„Neues Gesetz
wichtiges Signal“

Zwei Maurer bei der Arbeit.
„Neues Gesetz
wichtiges Signal“
Autor: Matthias Klein 27.02.2020

Am 1. März tritt das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft. Es sei ein Schritt in die richtige Richtung, sagt Daniel Thym, stellvertretender Vorsitzender des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration. „Es wird zu einem unproblematischeren Verhältnis zu Migration beitragen.“

Herr Thym, die deutsche Wirtschaft klagt seit langem über Fachkräftemangel – ist das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in diesem Zusammenhang ein wichtiges Signal von der Politik?

Daniel Thym: Ja, absolut. Das Gesetz ist in doppelter Hinsicht ein wichtiges Signal. Zunächst ist es ein Zeichen an die Wirtschaft, dass die Politik den Fachkräftemangel ernst nimmt und etwas dagegen tut. Und zweitens ist es ein Zeichen an die Gesellschaft, weil die Debatten über das Migrationsthema bislang sehr von Asyl und Abschiebung geprägt waren. Deutlich wird nunmehr: Einwanderung heißt nicht, dass die Grenzen offen sind oder jeder bleiben darf, aber Deutschland braucht Migration, schon um den Bedarf der Wirtschaft zu erfüllen. Das wird hoffentlich dazu beitragen, dass die Gesellschaft ein positiveres Verhältnis zur Migration entwickelt.

Für welche Fachkräfte bringt das Gesetz Verbesserungen?

Thym: Das kann man klar sagen: Es zielt auf die Menschen aus Drittstatten außerhalb der Europäischen Union, die eine berufliche Ausbildung machen wollen oder schon eine gemacht haben. Personen mit der Staatsangehörigkeit eines EU-Mitgliedstaats dürfen ja bislang schon kommen. Und für Menschen mit einer akademischen Ausbildung gibt es ohnehin längst liberale Zuwanderungsregeln. Geringqualifizierte sind von dem neuen Gesetz nicht erfasst.

Portrait von Daniel Thym
© Dera Klein

Daniel Thym

Daniel Thym ist stellvertretender Vorsitzender des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR). Er ist Professor für Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht an der Universität Konstanz und Direktor des dortigen Forschungszentrums Ausländer- & Asylrecht (FZAA).

Die Wirtschaft muss nun attraktive Rahmenbedingungen schaffen, damit die Menschen kommen wollen.

Die Beschränkung auf Engpassberufe entfällt – was bewirkt das?

Thym: Es ist positiv, dass durch die wegfallende Beschränkung auf Mangelberufe die Zuzugsoptionen für beruflich Qualifizierte ohne akademische Ausbildung erweitert und erleichtert werden. Dieser Aspekt verdeutlicht, dass der Arbeitsmarkt auch im Bereich der beruflichen Ausbildung offen ist. Engpässe bei den Fachkräften gibt es ja inzwischen auf dem gesamten Arbeitsmarkt, nicht nur bei Menschen, die studiert haben. In manchen Regionen in Deutschland ist die Lage schon jetzt dramatisch, im Süden suchen Handwerksbetriebe händeringend Fachkräfte. Hintergrund dessen sind die gute Wirtschaftslage und der demographische Wandel, wodurch sich der Arbeitsmarkt langfristig verändert. Gerade der demographische Wandel hat zwingend zur Folge, dass Deutschland Migration braucht, um den Fachkräftebedarf decken zu können.

Die berufliche Qualifikation der Fachkräfte muss aber gleichwertig zur deutschen Ausbildung sein. Ist es realistisch, dass diese Hürde genommen werden kann?

Thym: Sie sprechen das zentrale Problem des Gesetzes an. Die Gleichwertigkeit wird häufig einer Einwanderung entgegenstehen. Die duale Ausbildung in Deutschland ist außerhalb der Europäischen Union praktisch unbekannt. Für viele Sektoren wird also das Gesetz in der jetzigen Form ins Leere laufen. Die Hoffnung des Gesetzgebers ist: Es sollen Menschen kommen, um hier in Deutschland eine Ausbildung zu machen.

Eine junge Frau aus Vietnam arbeitet als Pflegekraft in Deutschland.
© ullstein bild - Hoff/WELT

Und es sind darüber hinaus Menschen angesprochen, die schon praktische Erfahrung in einem Beruf gesammelt haben und dann hier eine Nachqualifizierung erhalten. Das ist der große Fortschritt des Gesetzes: Menschen aus Drittstaaten, die Deutschkenntnisse haben, können einreisen, um hier eine Ausbildung zu machen oder sich weiterzuqualifizieren.

Kann das aus Ihrer Sicht gelingen?

Thym: Das hängt von der Wirtschaft ab. Sie muss nun attraktive Rahmenbedingungen schaffen, damit die Menschen kommen wollen. Wenn es der Wirtschaft nicht gelingt, wird früher oder später der Gesetzgeber auf die Gleichwertigkeit der Abschlüsse verzichten. Es gibt schon jetzt Druck, diese Hürde abzubauen. Aber die Berufsverbände sind dagegen, sie argumentieren, dadurch würde die Qualität der deutschen Ausbildung unterminiert.

Ist das Gesetz aus Ihrer Sicht dennoch ein Schritt in die richtige Richtung?

Thym: Ja, das ist es. Das Gesetz wird ein Rad im Kampf gegen den Fachkräftemangel sein. Mit Blick auf die Integration ist ein Aspekt sehr wichtig: Das Gesetz spricht ja insbesondere Menschen an, die hier ausgebildet werden oder sich weiterqualifizieren. Die Hauptzielgruppe sind Menschen im Alter zwischen 20 und Mitte 30. Das ist die typische Zeit für Menschen, aufzubrechen und in einem anderen Land zu leben. Die Integration ist umso leichter, wenn junge Menschen einwandern und von Anfang an einen Job haben. Sie akklimatisieren sich leichter, finden schneller soziale Kontakte und lernen rascher die neue Sprache. Meine Prognose ist: Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz wird zu einem erheblich unproblematischeren Verhältnis zu Migration beitragen, was wir in Deutschland dringend brauchen.

Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration

Unsere Partnergesellschaft Sach­verständigen­rat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) ist ein unabhängiges, inter­disziplinär besetztes Gremium von Expert*innen, das die Politik handlungs­orientiert berät und der Öffentlichkeit sachliche Informationen zur Verfügung stellt.

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