DSA und DMA – wie sie das Internet verändern

DSA und DMA – wie sie das Internet verändern
Autor: Julien Wilkens 12.07.2022

Was offline illegal ist, soll es auch online sein: Das EU-Parlament hat strengeren Regeln für Internetplattformen zugestimmt. Der Digital Services Act (DSA) bildet zusammen mit dem Digital Markets Act (DMA) das Kernstück der europäischen Digital­strategie. Das Ziel: ein besseres Web. AufRuhr erklärt die neuen Spiel­regeln für das Internet.

Was genau sind DSA und DMA?

Der Digital Markets Act (DMA) soll den europäischen Markt vor dominanten Technologie­­platt­­formen schützen. Zusammen mit dem Digital Services Act (DSA, auch Digitale-Dienste-Gesetz genannt) ist der DMA eines der Kernstücke der europäischen Digital­­politik. Das EU-Parlament hat nun strengeren Regeln für Internet­platt­formen zugestimmt und sich damit auf eine umfassende Regulierung für die großen Internet­unternehmen geeinigt. Zuvor hatten sich Unterhändler von Parlament und EU-Staaten auf die Gesetze geeinigt, das Parlament hat sie formell bestätigt. Die ständigen Vertreter der EU-Länder in Brüssel haben die Gesetze ebenfalls gebilligt, nun muss nur noch auf Ministerebene zugestimmt werden. Dies gilt als Formsache. Es sollen explizit die aller­­größten Plattformen, neudeutsch Gatekeeper, reguliert werden. Das sind die Riesen Alphabet (Google), Meta (Facebook), Amazon, Apple oder die Reise­­plattform Booking.com. Das Gesetz enthält dafür eine lange Liste konkreter Verbote und Verpflichtungen für solche Gatekeeper. Zum Beispiel muss Apple in Zukunft auch App-Stores von Dritt­anbietern auf seinen iPhones dulden, und Facebook darf nicht ohne Einwilligung Nutzer*innen­­daten aus WhatsApp mit seinen Werbediensten auf Facebook weiter­verarbeiten. Darüber hinaus erlaubt das Gesetz, Unter­suchungen durch­zu­führen und Verstöße zu sanktionieren. Dabei können Zwangs­gelder von bis zu zehn Prozent des Jahres­umsatzes verhängt werden – im Wiederholungs­fall sogar 20 Prozent. Die neuen Straf­höhen sollen schmerzen und der EU helfen, ihre Markt­vorschriften durch­zu­setzen.

Mit dem DSA will die EU die Onlineregeln erneuern, die teilweise schon über zwanzig Jahre alt sind. Anbieter*innen von digitalen Diensten – etwa Online­markt­plätze, Such­maschinen, Vergleichs­portale, Provider, Social-Media-Platt­formen, Streaming-Plattformen – sollen verpflichtet werden, für Sicherheit und Transparenz im Netz zu sorgen. Unter anderem soll der DSA sicherstellen, dass illegale Inhalte wie Hassrede schneller aus dem Netz entfernt werden, schädliche Desinformation und Kriegs­propaganda weniger geteilt wird und auf Online­markt­plätzen weniger gefälschte Produkte verkauft werden.

amazon-Lager
Die Macht von Amazon und anderen Konzernen soll reguliert werden – dafür stehen DSA und DMA. © Unsplash
Meta-Zentrale (facebook)
Der DMA sieht eine verpflichtende Interoperabilität bei Messenger­diensten vor. Das soll auch für WhatsApp (gehört zu Facebook alias meta) gelten. In Zukunft können Nutzer*innen Nachrichten auch in andere Dienste versenden. © Unsplash

Warum ist eine Regulierung über­haupt wichtig?

Einige wenige US-Unternehmen haben eine enorme Macht erreicht. „Das sind die mächtigsten und reichsten Unter­nehmen, die die Menschheits­geschichte je gesehen hat“, sagt Jan Penfrat von European Digital Rights (EDRi), dem europäischen Dach­verband von Bürger­rechts­organisationen, die sich dem Daten­schutz und der Freiheit der Bürger*innen in der Informations­gesellschaft verschrieben haben. „Sie betreiben eine digitale Infra­struktur, über die wir einen Großteil unserer privaten Kommunikation, unserer Einkäufe, unserer Reise­buchungen tätigen.“ Mit dem Gesetzes­paket sollen die Versäumnisse der vergangenen 20 Jahre aufgeholt werden, als noch niemand erwartete, dass Konzerne wie Facebook, Google oder Apple eine so zentrale Rolle in unserem Leben spielen würden. Von Jahr zu Jahr haben sie es geschafft, Kund*innen mit neuen Diensten und Produkten immer enger an sich zu binden. „Diese Macht müssen wir regulieren, wenn wir einen demokratischen Einfluss darauf haben wollen, wie die Macht genutzt wird“, sagt Experte Penfrat.

