Konfliktmanagement in Kommunen: 7 Tipps für konstruktive Lösungen

Konfliktmanagement in Kommunen: 7 Tipps für konstruktive Lösungen
Autorin: Annette Walter 28.11.2024

Unsere Demokratie lebt von Meinungs­viel­falt und konstruk­tivem Streit. Doch unter anderem bei den Themen Einwanderung und Inte­gration drohen Konflikte zu eskalieren. Julia Schatz­schneider koordiniert ein Projekt, das Mitarbei­ter*innen der kommunalen Integra­tions­zentren und benachbarter Ressorts zu Konflikt­mana­ger*innen ausbildet. Diese sollen Wege für die Bearbeitung lokaler Konflikte entwickeln und so gesell­schaft­licher Spaltung entgegenwirken. Für AufRuhr gibt sie sieben Tipps, um Konflikte professionell zu lösen.

Über dreißig Prozent aller Menschen in Deutschland haben heute eine Migrationsbiografie. Für die meisten ist das Zusammen­leben mit Personen unterschiedlicher Herkunft, Sprache und Lebens­weise Normalität. Trotzdem kommt es wegen dieser kulturellen Vielfalt auch zu Konflikten. Seit Jahren versuchen Rechtspopulist*innen, das Thema Migration zu instrumen­talisieren, um die Gesellschaft zu spalten. Doch es gibt ein wirksames Gegenmittel: Werden inter­kultu­relle Konflikte professionell angegangen, kann rechten Narrativen die Grundlage entzogen werden. Außerdem zeigt sich, dass hinter den Konflikten oft nicht Migration per se, sondern andere Ursachen stecken.

In neun Kommunen in Nordrhein-Westfalen wurden seit 2022 insgesamt 18 Konflikt­manager*innen ausgebildet. Sie kümmern sich sowohl um Konflikte in den Quartieren als auch darum, dass Verwal­tungen besser auf den Umgang mit Konflikten vorbereitet sind. Was gutes kommunales Konflikt­management ausmacht, weiß Julia Schatz­schneider. Als Projekt­koordi­natorin hat sie drei Jahre lang den Aufbau professioneller Systeme zur Konflikt­bearbeitung begleitet.

Julia Schatzschneider

Julia Schatzschneider ist wissen­schaft­liche Mitarbei­terin am SO.CON Institut für Forschung und Entwicklung in der Sozialen Arbeit an der Hochschule Niederrhein in Mönchen­gladbach. Dort leitet sie das Projekt „KoKo II – Kommunales Konflikt­manage­ment fördern – Kommunen für Integration stärken“. Außerdem ist sie ausgebildete Sozial­arbei­terin und Mediatorin.

1. Präventiv agieren

Ein professioneller Umgang mit Konflikten beginnt frühzeitig. Menschen, die mit der kommunalen Konflikt­bearbei­tung betraut werden, brauchen den guten Kontakt zu ihren Quartieren. Auch benötigen sie einen Blick für alles, was auf kommunaler Ebene geplant wird. Bei Entwicklungen mit Konflikt­potenzial – beispiels­weise der Einrichtung einer Unterkunft für geflüchtete Menschen – sollte die Bevölkerung früh beteiligt werden.

Konfliktmanager*innen erkennen solche Spannungs­felder und können so einer Eskalation entgegenwirken. Zum Beispiel, indem Räume geschaffen werden, in denen Bürger*innen ihre Positionen und Befürchtungen äußern können. Und sie darüber informiert werden, wie sie kommunale Entscheidungen beeinflussen können. Ein guter Informations­fluss und regelmäßiger Austausch zwischen Bevölkerung und Verwaltung sind hierfür das A und O.

An einem Strang ziehen trotz unterschiedlicher Meinungen – das ist Konfliktbearbeitung. © Getty Images

2. Auch „den Leisen“ zuhören

Achtsame Konfliktbearbeitung hört genau hin – und stellt so sicher, dass alle Perspektiven eines Konfliktes erfasst werden. Zurück­haltende Personen sind über­propor­tional jene, die individuell und strukturell diskriminiert werden. Junge Frauen mit Migrations­geschichte zum Beispiel. Aufgrund ihrer Zugehörig­keit zu einer sozialen Gruppe werden sie oft übersehen, abgewertet und benachteiligt.

