Von Peking bis Berlin: Sandra Schulze über die Kraft guter Kontakte

Als Kind spielte Sandra Schulze im Hof der DDR-Botschaft in Peking – heute leitet sie das Bildungsnetzwerk China in Berlin. Ihre Karriere wurde durch starke Netzwerke geprägt. Programme wie die Zukunftsbrücke – Chinese-German Young Professional Campus oder Mercatora öffneten ihr Türen, gaben ihr neue Perspektiven – und vor allem einen klaren Auftrag für die Zukunft.
Frau Schulze, seit 2024 sind Sie Geschäftsführerin des Bildungsnetzwerkes China. Erinnern Sie sich an Ihre ersten Berührungspunkte mit dem Land?
Nein, denn da war ich erst ein halbes Jahr alt (lacht). China war meine Heimat für den ersten Teil meiner Kindheit. Meine Eltern haben damals in der DDR-Botschaft in Peking gearbeitet. Erst als ich neun war, sind wir wieder nach Berlin gezogen. Später war ich während meines Wirtschaftsstudiums für ein Praktikum in Shanghai und mit dem Graduiertenprogramm des DAAD „Sprache und Praxis in China“ noch mal für anderthalb Jahre in Peking.
Keine gewöhnliche Biografie. Inwieweit hatten Ihre Kindheit und die Aufenthalte in China Einfluss auf Ihre persönliche und berufliche Entwicklung?
Nach meinem Studium in Berlin und Cambridge habe ich bei der Berliner Wirtschaftsförderung als Ansprechpartnerin für China begonnen. Darüber hinaus habe ich aus meiner Zeit in China mitgenommen, dass wir uns mehr mit diesem Land auseinandersetzen müssen, als nur lecker chinesisch essen zu gehen. Wenn ich in Deutschland von China erzählte, bin ich immer vielen Vorurteilen begegnet: Werkbank der Welt, die kopieren nur und Ähnliches. Gleichzeitig habe ich in China erlebt, dass die Menschen dort sehr viel über Deutschland wissen. Deshalb setze ich mich dafür ein, dass wir Deutschen uns mehr mit China beschäftigen. Das war zwar schon immer wichtig, ist in der aktuellen Weltlage aber dringender denn je.

Sandra Schulze ist seit 2024 Geschäftsführerin des Bildungsnetzwerkes China. Davor war sie bei der Berlin Partner für Wirtschaft und Technologie GmbH, der Wirtschaftsförderung der Hauptstadt, tätig. Als Area-Managerin für China hat sie Berliner Unternehmen unterstützt, ihre China-Kompetenz zu erweitern und Wirtschaftskooperationen einzugehen. Sandra Schulze hat einen Teil ihrer Kindheit in Peking gelebt, später an der Beijing Foreign Studies University Chinesisch gelernt und mehrere Jahre in China gelebt.
Bildungsnetzwerk China
Das Bildungsnetzwerk China unterstützt Schulen bei Aktivitäten, die chinesische Sprach- und interkulturelle Handlungskompetenzen fördern sowie Wissen über den chinesischsprachigen Kulturraum vermitteln.

Diese Mission verfolgen Sie nun mit dem Bildungsnetzwerk China.
Genau. Unser Ziel ist es, dass schon junge Menschen China-Kompetenz erlangen. Unter China-Kompetenz verstehen wir im Bildungsnetzwerk China chinesische Sprachkompetenz, interkulturelle Handlungskompetenz und Wissen über den chinesischsprachigen Kulturraum. Dieser ist nicht auf die Volksrepublik China beschränkt, sondern umfasst auch die chinesischsprachigen und diasporischen Gemeinschaften Asiens. Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir zum Beispiel Förderprogramme für Schulen etabliert, die Aktivitäten mit China-Fokus anbieten möchten. Wir organisieren Netzwerkveranstaltungen und Fortbildungen für Lehrkräfte und Schülerakademien in China während der Ferienzeiten in Deutschland.