Diese Macht müssen wir regulieren, wenn wir einen demokratischen Einfluss darauf haben wollen, wie diese Macht genutzt wird.

Jan Penfrat, European Digital Rights (EDRi)

Was verändert sich für mich als Nutzer*in konkret?

Der DSA verbietet bestimmte „Dark Patterns“. Das sind programmierte Psycho-Tricks, etwa wenn Reise­platt­formen warnen: „Nur noch ein Zimmer zu dem Preis“. Zudem sollen Google und Apple gezwungen werden, ihre App-Stores für Dritt­anbieter zu öffnen. Aktuell entscheiden die US-Techriesen, welche Software auf den Handys der Europäer*innen laufen soll. Der DMA schreibt Apple und Co. vor, auch Dritt­anbieter-Apps zu erlauben. Das Unternehmen hatte mit viel Lobbyarbeit dagegen Stimmung gemacht und argumentiert, diese Zwangs­öffnung könne die Sicherheit der anderen App-Stores nicht garantieren. „Dabei geht es Apple um die Einnahmen: Von jeder verkauften App im Apple Store erhält der Konzern einen Prozentsatz des Umsatzes. Das würde bei konkurrierenden Stores natürlich wegfallen“, sagt Jan Penfrat. Außerdem soll ein Notifizierungs­system kommen: „Wenn ich auf einer Plattform etwas möglicher­weise Illegales entdecke, dann kann ich das melden. Dann muss zum Beispiel Facebook dem nachgehen und darauf antworten, inklusive einer Begründung, warum der Inhalt entfernt wurde – oder eben nicht“, erklärt der Experte.

Kann ich jetzt von WhatsApp nach Signal und Threema schreiben?

Der DMA sieht eine verpflichtende Interoperabilität bei Messenger­diensten vor. „Dass Nutzer*innen nicht von WhatsApp zu anderen Messengern schreiben können, hat keinerlei technische Gründe, das sind Geschäfts­entscheidungen“, so Penfrat. Aktuell nutzen laut ARD-ZDF-Online­studie rund 95 Prozent der unter 30-Jährigen WhatsApp. Diese Markt­macht möchte der DMA begrenzen. „Das würde es Nutzer*innen ermöglichen, die dominanten Plattformen zu verlassen“, erläutert Jan Penfrat die Folgen. Ein Jahr haben die Unternehmen Zeit, ihre Messenger interoperabel zu gestalten. Allerdings erst mal nur für die Eins-zu-eins-Kommunikation. Weitere drei Jahre sollen markt­dominante Anbieter*innen Zeit bei Gruppen­chats haben. „Das macht aus unserer Sicht keinen Sinn, denn Emojis und Fotos in Gruppen zu teilen ist ja der Grund, warum man diese Messenger benutzt.“

Warum erlässt die EU diese Gesetze?

Die bestehenden Regeln sind 20 Jahre alt, und der DMA greift nun da, wo bisheriges Wettbewerbs­recht nicht funktioniert. Das Besondere am DMA ist der proaktive Ansatz. Bestehende Kartell­gesetze sind eher darauf ausgelegt, Märkte zu erhalten. Sie sind zu langsam und reaktiv, um mono­polistische Märkte auf­zu­brechen. Heißt: Mit dem bestehenden Regel­werk kamen die Kartell­wächter*innen nicht hinter­her. Denn digitale Unternehmen haben viele Möglichkeiten, in sich sehr schnell entwickelnden Märkten zu dominieren und andere Markt­teil­nehmer*innen aus­zu­schließen. Das alles ist mit niedrigen Kosten verbunden. „Ich gebe mal ein Beispiel: Wenn Microsoft auf allen Windows-Computern ein Warnfenster aufpoppen lässt, wenn Anwender*innen versuchen, einen fremden Browser zu installieren, dann kostet das Microsoft wenig“, erklärt Experte Penfrat. „Der Anreiz, mit illegitimen Mitteln die Markt­macht zu vergrößern, ist im digitalen Bereich sehr viel größer.“ Zwar hat Deutschland ein sehr progressives Wettbewerbs­recht. Aber: „Wenn das Bundes­kartell­amt einen Fall beanstandet, gilt das nur im – kleinen – Deutschland“, so Penfrat. Jede Entscheidung auf EU-Ebene gilt automatisch für die gesamte EU. Das hat einfach mehr Gewicht.


European Digital Rights (EDRi)

European Digital Rights (EDRi) ist eine Vereinigung von Bürger­rechts­organisationen, die sich dem Daten­schutz und der Freiheit der Bürger*innen in der Informations­gesellschaft verschrieben haben.
edri.org/