Umwelt und Recht – es ist kompliziert …

Klimaklagen beschäftigen Gerichte auf allen Ebenen – vom Nachbarschaftsstreit bis zu Verfahren gegen Weltkonzerne. Im Frühling 2021 verpflichtete das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber zu Nachbesserungen des Klimaschutzgesetzes. Ein wegweisendes Urteil, das in Zukunft für viel Zündstoff in politischen und juristischen Debatten sorgen dürfte.
Dabei versuchten schon antike und indigene Kulturen, mit Regelungen die Natur zu schützen. Doch erst ab den 1970er-Jahren erließ die Politik im größeren Umfang Umweltgesetze. Heute bedroht die Klimakatastrophe unsere Existenz. Das Recht allein kann sie sicherlich nicht aufhalten, aber einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen die Erderwärmung leisten – mal als Schwert, mal als Schutzschild. Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund ums Umweltrecht.
Was zählt zum Umweltrecht?
Das Umweltrecht umfasst alle gesetzlichen Regelungen, die dem Umweltschutz dienen. Klingt einfach, ist aber hochkomplex. Schließlich wurden Normen und Gesetze auf verschiedenen Ebenen geschaffen: national, europäisch und völkerrechtlich.
Das Umweltrecht wird in Deutschland im Kernbereich unter anderem im Immissionsschutzgesetz, dem Wasser-, Bodenschutz-, Abfall- oder dem Chemikalienrecht geregelt. Hinzu kommen Querschnittsgesetze wie das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz oder das Umweltinformationsgesetz sowie das Umweltstrafrecht. Das noch junge Bundes-Klimaschutzgesetz (siehe unten) definiert übergeordnete Schutzziele. Auch in Rechtsgebieten, die nicht originär dem Umweltschutz dienen, existieren relevante Regelungen, etwa im Energie-, Landwirtschafts-, Verkehrs- oder Baurecht. Um den Klimaschutz voranzubringen, nutzen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Verbände sogar Rechtsgebiete wie das Aktien-, Kommunal- oder Verbraucherschutzrecht.
Das Umweltrecht ist in Deutschland also über viele verschiedene Gesetze und Einzelvorschriften verstreut. Alle Versuche, ein einheitliches Umweltgesetzbuch zu entwickeln, das sämtliche Regelungen bündelt, sind bislang gescheitert.
Was sagt das Grundgesetz zum Umweltschutz?
„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“ Artikel 20a des Grundgesetzes wurde als sogenannte Staatszielbestimmung formuliert, also als Programmauftrag für Gesetzgeber und Verwaltung. Ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 2021 machte klar, dass er als konkrete Norm sehr wohl den Staat in die Pflicht nimmt. Alle Einzelgesetze müssen im Lichte des Artikels 20a interpretiert werden.
Was steht im Klimaschutzgesetz?
Das Klimaschutzgesetz setzt die nationalen Verpflichtungen Deutschlands aus dem Pariser Klimaschutzabkommen um. Wichtigster Punkt ist die Festlegung der Ziele für den Klimaschutz in einzelnen Sektoren. So haben etwa die Industrie, die Landwirtschaft und der Verkehr bestimmte Vorgaben bezüglich der Reduzierung des CO2-Ausstoßes in ihrem Bereich zu erfüllen. Das Gesetz enthält keine konkreten Maßnahmen, sondern nur Ziele. Im Frühjahr 2021 beschied das Bundesverfassungsgericht, dass das Klimaschutzgesetz in der aktuellen Version nicht ausreicht, um den Anforderungen des Grundgesetzes im Zusammenhang mit dem völkerrechtlichen Übereinkommen von Paris (2015) zu genügen. Daher muss das Klimaschutzgesetz nachgebessert werden.