Sie haben selbst an verschiedenen Programmen teilgenommen, unter anderem an der Zukunftsbrücke – Chinese-German Young Professional Campus. Wie hat Sie das auf Ihre heutige Position vorbereitet?
Die Zukunftsbrücke war 2019 wirklich eine tolle Chance. Zum einen habe ich unter den deutschen Teilnehmenden viele Menschen kennengelernt, die sich aus ganz anderen Gründen als aus wirtschaftlichem Interesse mit China beschäftigten. Menschen etwa aus der Entwicklungsarbeit, dem Klimaschutz oder dem Journalismus. So habe ich mein Netzwerk unglaublich erweitern und neue Perspektiven zur Zusammenarbeit zwischen Deutschland und China entwickeln können. Und unser damaliger Fokus, die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung, war sehr gut geeignet, um mit den chinesischen Teilnehmenden in Kontakt zu kommen und sich anhand konkreter Themen über Gemeinsamkeiten und Unterschiede auszutauschen. Von diesen Verbindungen profitiere ich bis heute.
Sie haben darüber hinaus an Mercatora teilgenommen, einem Weiterbildungsprogramm für Alumnae der Stiftung Mercator. Was konnten Sie da für sich mitnehmen?
Das Mercatora-Programm hat mir damals sehr geholfen, meine persönliche Jobmission zu schärfen. Im Austausch mit den anderen Frauen ist mir klar geworden, dass ich das Thema der China-Kompetenz weiterverfolgen möchte – unabhängig von meiner damaligen Position. Frauennetzwerke wie das Mercatora-Programm sind wichtig, da es in der Berufswelt noch immer spezielle Herausforderungen und strukturelle Ungerechtigkeiten für Frauen gibt. In geschützten Räumen können wir uns gegenseitig stärken und ermutigen, selbstbewusst unsere Interessen zu vertreten.
Gibt es ein prägendes Erlebnis aus den beiden Programmen, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Da gibt es natürlich viele. Ich denke gerne daran zurück, wie sich bei der Zukunftsbrücke das Vertrauen zwischen den Teilnehmenden aus China und Deutschland immer mehr aufgebaut hat. Das brauchte etwas Zeit und Geduld, aber irgendwann kamen wir als Gruppe an den Punkt, dass wir sehr ehrlich über die Themen und die Herausforderungen beider Länder sprechen konnten. Wir saßen in kleiner Runde zusammen, bei gutem Essen und in einer besonderen intimen Atmosphäre.
Gute Netzwerkarbeit braucht Zeit und aufrichtiges Interesse füreinander.
Was sind aus Ihrer Sicht Dos and Don’ts bei Aufbau und Pflege von Netzwerken?
Tatsächlich habe ich keine Strategie oder bestimmte Regeln, denen ich folge. Ich habe einfach Spaß daran, Menschen und verschiedene Perspektiven kennenzulernen. Ich lasse mich von meiner Neugier leiten. Trotzdem ist es wichtig, zu bedenken, dass Netzwerkarbeit auf Gegenseitigkeit beruhen sollte und sich nicht direkt morgen auszahlen wird. Gute Netzwerkarbeit braucht Zeit und aufrichtiges Interesse füreinander.
Was raten Sie jungen Fachkräften, die interkulturelle Brückenbauer*innen werden möchten?
Mein wichtigster Ratschlag ist: Nutzt jede Chance, die sich euch bietet, um euch mit Menschen aus anderen Kulturen auszutauschen und Zeit im Ausland zu verbringen. Wenn man die Möglichkeit hat, länger in einem anderen Land zu studieren oder zu arbeiten, erweitert das den eigenen Horizont enorm. Durch diesen Perspektivwechsel erfährt man auch, dass kulturelle Unterschiede ein Gewinn sind. Und dass es umgekehrt viele Themen gibt, die die Menschen weltweit bewegen und die wir nur gemeinsam voranbringen können, etwa Sicherheit, Klimaschutz oder soziale Gerechtigkeit. Um diese globalen Themen gemeinsam anzugehen, benötigen wir Verständnis und Respekt füreinander – hier können Brückenbauer*innen, die sich vorurteilsfrei in verschiedenen kulturellen Welten bewegen, einen wertvollen Beitrag leisten.
MercatorGlobe Forum
Das MercatorGlobe Forum bringt eine internationale Community aus Alumni, Projektpartner*innen sowie aktuellen und ehemaligen Kolleg*innen zusammen.
Unter dem Motto „Navigating VUCA!“ widmet sich das Forum vom 12. bis 14. März 2025 in Panels, Workshops und Netzwerktreffen drängenden Fragen unserer Zeit. Im Fokus stehen die Überwindung gesellschaftlicher Spaltungen, der Umgang mit Klima- und geopolitischen Krisen, das Wiederherstellen des Vertrauens in Institutionen sowie die Nutzung des digitalen Wandels für integrative und nachhaltige Lösungen.
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