Philanthropie fürs Klima: wie Stiftungen Verantwortung übernehmen

Gemeinsam fürs Klima: AufRuhr brachte drei Stiftungen an einen Tisch, um über europäische Verantwortung zu diskutieren.
Philanthropie fürs Klima: wie Stiftungen Verantwortung übernehmen
Autor: Felix Jung Illustrationen: Tolga Akdoğan 22.05.2025

Stiftungen gelten als werteorientiert und verantwortungs­bewusst – dass sie nachhaltig arbeiten, scheint also selbst­verständlich. Doch ganz so einfach ist es nicht. Abseits ihres eigentlichen Stiftungs­zweckes fällt es vielen Organisationen schwer, nach­haltig zu handeln, etwa indem sie den Schutz des Klimas fördern. Mehr als 800 Stiftungen haben sich deshalb der Initiative #PhilanthropyForClimate angeschlossen, entweder durch eine eigene Verpflichtung auf nationaler Ebene oder über das International Philanthropy Commitment on Climate Change. Drei Stiftungen aus Irland, Italien und Deutschland berichten beim Roundtable von AufRuhr, warum dieser Schritt nötig war, mit welchen Hürden sie umgehen müssen und wie sich Klimaschutz effektiv in der Stiftungs­arbeit umsetzen lässt.

Das International Philanthropy Commitment on Climate Change ist eine Selbst­verpflichtung von Stiftungen für den Klima­schutz, das von den philan­thropischen Netz­werk­organisationen Philea und WINGS initiiert wurde. Stiftungen aus 21 Ländern welt­weit haben bereits unter­schrieben. Darunter die Community Foundation Ireland, die sich gemeinsam mit 5.000 kommunalen Partnern für Gleich­berechtigung einsetzt. Oder die italienische Chiesi Foundation, die ihren Fokus auf Mütter- und Säuglings­gesundheit in Ländern des Globalen Südens gelegt hat. Oder auch die Stiftung Mercator, die sich für internationale Zusammen­arbeit, gesellschaftliche Teilhabe, Digitalisierung und Klimaschutz engagiert. Beim AufRuhr-Roundtable im April 2025 berichteten die Stiftungs­mitarbeiterinnen Melanie Steinhardt, Federica Cassera und Charlotte Ruhbaum, wie sie mit unterschiedlichen Ansätzen und Heraus­forderungen auf das Ziel hin­arbeiten, klima­freundlicher zu werden.

Drei Länder, drei Wege – und ein gemeinsames Ziel

„Wir haben erkannt, dass der Klimawandel eine der größten Bedrohungen für die globale Gesundheit darstellt“, erklärt Federica Cassera von der Chiesi Foundation. Maßnahmen in Sachen Klima­schutz seien jedoch komplizierter umzusetzen, als viele vermuten würden. „Für unsere Partner in Afrika – Kranken­häuser für die Mütter- und Neu­geborenen­versorgung – hat Klima­schutz aktuell nicht die höchste Priorität. Für sie steht das Retten von Leben an erster Stelle.“ In einem Land wie Burkina Faso sei es heraus­fordernd, neben dem Tages­geschäft nach­haltige Praktiken zu etablieren, so die Expertin. „Es ist schwer genug, die Säuglings­sterblichkeit in einem Land zu reduzieren, in dem anhaltende bewaffnete Aufstände und Unsicherheit herrschen. Viele Kranken­häuser bewerben sich deshalb nicht auf Förderungen, die hauptsächlich auf Klimaschutz ausgerichtet sind.“

Melanie Steinhardt
© Mitchell Steinhardt

Melanie Steinhardt ist als Senior­managerin für Zuschüsse und die Betreuung von Spender*innen bei der Community Foundation Ireland tätig. Die Stiftung versteht sich als Brücken­bauerin zwischen Spender*innen und gemein­nützigen Initiativen und fördert viele Projekte, unter anderem in den Bereichen soziale Gerechtigkeit, Bildung und Nach­haltigkeit. Steinhardt spielt eine Schlüssel­rolle bei Förder­entscheidungen und Spender*innen­beziehungen. Sie vernetzt sich mit Kolleg*innen, um den internen Transformations­prozess hin zu mehr Nach­haltigkeit voran­zu­treiben, und setzt sich für die Verankerung des Klimaschutzes als Querschnitts­thema in der irischen Philan­thropie ein.

