DSA und DMA – wie sie das Internet verändern

Was offline illegal ist, soll es auch online sein: Das EU-Parlament hat strengeren Regeln für Internetplattformen zugestimmt. Der Digital Services Act (DSA) bildet zusammen mit dem Digital Markets Act (DMA) das Kernstück der europäischen Digitalstrategie. Das Ziel: ein besseres Web. AufRuhr erklärt die neuen Spielregeln für das Internet.
Was genau sind DSA und DMA?
Der Digital Markets Act (DMA) soll den europäischen Markt vor dominanten Technologieplattformen schützen. Zusammen mit dem Digital Services Act (DSA, auch Digitale-Dienste-Gesetz genannt) ist der DMA eines der Kernstücke der europäischen Digitalpolitik. Das EU-Parlament hat nun strengeren Regeln für Internetplattformen zugestimmt und sich damit auf eine umfassende Regulierung für die großen Internetunternehmen geeinigt. Zuvor hatten sich Unterhändler von Parlament und EU-Staaten auf die Gesetze geeinigt, das Parlament hat sie formell bestätigt. Die ständigen Vertreter der EU-Länder in Brüssel haben die Gesetze ebenfalls gebilligt, nun muss nur noch auf Ministerebene zugestimmt werden. Dies gilt als Formsache. Es sollen explizit die allergrößten Plattformen, neudeutsch Gatekeeper, reguliert werden. Das sind die Riesen Alphabet (Google), Meta (Facebook), Amazon, Apple oder die Reiseplattform Booking.com. Das Gesetz enthält dafür eine lange Liste konkreter Verbote und Verpflichtungen für solche Gatekeeper. Zum Beispiel muss Apple in Zukunft auch App-Stores von Drittanbietern auf seinen iPhones dulden, und Facebook darf nicht ohne Einwilligung Nutzer*innendaten aus WhatsApp mit seinen Werbediensten auf Facebook weiterverarbeiten. Darüber hinaus erlaubt das Gesetz, Untersuchungen durchzuführen und Verstöße zu sanktionieren. Dabei können Zwangsgelder von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes verhängt werden – im Wiederholungsfall sogar 20 Prozent. Die neuen Strafhöhen sollen schmerzen und der EU helfen, ihre Marktvorschriften durchzusetzen.
Mit dem DSA will die EU die Onlineregeln erneuern, die teilweise schon über zwanzig Jahre alt sind. Anbieter*innen von digitalen Diensten – etwa Onlinemarktplätze, Suchmaschinen, Vergleichsportale, Provider, Social-Media-Plattformen, Streaming-Plattformen – sollen verpflichtet werden, für Sicherheit und Transparenz im Netz zu sorgen. Unter anderem soll der DSA sicherstellen, dass illegale Inhalte wie Hassrede schneller aus dem Netz entfernt werden, schädliche Desinformation und Kriegspropaganda weniger geteilt wird und auf Onlinemarktplätzen weniger gefälschte Produkte verkauft werden.


Warum ist eine Regulierung überhaupt wichtig?
Einige wenige US-Unternehmen haben eine enorme Macht erreicht. „Das sind die mächtigsten und reichsten Unternehmen, die die Menschheitsgeschichte je gesehen hat“, sagt Jan Penfrat von European Digital Rights (EDRi), dem europäischen Dachverband von Bürgerrechtsorganisationen, die sich dem Datenschutz und der Freiheit der Bürger*innen in der Informationsgesellschaft verschrieben haben. „Sie betreiben eine digitale Infrastruktur, über die wir einen Großteil unserer privaten Kommunikation, unserer Einkäufe, unserer Reisebuchungen tätigen.“ Mit dem Gesetzespaket sollen die Versäumnisse der vergangenen 20 Jahre aufgeholt werden, als noch niemand erwartete, dass Konzerne wie Facebook, Google oder Apple eine so zentrale Rolle in unserem Leben spielen würden. Von Jahr zu Jahr haben sie es geschafft, Kund*innen mit neuen Diensten und Produkten immer enger an sich zu binden. „Diese Macht müssen wir regulieren, wenn wir einen demokratischen Einfluss darauf haben wollen, wie die Macht genutzt wird“, sagt Experte Penfrat.
Diese Macht müssen wir regulieren, wenn wir einen demokratischen Einfluss darauf haben wollen, wie diese Macht genutzt wird.