Welche weltweiten Umweltregelungen gibt es?
Globale Umweltprobleme erfordern globale Regelungen. Auf internationaler Ebene greift das Umweltvölkerrecht, das dem Schutz der globalen Umwelt dienen soll. Deutschland ist Vertragspartner zahlreicher internationaler Umweltschutzabkommen. Zu den wichtigsten zählen die Klimarahmen- und die Biodiversitätskonvention (beide 1992), das Kyoto-Protokoll (1997), die Aarhus-Konvention (2005), das Übereinkommen von Paris (2015) und die Resolution des UN-Menschenrechtsrates (2021), die das Recht auf eine gesunde Umwelt nun als grundlegendes Menschenrecht anerkennt.
Wieso ist die Aarhus-Konvention so wichtig?
Die Aarhus-Konvention, die Deutschland 2007 ratifiziert hat, gilt mittlerweile für 47 Vertragsparteien aus Europa, dem Kaukasus und Zentralasien, darunter die EU und ihre Mitgliedstaaten. Sie hat drei Säulen:
- Zugang zu Umweltinformationen,
- Beteiligung der Öffentlichkeit an Umweltverfahren,
- Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten.
Die Aarhus-Konvention hat eine entscheidende Bedeutung für die Anwendung des Umweltrechts in Deutschland. Sie hat Umweltverbände wie Greenpeace, den BUND oder NABU gestärkt, denn nun können sie das Verbandsklagerecht in Anspruch nehmen. Zuvor konnten nur persönlich betroffene Bürger*innen klagen. Die Verbände können jetzt als Vertreter von Gemeinwohlinteressen auftreten.

Welche Rolle spielen Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte?
Umweltbezogene Vorhaben und Gesetze sind regelmäßig Gegenstand gerichtlicher Streitigkeiten und Verfahren. Bürger*innen, Initiativen und Verbände, die das Klima bzw. die Umwelt schützen möchten, stehen jedoch immer wieder vor hohen Hürden, wenn es um den Zugang zu Gerichten geht. Da Umweltrecht in Deutschland oft – auch von Behörden – nicht eingehalten wird, ist es wichtig, dass es Akteurinnen und Akteure gibt, die diese überprüfen können. Andersherum können Gerichte das nur, wenn sie durch Vorlage von Fällen angerufen werden. Erweiterte Klagemöglichkeiten sind also wünschenswert. Die Aarhus-Konvention hat diesbezüglich vieles erleichtert. Anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigungen können nun Entscheidungen der Behörden – beispielsweise die Zulassung einer Industrie- oder Müllverbrennungsanlage – auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen lassen. Das vielseitige Wissen der Verbände ist in den behördlichen Verfahren sehr hilfreich.
Aber die Sache hat einen Haken: Im geltenden Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz werden alle Projekte und Programme gelistet (zuletzt erneuert 2017), gegen die Verbände klagen dürfen. Das bedeutet im Umkehrschluss: Was nicht auf der Liste steht, kann nicht eingeklagt werden. Kritiker*innen fordern, dass im deutschen Recht eine Generalklausel zur Umsetzung der Aarhus-Konvention verankert wird. Davon verspricht man sich eine deutliche Vereinfachung und Beschleunigung von nicht selten langwierigen Verfahren.
Wie ist die rechtliche Situation von Klimaaktivist*innen?
Viele, vor allem junge Menschen erkennen, dass die Klimakatastrophe schnelles Handeln erfordert. Sie tragen ihren Protest – unabhängig von etablierten Umwelt- und Naturschutzverbänden – auf die Straße und machen mit spontanen Aktionen wie etwa dem Blockieren einer Straßenkreuzung auf ihr Anliegen aufmerksam. Nicht selten mündet ihr Engagement in einer Strafanzeige wegen Nötigung, Hausfriedensbruch oder Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, und es kommt zum Strafverfahren.
An diesem Punkt wird die deutsche Rechtsprechung von kritischen Stimmen als zu restriktiv wahrgenommen. Begründung: Die Klimaaktivist*innen prangern an, dass bestehendes (Umwelt-)Recht nicht umgesetzt wird oder ihre Rechte aus dem Grundgesetz missachtet werden. Aus ihrer Sicht handele es sich also um Widerstand gegen einen Angriff, außerdem um gemeinwohlbezogene, nicht um selbstbezogene Aktionen.
So oder so: Klimaaktivist*innen sollten sich informieren und rechtlich beraten lassen, insbesondere in puncto Versammlungsrecht. Wie ist eine Versammlung ordnungsgemäß anzumelden? Welche Einschränkungen durch Behörden sind möglich, und wie reagiert man darauf? Welche strafrechtlichen Konsequenzen drohen?
Green Legal Impact
Der Verein Green Legal Impact (GLI) wurde 2019 in Berlin gegründet und versteht sich als „katalytisch-strategischer Akteur“ im Bereich Umweltrecht in Deutschland. Ziel ist es, die Zivilgesellschaft bei der strategischen Nutzung des Rechts für den Umweltschutz zu unterstützen. So stärkt der Verein Beteiligungsrechte und den Zugang zu Gerichten für Verbände, vernetzt Umweltrechtskanzleien und schult deren Nachwuchs oder bildet Aktivist*innen im Versammlungs- und Strafrecht aus.
www.greenlegal.eu/