Viele Krankenhäuser bewerben sich nicht auf Förderungen für Klimaschutz, wenn bewaffnete Aufstände und Unsicherheit herrschen.

Trotz aller Unterschiede seien die Heraus­forderungen in Irland ähnlich, erklärt Melanie Steinhardt von der Community Foundation Ireland. Klimaschutz habe aktuell noch nicht den gewünschten Stellen­wert. „Trotz des wirtschaftlichen Erfolges des Landes bleiben die sozialen Unterschiede in vielen irischen Gemeinden bestehen“, erklärt Steinhardt. Um zu verdeutlichen, dass viele Probleme mit Nachhaltigkeit zusammen­hängen, hat ihre Stiftung 2023 begonnen, die internen Nachhaltigkeits­standards zu über­prüfen. Seitdem vergibt sie Fördermittel für Klima und Nachhaltigkeit verstärkt, wenn diese mit Themen wie soziale Ungleichheit, Wohnraum, Bildung oder Pflege verknüpft sind.

Die Stiftung Mercator berechnet seit über 15 Jahren ihren CO2-Fußabdruck, kompensiert unvermeidbare Emissionen und hat seit 2008 einen eigenen Förder­bereich für Klima­schutz, mit dem sie Klima­neutralität als Quer­schnitts­aufgabe und gesamt­gesellschaftliche Heraus­forderung angeht. „Wir arbeiten daran, dass wirtschaftliche Prosperität und soziale Gerechtig­keit von der Gesellschaft nicht mehr als Gegensätze wahr­genommen werden“, führt Charlotte Ruhbaum aus. „Sie gehören zusammen.“

Federica Cassera

Federica Cassera ist Program Development Officer bei der Chiesi Foundation, einer gemein­nützigen Organisation mit Sitz in Italien. Die Stiftung engagiert sich für die Verbesserung der Mütter- und Säuglings­gesundheit sowie für die Versorgung von Patient*innen mit chronischen Atem­wegs­erkrankungen im Globalen Süden. Cassera koordiniert Partnerschaften der Stiftung mit lokalen und inter­nationalen Akteuren und setzt sich für eine Entwicklungs­zusammen­arbeit auf Augenhöhe ein.

Wie können wir mehr Klimaschutz ermöglichen? Diese Frage stellen sich Melanie Steinhardt, Federica Cassera und Charlotte Ruhbaum.
Wie können wir mehr Klimaschutz ermöglichen? Diese Frage stellen sich Melanie Steinhardt, Federica Cassera und Charlotte Ruhbaum. © Tolga Akdoğan

Zwischen guten Absichten und großen Heraus­forderungen

Doch wie schafft es der Klimaschutz in die tägliche Praxis von Stiftungs­projekten? In „Baby­schritten“, wie Cassera an einem Beispiel verdeutlicht: Bei einem Treffen im ost­afrikanischen Burundi wurden Namens­schilder und Schlüssel­bänder aus Plastik durch umwelt­freundliche Alternativen ersetzt. „Diese kleinen Veränderungen sind entscheidend, um ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit zu schaffen, auch wenn sie nicht die dringendsten Probleme lösen“, so die Italienerin. Auch Ansätze wie die Kangaroo Mother Care, bei der Mütter und ihre Neugeborenen möglichst viel Haut­kontakt haben, werden von der Stiftung ins Gesund­heits­system implementiert. Ein solcher Ansatz verbessert nicht nur die Gesundheits­ergebnisse, sondern verringert auch die Abhängigkeit von energie­intensiven Technologien, die für die stationäre Versorgung von kranken Müttern und Kindern notwendig wäre. Darüber hinaus ist es der Chiesi Foundation ein Anliegen, das Thema Nach­haltigkeit in der Entwicklungs­zusammen­arbeit zu dekolonialisieren. „Jahr­zehnte­lang haben wir afrikanischen Partner­ländern Lösungen über­gestülpt. Heute lassen wir uns von unseren Partnern vor Ort zeigen, welche Klima­schutz­ansätze sinnvoll sind. Nur so kann die inter­nationale Zusammen­arbeit nach­haltig funktionieren.“

