Umwelt und Recht – es ist kompliziert …

Illustration "Menschen halten Weltkugel"
Umwelt und Recht – es ist kompliziert …
Autorin: Bettina Brakelmann 11.10.2022

Klimaklagen beschäftigen Gerichte auf allen Ebenen – vom Nachbar­schafts­streit bis zu Verfahren gegen Welt­konzerne. Im Frühling 2021 verpflichtete das Bundes­verfassungs­gericht den Gesetz­geber zu Nach­besserungen des Klima­schutz­gesetzes. Ein weg­weisendes Urteil, das in Zukunft für viel Zündstoff in politischen und juristischen Debatten sorgen dürfte.

Dabei versuchten schon antike und indigene Kulturen, mit Regelungen die Natur zu schützen. Doch erst ab den 1970er-Jahren erließ die Politik im größeren Umfang Umweltgesetze. Heute bedroht die Klima­katastrophe unsere Existenz. Das Recht allein kann sie sicherlich nicht aufhalten, aber einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Erd­erwärmung leisten – mal als Schwert, mal als Schutz­schild. Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund ums Umweltrecht.

Was zählt zum Umweltrecht?

Das Umweltrecht umfasst alle gesetzlichen Regelungen, die dem Umweltschutz dienen. Klingt einfach, ist aber hoch­komplex. Schließlich wurden Normen und Gesetze auf verschiedenen Ebenen geschaffen: national, europäisch und völker­rechtlich.

Das Umweltrecht wird in Deutschland im Kern­bereich unter anderem im Immissions­schutz­gesetz, dem Wasser-, Bodenschutz-, Abfall- oder dem Chemikalien­recht geregelt. Hinzu kommen Quer­schnitts­gesetze wie das Umwelt­verträglichkeits­prüfungs­gesetz oder das Umwelt­informations­gesetz sowie das Umwelt­straf­recht. Das noch junge Bundes-Klima­schutz­gesetz (siehe unten) definiert über­geordnete Schutz­ziele. Auch in Rechts­gebieten, die nicht originär dem Umwelt­schutz dienen, existieren relevante Regelungen, etwa im Energie-, Landwirtschafts-, Verkehrs- oder Baurecht. Um den Klima­schutz voranzubringen, nutzen Rechts­anwältinnen und Rechts­anwälte sowie Verbände sogar Rechts­gebiete wie das Aktien-, Kommunal- oder Verbraucher­schutz­recht.

Das Umweltrecht ist in Deutschland also über viele verschiedene Gesetze und Einzel­vorschriften verstreut. Alle Versuche, ein einheitliches Umwelt­gesetz­buch zu entwickeln, das sämtliche Regelungen bündelt, sind bislang gescheitert.

Was sagt das Grundgesetz zum Umwelt­schutz?

„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebens­grundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungs­mäßigen Ordnung durch die Gesetz­gebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die voll­ziehende Gewalt und die Recht­sprechung.“ Artikel 20a des Grund­gesetzes wurde als sogenannte Staats­ziel­bestimmung formuliert, also als Programm­auftrag für Gesetz­geber und Verwaltung. Ein Beschluss des Bundes­verfassungs­gerichts von 2021 machte klar, dass er als konkrete Norm sehr wohl den Staat in die Pflicht nimmt. Alle Einzel­gesetze müssen im Lichte des Artikels 20a interpretiert werden.

Was steht im Klimaschutz­gesetz?

Das Klimaschutz­gesetz setzt die nationalen Verpflichtungen Deutschlands aus dem Pariser Klima­schutz­abkommen um. Wichtigster Punkt ist die Festlegung der Ziele für den Klimaschutz in einzelnen Sektoren. So haben etwa die Industrie, die Landwirtschaft und der Verkehr bestimmte Vorgaben bezüglich der Reduzierung des CO2-Ausstoßes in ihrem Bereich zu erfüllen. Das Gesetz enthält keine konkreten Maßnahmen, sondern nur Ziele. Im Frühjahr 2021 beschied das Bundes­verfassungs­gericht, dass das Klima­schutz­gesetz in der aktuellen Version nicht ausreicht, um den Anforderungen des Grund­gesetzes im Zusammenhang mit dem völker­rechtlichen Über­einkommen von Paris (2015) zu genügen. Daher muss das Klimaschutzgesetz nachgebessert werden.

Eine Demonstrantin hält ein Schild mit der Aufschrift "Every Day is Earth Day"
Zuletzt demonstrierten am 23. September deutschland- und weltweit die Aktivisti*innen der Klimabewegung „Fridays for Future“. © Getty Images

Welche weltweiten Umweltregelungen gibt es?

Globale Umweltprobleme erfordern globale Regelungen. Auf internationaler Ebene greift das Umweltvölkerrecht, das dem Schutz der globalen Umwelt dienen soll. Deutschland ist Vertragspartner zahlreicher internationaler Umweltschutzabkommen. Zu den wichtigsten zählen die Klimarahmen- und die Biodiversitätskonvention (beide 1992), das Kyoto-Protokoll (1997), die Aarhus-Konvention (2005), das Übereinkommen von Paris (2015) und die Resolution des UN-Menschenrechtsrates (2021), die das Recht auf eine gesunde Umwelt nun als grundlegendes Menschenrecht anerkennt.