Was verändert sich für mich als Nutzer*in konkret?
Der DSA verbietet bestimmte „Dark Patterns“. Das sind programmierte Psycho-Tricks, etwa wenn Reiseplattformen warnen: „Nur noch ein Zimmer zu dem Preis“. Zudem sollen Google und Apple gezwungen werden, ihre App-Stores für Drittanbieter zu öffnen. Aktuell entscheiden die US-Techriesen, welche Software auf den Handys der Europäer*innen laufen soll. Der DMA schreibt Apple und Co. vor, auch Drittanbieter-Apps zu erlauben. Das Unternehmen hatte mit viel Lobbyarbeit dagegen Stimmung gemacht und argumentiert, diese Zwangsöffnung könne die Sicherheit der anderen App-Stores nicht garantieren. „Dabei geht es Apple um die Einnahmen: Von jeder verkauften App im Apple Store erhält der Konzern einen Prozentsatz des Umsatzes. Das würde bei konkurrierenden Stores natürlich wegfallen“, sagt Jan Penfrat. Außerdem soll ein Notifizierungssystem kommen: „Wenn ich auf einer Plattform etwas möglicherweise Illegales entdecke, dann kann ich das melden. Dann muss zum Beispiel Facebook dem nachgehen und darauf antworten, inklusive einer Begründung, warum der Inhalt entfernt wurde – oder eben nicht“, erklärt der Experte.
Kann ich jetzt von WhatsApp nach Signal und Threema schreiben?
Der DMA sieht eine verpflichtende Interoperabilität bei Messengerdiensten vor. „Dass Nutzer*innen nicht von WhatsApp zu anderen Messengern schreiben können, hat keinerlei technische Gründe, das sind Geschäftsentscheidungen“, so Penfrat. Aktuell nutzen laut ARD-ZDF-Onlinestudie rund 95 Prozent der unter 30-Jährigen WhatsApp. Diese Marktmacht möchte der DMA begrenzen. „Das würde es Nutzer*innen ermöglichen, die dominanten Plattformen zu verlassen“, erläutert Jan Penfrat die Folgen. Ein Jahr haben die Unternehmen Zeit, ihre Messenger interoperabel zu gestalten. Allerdings erst mal nur für die Eins-zu-eins-Kommunikation. Weitere drei Jahre sollen marktdominante Anbieter*innen Zeit bei Gruppenchats haben. „Das macht aus unserer Sicht keinen Sinn, denn Emojis und Fotos in Gruppen zu teilen ist ja der Grund, warum man diese Messenger benutzt.“
Warum erlässt die EU diese Gesetze?
Die bestehenden Regeln sind 20 Jahre alt, und der DMA greift nun da, wo bisheriges Wettbewerbsrecht nicht funktioniert. Das Besondere am DMA ist der proaktive Ansatz. Bestehende Kartellgesetze sind eher darauf ausgelegt, Märkte zu erhalten. Sie sind zu langsam und reaktiv, um monopolistische Märkte aufzubrechen. Heißt: Mit dem bestehenden Regelwerk kamen die Kartellwächter*innen nicht hinterher. Denn digitale Unternehmen haben viele Möglichkeiten, in sich sehr schnell entwickelnden Märkten zu dominieren und andere Marktteilnehmer*innen auszuschließen. Das alles ist mit niedrigen Kosten verbunden. „Ich gebe mal ein Beispiel: Wenn Microsoft auf allen Windows-Computern ein Warnfenster aufpoppen lässt, wenn Anwender*innen versuchen, einen fremden Browser zu installieren, dann kostet das Microsoft wenig“, erklärt Experte Penfrat. „Der Anreiz, mit illegitimen Mitteln die Marktmacht zu vergrößern, ist im digitalen Bereich sehr viel größer.“ Zwar hat Deutschland ein sehr progressives Wettbewerbsrecht. Aber: „Wenn das Bundeskartellamt einen Fall beanstandet, gilt das nur im – kleinen – Deutschland“, so Penfrat. Jede Entscheidung auf EU-Ebene gilt automatisch für die gesamte EU. Das hat einfach mehr Gewicht.
European Digital Rights (EDRi)
European Digital Rights (EDRi) ist eine Vereinigung von Bürgerrechtsorganisationen, die sich dem Datenschutz und der Freiheit der Bürger*innen in der Informationsgesellschaft verschrieben haben.
edri.org/