Charlotte Ruhbaum
© Peter Gwiazda

Charlotte Ruhbaum ist seit 2015 Projekt­managerin im Bereich Klima­schutz bei der Stiftung Mercator. Zuvor war sie als Policy Officer für Energie­effizienz in Berlin und Brüssel tätig. Die Politik­wissenschaftlerin hat an der Freien Universität Berlin Umwelt­management studiert und bringt ihre Expertise in die strategische Förderung von Klima­schutz­projekten ein. Bei der Stiftung Mercator arbeitet sie daran, soziale und ökologische Ziele mit­einander zu verbinden und die Rolle von Stiftungen im Klima­schutz zu stärken.

Jahrzehntelang haben wir afrikanischen Partnerländern Lösungen über­gestülpt. Heute lassen wir uns von unseren Partnern vor Ort zeigen, welche Klima­schutz­ansätze sinnvoll sind.

Auch die Community Foundation Ireland hält wenig vom erhobenen Zeige­finger. „Klima­schutz muss Teil der Lösung für Alltags­probleme sein – ob bei der Wohnungs­not oder beim Pflege­kräfte­mangel“, betont Melanie Steinhardt. In Dublin fördert die Stiftung das erste Klima­kooperations­projekt der Stadt, das ein­kommens­schwache Viertel mit Solar­panelen versorgt. Die Communitys vor Ort setzen die Maßnahmen gemeinschaftlich um und profitieren von günstigeren Energie­preisen und wärmeren Häusern. Das Unternehmen, das die Solar­anlagen installiert, schafft zudem Arbeits­plätze für die Bewohner*innen.

Charlotte Ruhbaum bricht derweil eine Lanze für mehr Dialog zwischen Stiftungen. „Ein nationales Commitment, wie es z.B. in Frankreich oder Italien existiert, schafft Möglichkeiten, sich im nationalen Kontext zur Umsetzung aus­zu­tauschen“, weiß Ruhbaum. Die Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass so mehr Stiftungen überzeugt werden können, sich der Initiative an­zu­schließen, so die Expertin.

Nicht ohne den Globalen Süden: Für den Klimaschutz setzen immer mehr Stiftungen auf Perspektivenvielfalt.
Nicht ohne den Globalen Süden: Für den Klimaschutz setzen immer mehr Stiftungen auf Perspektivenvielfalt. © Tolga Akdoğan

Ab jetzt zählt das Handeln

Das Roundtable-Gespräch zeigt, was alle drei Stiftungen eint: Sie wollen Klima­schutz als Voraus­setzung für die Zukunft ihres Engagements begreifen und nicht als frei­willige Zusatz­aufgabe. Dabei zeigt sich, dass klima­bewusstes Handeln nicht immer einfach ist – gerade wenn Ressourcen fehlen oder Partner andere Prioritäten setzen. „Die Idee ist nicht, mehr Klima­stiftungen zu gründen, sondern Klima­schutz in die Arbeit von Stiftungen zu integrieren“, betont Charlotte Ruhbaum. „Das Commitment ist hierfür ein Anfang. Die eigentliche Arbeit beginnt jetzt.“

Der erste Zwischen­bericht von Philea und WINGS zum Inter­national Philanthropy Commitment on Climate Change ist kürzlich erschienen und hier verfügbar.


Philea

Philea – die Philanthropy Europe Association – ist der europäische Dach­verband für Stiftungen und philan­thropische Organisationen mit Sitz in Brüssel. Philea vereint über 7.500 gemein­nützige Stiftungen, die sich für die Verbesserung der Lebens­bedingungen von Menschen und Gemeinschaften in Europa und auf der ganzen Welt einsetzen. Die Arbeit von Philea spiegelt dabei die Prioritäten seiner Mitglieder wider und umfasst die drei über­greifenden Themen Demokratie, Klima­schutz und Gleich­stellung.

https://philea.eu/