Wer einen Konflikt moderiert, sollte sich also die Frage stellen: Wer oder welche Personen­gruppe hat die Situation als Konflikt gemeldet? Wird allen Beteiligten Gehör geschenkt und nicht nur jenen, die sich oft äußern? Wenn auch zurück­haltende Beteiligte zu Wort kommen, wird sichergestellt, dass nicht allein die laute Minderheit das Konflikt­management in den Kommunen diktiert.

3. Mehr Mut zum Konflikt

Konflikte sind unangenehm, die Angst vor einer Eskalation ist groß. Zu häufig werden gesell­schaft­liche Konflikte deshalb vermieden. Doch in ihnen steckt großes Potenzial: das Potenzial der demokratischen Teilhabe. Indem sich deutsche Kommunen, dortige Entscheider*innen und Mitarbei­ter*innen zu professionellen Konflikt­mana­ger*innen weiterbilden, tragen sie aktiv dazu bei. Um in Zukunft konstruk­tiver zu streiten, braucht es vor allem eines: Mut. Und der ist es wert. Wie Helmut Schmidt schon sagte: „Eine Demokratie, in der nicht gestritten wird, ist keine.“

4. Wertschätzung aller beteiligten Akteur*innen

Neben professionell ausgebildeten Konflikt­mana­ger*innen gibt es in vielen Kommunen haupt- und ehrenamtlich Engagierte, die in Konflikten vermitteln und sich für konstruktive Lösungen einsetzen. Es lohnt sich für alle Beteiligten, diese Ressource zu nutzen und wert­zuschätzen.

Gutes Konfliktmanagement bindet alle relevanten Akteur*innen ein. © Getty Images

5. Ein gutes Netzwerk aufbauen und pflegen

Ob die Konflikt­bearbeitung in einer Kommune gelingt, hängt maßgeblich vom Netzwerk der Konflikt­mana­ger*innen ab. Sie können Bezirks­bürger­meister*innen, Quartier­manager*innen, Religions­vertreter*innen oder Kiosk­besitzer*innen sein. Sie kennen sich sowohl in der lokalen Verwaltung aus als auch in jenen Stadt­teilen und Quartieren, in denen es öfter zu Konflikten kommt. Sie erkennen Konflikte frühzeitig und wissen im Ernstfall, welche professionellen, aber auch informellen Ressourcen die Beteiligten zur Lösung von Konflikten nutzen können.

6. Support durch Führungskräfte

Wer Konflikte lösen will, braucht eine konstruktive Konfliktkultur. Doch diese Kultur kann nur entstehen, wenn Entschei­der*innen der Kommunen dahinterstehen – tatkräftig und mit den entsprechenden Ressourcen. Erfahrene Konflikt­mana­ger*innen nennen diese Art der Unterstützung als wichtigsten Erfolgsfaktor. Stehen Führungs­kräfte oder kommunale Entschei­der*innen nicht ausreichend hinter ihnen, kann dies schnell zu Überarbeitung oder Burn-out führen. Denn die Konflikt­manager*innen sind es, die mit sämtlichen Konflikten persönlich umgehen müssen.

7) Konflikt­management ist ein Prozess

Gute Konflikt­bearbeitung fällt nicht vom Himmel. Sie entsteht durch professionelle Aus- und Weiter­bildungen, ist anspruchs­voll und ein langer Prozess. Das Fachwissen gibt den Konflikt­manager*innen Verhandlungs­sicherheit und kann so das Gefühl der Ohnmacht in konflikt­reichen Situationen reduzieren.


Kommunales Konflikt­mana­gement fördern – Kommunen für Integration stärken

Im Zentrum des Projektes steht eine von der Hochschule Nieder­rhein zertif­izierte Fort­bildung, die Mit­arbei­ter*innen der kommunalen Verwaltung zu Konflikt­mana­ger*innen ausbildet. Sie werden befähigt und unterstützt, ein passgenaues Konflikt­management­system für ihre Kommune zu entwickeln. Hier geht es darum, eine konstruktive Umgangsweise mit Konflikten zu erarbeiten und ein Netzwerk zu etablieren, das im Krisenfall agieren kann.

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