Ein Grund könnte also die ungleiche Einkommensverteilung sein. Menschen in Regionen mit überdurchschnittlich hohem Pro-Kopf-Einkommen entscheiden sich öfter für ein Elektroauto als in ärmeren Regionen. Sandra Wappelhorst betont jedoch, dass es sich dabei um eine Korrelation und keine Kausalität handelt.
Zwar kommen immer mehr neue E-Modelle auf den Markt, doch bisher gibt es in den unteren und mittleren Preissegmenten relativ wenig Auswahl. 2023 waren fast alle der acht meistzugelassenen Pkw-Modelle mit Elektromotor teurer in der Anschaffung als die Pendants mit Verbrennungsmotor. Dies erschwert Menschen mit geringem Einkommen den Zugang zur Elektromobilität.
Faktor 2: Das Stadt-Land-Gefälle
Menschen in Großstädten treiben die Elektromobilitätswende voran, auf dem Land kommt sie zum Erliegen? Dieses Klischee stimmt nicht, das zeigt der Monitor des ICCT. Im vergangenen Jahr machten Elektro-Pkw in allen städtischen Regionen 17 Prozent der Neuzulassungen aus. In suburbanen Regionen waren es 19 Prozent, in ländlichen sogar 21 Prozent. Der Gesamtdurchschnitt für Deutschland lag bei 18 Prozent.
Auch bei der Ladeinfrastruktur stehen ländliche Regionen gut da. Insgesamt hat sich die Anzahl von öffentlichen Ladepunkten in Deutschland seit 2021 verdreifacht. In städtischen Regionen gab es zu Beginn dieses Jahres im Durchschnitt 3,3 Normalladepunkte pro 10.000 Einwohner*innen, in suburbanen 5,9 und in ländlichen 7,9.
Faktor 3: Staatliche Förderungen für Nutzer*innengruppen
Die jährlichen Neuzulassungen von Pkw verteilen sich in Deutschland zu ähnlichen Anteilen auf private Haushalte, Flottenbetreiber sowie Hersteller, Handel und Autovermietungen. In allen drei Haltergruppen machten Verbrenner 2023 mindestens zwei Drittel der Neuzulassungen aus. Es waren jedoch die Privatpersonen, die sich in immerhin 24 Prozent der Fälle für neue Elektro-Pkw entschieden haben. Bei den anderen beiden Gruppen machten E-Autos 19 und 13 Prozent aus.
Wenn Sie die Karte laden wollen, klicken Sie bitte auf den unteren Button.
Mit dem Laden des Inhalts akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von datawrapper.de.
Mehr erfahren
Wie fördert die Bundesregierung die Anschaffung von E-Autos?
„Die Bundesregierung hat aktuell alle Förderungen von E-Autos eingestellt. Die Effekte waren direkt spürbar: Bei Flottenbetreibern sank der Anteil von Elektro-Pkw bei den Neuzulassungen von 37 Prozent im August 2023 auf 9 Prozent im Folgemonat, als die Förderungen eingestellt waren. Privatkund*innen reagierten ähnlich sensibel: Nach Senkung des Umweltbonus verringerte sich die Anzahl der E-Neuzulassungen von fast 48.500 im Dezember 2022 auf gut 8.300 im Januar 2023.“ – Sandra Wappelhorst, Senior Researcher beim ICCT
Während der Mangel an Förderungen für Privatpersonen alle Käuferschichten trifft, könnten insbesondere Menschen mit geringem Einkommen von zugeschnittenen Förderungen profitieren. Und die Antriebswende so sozial gerechter machen.
Faktor 4: Auswahl an preisgünstigen E-Autos
Die meisten Privatpersonen in Deutschland kaufen eher kleine bis mittelgroße Autos. Zwei Drittel aller Neuzulassungen entfielen 2023 auf Mini-, Klein- und Kompaktwagen, also auf Pkw mit der Größe etwa eines Opel Astra, VW Golf oder Ford Focus. Etwa jede*r Fünfte entschied sich dabei für einen elektrisch angetriebenen Wagen.
Deutlich höher lag dieser Anteil bei Mittelklassewagen, also bei Modellen von der Größe eines Volvo V60, einer Mercedes-Benz C-Klasse oder eines VW Passat. 45 Prozent der Menschen, die 2023 in diesem Segment kauften, setzten auf einen Elektroantrieb. Doch den muss man sich leisten können: Sowohl auf dem Neu- als auch auf dem Gebrauchtmarkt unterscheiden sich die Modelle der Kompakt- und Mittelklasse deutlich im Preis. Eine größere Auswahl an preisgünstigeren kleinen E-Autos würde vielen Menschen die Teilhabe an der Antriebswende erleichtern.
Warum gibt es nicht mehr E-Modelle in den unteren Preissegmenten?
„Aktuell gibt es für die Fahrzeughersteller keinen Anreiz, mehr Elektroautos zu verkaufen – denn schon 2025 erfolgt die nächste Verschärfung einer entsprechenden Regulierung. Daher konzentrieren sich die Hersteller jetzt auf große Verbrenner mit hohen Gewinnmargen. Ab Januar wird der Fokus auf Elektroautos liegen, was die Produktionsvolumina als auch die Anschaffungspreise vermutlich senken wird.“ – Sandra Wappelhorst, Senior Researcher beim ICCT
Faktor 5: Alter und Geschlecht
2023 wurden 70 Prozent der neuen Pkw auf männliche Besitzer zugelassen und gleichzeitig sechs von zehn Autos an Menschen zwischen 40 und 64 Jahren verkauft, zeigt der ICCT-Monitor. Es sind also vor allem Männer mittleren Alters, die Entscheidungen darüber treffen, welchen Antrieb ein neues Auto haben soll – und damit auch, welche Fahrzeuge auf dem Gebrauchtwagenmarkt später zur Verfügung stehen.
Welche politischen Anreize können den E-Markt sozial gerechter machen?
„In anderen Ländern setzen Regierungen bereits Anreize für den Erwerb neuer und gebrauchter Elektrofahrzeuge. Sie sprechen zum Beispiel bestimmte demografische Gruppen an, berücksichtigen das Einkommen oder Mobilitätseinschränkungen. Zinsfreie Darlehen, Steuererleichterungen oder reduzierte Leasingraten für Personen mit niedrigerem Einkommen sind weitere Beispiele, wie der E-Markt gerechter gemacht werden kann.“
Fazit
Das Autoland Deutschland wird elektrisch – in mancher Hinsicht schneller als in anderer. Obwohl der Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur vorangeht und ein signifikanter Teil der Neuwagenkäufer*innen ein E-Auto wählt, ist das Straßenbild noch von Verbrennern geprägt. Besonders für weniger wohlhabende Personen ist der Kauf eines E-Autos aktuell nicht attraktiv genug. Gezielte Fördermaßnahmen könnten Abhilfe schaffen – sodass weniger Menschen bei der Antriebswende stehen gelassen werden.
Der ICCT-Monitor 2024 „Elektromobilität und soziale Teilhabe“ ist HIER verfügbar.
International Council on Clean Transportation
Der International Council on Clean Transportation (ICCT) ist eine unabhängige und gemeinnützige Forschungsorganisation. Sie wurde gegründet, um Behördenvertreter*innen mit fundierten und objektiven wissenschaftlichen sowie technischen Analysen zeitnah in ihrer Arbeit zu unterstützen. Die Forschung des ICCT hilft Entscheider*innen auf der ganzen Welt, die Umweltwirkungen des Straßen-, See- und Luftverkehrs zu verringern, die öffentliche Gesundheit zu fördern und dem Klimawandel entgegenzuwirken.
www.theicct.org