„Debatte oft noch am Anfang“

Menschen sammeln Müll auf einer grünen Wiese.
„Debatte oft noch am Anfang“
Autor: Matthias Klein 24.10.2019

Klima steht auf der Tagesordnung: Viele Organisationen beschäftigen sich inzwischen damit, sagt Lilian Schwalb vom Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE). Die Schulstreiks hätten die Dringlichkeit deutlich gemacht – damit sei aber auch ein neues Spannungsfeld entstanden.

Frau Schwalb, Ihre Organisation verfolgt das Ziel, die Zivilgesellschaft zu stärken und gute Rahmenbedingungen für bürgerschaftliches Engagement zu schaffen – wie sind Sie zum Thema Klimawandel gekommen?

Lilian Schwalb: Im weiteren, übergeordneten Sinne beschäftigt uns das Thema schon lange. Unter unseren Mitgliedern sind Umweltverbände, die sich in diesem Bereich engagieren. Auch weiter gefasste Fragen beschäftigen uns, etwa im Kontext des Diskurses um die SDGs, die Globalen Ziele für Nachhaltige Entwicklung, bereits seit längerer Zeit. Hinzu kommt: Dass der Klimawandel eine große Herausforderung ist, ist inzwischen in der öffentlichen Debatte angekommen. Unsere Mitglieder sehen, dass Errungenschaften der vergangenen Jahre und Tätigkeitsfelder der Zivilgesellschaft durch Probleme im Kontext des Klimawandels in Frage gestellt werden, das gilt beispielsweise für Fragen der sozialen Gerechtigkeit oder der humanitären Hilfe. Gleichzeitig wird deutlich: Die Klimafrage ist eine globale, die Zusammenhänge sind komplex. Ansätze werden heiß diskutiert, aber konkrete Lösungen sind meist nicht in Sicht, oft bleibt es bei Lippenbekenntnissen.

Portrait von Dr. Lilian Schwalb
© Lilian Schwalb

Dr. Lilian Schwalb

Dr. Lilian Schwalb ist Leiterin des Bereichs Netzwerkbetreuung und -entwicklung und Mitglied der Geschäftsführung beim Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE).

Die Aktionen von Greta und fridaysforfuture haben das Thema medial auf die Agenda gebracht – hat das auch Ihre Mitglieder beeinflusst?

Schwalb: Die Proteste haben eine enorme Kraft, dadurch wird deutlich, wie dringend das Thema ist. Aus unserer Sicht ist ein neues Spannungsfeld entstanden. Da ist die lebensweltliche Perspektive der Protestierenden, ihr Engagement, die enorme Dynamik. Diese trifft auf die politisch-strukturelle Perspektive der Organisationen, die sich schon lange mit diesem Thema befassen, sich politisch einsetzen und beispielsweise in entsprechenden Gremien vertreten sind. Jetzt gilt es, diese beiden Perspektiven zusammenzubringen und zu verknüpfen.

Jetzt geht es darum, an dem Interesse anzusetzen und die vielfältigen Kompetenzen und Ideen zu bündeln.

Wie haben Ihre Mitglieder reagiert, als Sie begonnen haben, sich mit dem Thema zu befassen?

Schwalb: Wir sind ausschließlich auf offene Türen gestoßen. Unser Netzwerk vereint bundesweit Akteure aus unterschiedlichen Engagementfeldern, allen gesellschaftlichen Bereichen und verschiedenen Ebenen. Für uns ist die Überzeugung prägend, dass sich Probleme nur sektorenübergreifend lösen lassen. Und das gilt ja gerade auch für Klimafragen.

Wie kann sich die Zivilgesellschaft konkret engagieren?

Schwalb: Die Zivilgesellschaft kann in zweierlei Hinsicht aktiv sein. Erstens hat sie das Potenzial, durch die Proteste einen Veränderungsdruck zu erzeugen, sodass die Politik reagieren muss. Unter unseren Mitgliedern sind wie gesagt Umweltverbände, die entsprechende Forderungen formulieren können und das auch tun. Zweitens kann die Zivilgesellschaft konkrete Initiativen starten und in diesem Sinne ein Innovationsmotor sein. Gerade in diesem Bereich können auch Organisationen, die den Klimaschutz nicht als ihren Kernbereich definieren, noch mehr Power entwickeln. Wir sehen: In vielen Organisationen steht die Debatte noch am Anfang. Jetzt geht es darum, an dem Interesse anzusetzen und die vielfältigen Kompetenzen und Ideen zu bündeln, die in den Organisationen und Institutionen bereits auf ganz unterschiedliche Weise vorhanden sind. Ein wichtiger Punkt ist für uns, zum Transfer dieser Wissensbestände beizutragen. Wir bringen die im Netzwerk vorhandene Expertise in den Austausch, festigen bestehende und schaffen neue Verbindungen und unterstützen, dass daraus Neues entstehen kann.