Wieso ist die Aarhus-Konvention so wichtig?

Die Aarhus-Konvention, die Deutschland 2007 ratifiziert hat, gilt mittlerweile für 47 Vertragsparteien aus Europa, dem Kaukasus und Zentralasien, darunter die EU und ihre Mitgliedstaaten. Sie hat drei Säulen:

  1. Zugang zu Umweltinformationen,
  2. Beteiligung der Öffentlichkeit an Umweltverfahren,
  3. Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten.

Die Aarhus-Konvention hat eine entscheidende Bedeutung für die Anwendung des Umweltrechts in Deutschland. Sie hat Umweltverbände wie Greenpeace, den BUND oder NABU gestärkt, denn nun können sie das Verbandsklagerecht in Anspruch nehmen. Zuvor konnten nur persönlich betroffene Bürger*innen klagen. Die Verbände können jetzt als Vertreter von Gemeinwohlinteressen auftreten.

Fröhliche handgezeichnete Doodle-Illustration, die das Achtsamkeitskonzept darstellt
Jeder hat das Recht, in einer sauberen und gesunden Umwelt zu leben, hat der UN-Menschenrechtsrat 2021 beschlossen. © Getty Images

Welche Rolle spielen Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte?

Umweltbezogene Vorhaben und Gesetze sind regelmäßig Gegenstand gerichtlicher Streitigkeiten und Verfahren. Bürger*innen, Initiativen und Verbände, die das Klima bzw. die Umwelt schützen möchten, stehen jedoch immer wieder vor hohen Hürden, wenn es um den Zugang zu Gerichten geht. Da Umweltrecht in Deutschland oft – auch von Behörden – nicht eingehalten wird, ist es wichtig, dass es Akteurinnen und Akteure gibt, die diese überprüfen können. Andersherum können Gerichte das nur, wenn sie durch Vorlage von Fällen angerufen werden. Erweiterte Klagemöglichkeiten sind also wünschenswert. Die Aarhus-Konvention hat diesbezüglich vieles erleichtert. Anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigungen können nun Entscheidungen der Behörden – beispielsweise die Zulassung einer Industrie- oder Müllverbrennungsanlage – auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen lassen. Das vielseitige Wissen der Verbände ist in den behördlichen Verfahren sehr hilfreich.

Aber die Sache hat einen Haken: Im geltenden Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz werden alle Projekte und Programme gelistet (zuletzt erneuert 2017), gegen die Verbände klagen dürfen. Das bedeutet im Umkehrschluss: Was nicht auf der Liste steht, kann nicht eingeklagt werden. Kritiker*innen fordern, dass im deutschen Recht eine Generalklausel zur Umsetzung der Aarhus-Konvention verankert wird. Davon verspricht man sich eine deutliche Vereinfachung und Beschleunigung von nicht selten langwierigen Verfahren.

Wie ist die rechtliche Situation von Klimaaktivist*innen?

Viele, vor allem junge Menschen erkennen, dass die Klima­katastrophe schnelles Handeln erfordert. Sie tragen ihren Protest – unabhängig von etablierten Umwelt- und Natur­schutz­verbänden – auf die Straße und machen mit spontanen Aktionen wie etwa dem Blockieren einer Straßen­kreuzung auf ihr Anliegen aufmerksam. Nicht selten mündet ihr Engagement in einer Straf­anzeige wegen Nötigung, Haus­friedens­bruch oder Wider­stand gegen Voll­streckungs­beamte, und es kommt zum Straf­verfahren.

An diesem Punkt wird die deutsche Recht­sprechung von kritischen Stimmen als zu restriktiv wahr­genommen. Begründung: Die Klima­aktivist*innen prangern an, dass bestehendes (Umwelt-)Recht nicht umgesetzt wird oder ihre Rechte aus dem Grund­gesetz missachtet werden. Aus ihrer Sicht handele es sich also um Widerstand gegen einen Angriff, außerdem um gemein­wohl­bezogene, nicht um selbst­bezogene Aktionen.

So oder so: Klimaaktivist*innen sollten sich informieren und rechtlich beraten lassen, insbesondere in puncto Versammlungs­recht. Wie ist eine Versammlung ordnungsgemäß anzumelden? Welche Einschränkungen durch Behörden sind möglich, und wie reagiert man darauf? Welche straf­rechtlichen Konsequenzen drohen?


Green Legal Impact

Der Verein Green Legal Impact (GLI) wurde 2019 in Berlin gegründet und versteht sich als „katalytisch-strategischer Akteur“ im Bereich Umwelt­recht in Deutschland. Ziel ist es, die Zivil­gesellschaft bei der strategischen Nutzung des Rechts für den Umwelt­schutz zu unter­stützen. So stärkt der Verein Beteiligungs­rechte und den Zugang zu Gerichten für Verbände, vernetzt Umwelt­rechts­kanzleien und schult deren Nachwuchs oder bildet Aktivist*innen im Versammlungs- und Strafrecht aus.
www.greenlegal.eu/

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