Auf welche Herausforderungen stoßen Sie dabei?

Schwalb: Die Hürden liegen zumeist in strukturellen Rahmenbedingungen. Gemeinnützige Organisationen müssen sich auf ihren Kernbereich konzentrieren. Für zusätzliche Aktivitäten fehlen ihnen zumeist die Ressourcen, sei es Geld oder auch Personal. Da wollen wir ran, aber das ist sehr schwierig.

gemeinschaftlicher Gartenbau
© Getty Images

Wie können Sie darauf reagieren?

Schwalb: Wir möchten gemeinsam mit unseren Mitgliedern auswerten, wie Rahmenbedingungen des Engagements und der Aktivitäten zivilgesellschaftlicher Organisationen in diesem Feld verbessert werden können. Wie können Strukturen so gestaltet werden, dass Mitglieder das Thema bearbeiten können? Ich kann mir vorstellen, dass wir neben der Verbesserung der Rahmenbedingungen auch durch Kooperationen und in Partnerschaften mehr bewegen können. Darüber hinaus werden Fragen des Klimawandels inzwischen häufiger mit anderen gesellschaftlichen Fragestellungen in Beziehung gesetzt, beispielsweise mit dem Engagement im Themenfeld der Migration, mit Engagement und sozialer Ungleichheit oder der Digitalisierung der Zivilgesellschaft. Hier anzusetzen, ist klug und schafft Synergien.

Serie: Mercator Klima Forum

Wie integrieren Vereine und Institutionen Klimaschutz und Nachhaltigkeit in ihre Arbeit? Darüber berichten wir in unserer Serie zu unserem Mercator Forum „Engagement fürs Klima“

Wie kann die konkrete Arbeit aussehen?

Schwalb: Einige Mitglieder haben Nachhaltigkeitsstrategien verfasst. Das ist für viele ein großer Schritt und alles andere als selbstverständlich. Auch können wir uns mit der Frage befassen, wie Organisationen sich mit ihren Mitgliedern gemeinsam gut aufstellen können. Das ist die interne Seite.

Extern muss das Ziel sein, dass das Thema in verschiedenen Bereichen Aufmerksamkeit erzeugt und Eingang findet, bei sozialen Initiativen ebenso wie in der Kultur oder im Sport. In den vergangenen Jahrzehnten gab es regelmäßig Trendthemen der Engagementpolitik, ob jedoch aus diesen thematischen Schwerpunkten eine langfristige Aktivität der Zivilgesellschaft erwächst, muss sich für jedes Politikfeld zeigen.

Grundsätzlich ist entscheidend, dass wir die Gunst der Stunde nutzen, um die Zukunftsfragen nachhaltig zu verankern. Entscheidend ist dabei auch, ob sich junge Engagierte längerfristig einbringen wollen und können, ob sie ihre zivilgesellschaftlichen Räume aktiv weiter ausbauen und die entstehenden neuen Engagementfelder weiter entwickeln und gestalten. Nicht zuletzt sollten wir auch durch aktuelle Befunde der Zivilgesellschaftsforschung zu neuen Erkenntnissen gelangen. Im BBE werden wir im Zuge einer Mitgliederbefragung aktuelle Bedarfe und Perspektiven unserer Mitglieder erheben und mit Bezug auf das Engagement im Themenfeld Klima – auch für unsere weitere Netzwerkarbeit – auswerten.

Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement

Das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) ist das größte nationale Netzwerk in Europa für die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements, für Partizipation und Bürgergesellschaft. In ihm haben sich Institutionen und Organisationen aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Arbeitsleben, aus Staat, Politik, Medien und Wissenschaft zusammengeschlossen.

https://www.b-b-e.de/


 

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