Was macht München zur Smart City Nr. 1?
München gilt als Deutschlands Smart City Nummer eins. Im Interview spricht Laura Dornheim, IT-Leiterin und Chief Digital Officer der bayerischen Landeshauptstadt, über die Chancen und Risiken, die in einer digitalisierten Verwaltung stecken können. Am 27. Mai 2024 diskutiert sie auf der Digital-Konferenz re:publica auf dem Panel „Digital-Sozial-Ökologisch: Die nachhaltige Transformation unserer Städte im Reality Check“.
Frau Dornheim, der IT-Branchenverband Bitkom hat mit seinem „Smart City Index“ den Digitalisierungsgrad von 81 Städten bewertet, München ist auf Platz eins gelandet. Was macht München anders?
Die wichtigste Entscheidung der Stadt war, die IT zu zentralisieren. Die Steuerung und die strategische Planung liegen in einer Hand. Außerdem verfügt die Stadt München über eine Digitalisierungsstrategie, die wir jedes Jahr weiterentwickeln. Ich habe bei der Stadt offiziell zwei Posten. Zum einen halte ich als Leiterin des IT-Referats eine Organisation mit gut 40.000 Mitarbeitenden am Laufen. Zum anderen bin ich Chief Digital Officer: Ich schaue nach vorne, setze innerhalb der Verwaltung Impulse und zeige, wofür man Technologien sinnvoll einsetzen kann.
Das Konzept der „Smart City“ beinhaltet auch die „smarte Verwaltung“. Wie genau kann man sich das vorstellen?
„Smarte Verwaltung“ bedeutet, dass die Bürger*innen nicht für jedes kleine Anliegen einen Antrag auf Papier ausdrucken und zum Amt laufen müssen, sondern dass vieles ganz einfach vom heimischen Computer aus erledigt werden kann. In München haben wir derzeit über 200 digitale Verwaltungsanwendungen: Dazu gehören ganz alltägliche Sachen wie das Beantragen eines Anwohnerparkausweises oder auch ungewöhnlichere, zum Beispiel die Anmeldung eines Bienenstocks auf dem eigenen Dach.
Da Sie gerade von Bienen sprechen: Welchen Beitrag kann die Digitalisierung zur Erreichung ökologischer Ziele leisten?
Da gibt es einige Beispiele: Digitale Karten helfen, Trinkbrunnen in der Stadt zu finden. Mit KI-basierter Bilderkennung zählen wir auf Basis von Luftbildern Baumkronen und können den Baumbestand genauer als vorher erfassen. Sensoren an jungen Bäumen messen, welchem Stresslevel sie ausgesetzt sind. Und Sensoren an Müllfahrzeugen erfassen über die ganze Stadt hinweg Klimadaten. So lässt sich etwa erkennen, ob die Durchlüftungsschneisen, die den Luftaustausch ermöglichen sollen, funktionieren.
Laura Sophie Dornheim ist in München aufgewachsen, hat in Hamburg Wirtschaftsinformatik studiert und an der Universität Lüneburg in Genderstudies promoviert. Sie war lange als Unternehmensberaterin aktiv und leitet seit 2022 als IT-Referentin und als Chief Digital Officer die digitale Entwicklung der Stadt München.
Und wie sieht es mit sozialen Zielen aus?
Die haben wir natürlich auch im Blick. Denn es gibt auch in München Haushalte, die weit unter dem Durchschnittseinkommen liegen. Die dürfen nicht digital abgehängt werden. Die Stadt bietet deshalb kostenloses WLAN an. Und über öffentlich zugängliche Computer in Stadtbibliotheken können auch diejenigen das Internet nutzen, deren eigener Rechner kaputt ist. Die Stadt München als große Arbeitgeberin hat außerdem die Zwangspräsenz abgeschafft. Das hilft bei der Vereinbarkeit von Job und Familie. Die Homeoffice-Quote des IT-Referats beispielsweise liegt bei über 50 Prozent.
Am 27. Mai 2024 diskutiert Dornheim auf der re:publica auf dem Panel „Digital-Sozial-Ökologisch: Die nachhaltige Transformation unserer Städte im Reality Check“ gemeinsam mit Lea Wulf (Stiftung Mercator), Helene von Schwichow (Technische Universität München) und Filiz Günsür (Social-Smart-City-Managerin der Stadt Lübeck).
Als „Herzstück der Zukunftsstadt“ bezeichnet München seinen „digitalen Zwilling“. Was kann man sich darunter vorstellen?
Der „digitale Zwilling“ ist der Nachbau der Stadt München im virtuellen Raum. Wir bauen diesen mithilfe unterschiedlichster Daten, die wir erheben und zusammenführen. Das sind Daten der Stadtverwaltung, der Stadtwerke, der Münchner Verkehrsgesellschaft sowie Echtzeitdaten zu Wetter oder Luftqualität. Verschiedene Referate, etwa das Bau-, Mobilitäts- oder Klimareferat, können dann auf die gesammelten Informationen zugreifen. Der digitale Zwilling hilft uns beispielsweise zu verstehen, unter welchen Bedingungen es besonders heiß und stickig in der Stadt wird. Außerdem sind Simulationen möglich: Eine Person sitzt im Rollstuhl, fährt virtuell durch die Stadt und kann sehen, wie rollstuhlgerecht verschiedene Strecken sind. Man kann auch durchspielen, wie es sich auswirkt, wenn zusätzliche Bäume gepflanzt oder Parkplätze abgeschafft werden.
Das klingt ja erst mal super. Aber es gibt auch eine kritische Perspektive auf das Konzept der Smart City: Wenn eine Verwaltung nahezu sämtliche Aktivitäten innerhalb einer Stadt digital erfassen kann, kann dies auch zur Überwachung genutzt werden. Wie lässt sich Ihrer Meinung nach ein Missbrauch der gesammelten Daten verhindern?
Ehrlich gesagt sehe ich bei der Smart City wenig Missbrauchspotenzial. Daten wurden auch früher schon erhoben, etwa durch klassische Vermessung. Die Digitalisierung erhöht natürlich das Risiko, dass Daten abfließen, vor allem wenn sie mit persönlichen Informationen verknüpft sind. Allerdings gelten für personenbezogene Daten der Verwaltung durch geltendes EU-Recht höchste Standards.
Zum Schluss wagen wir noch einen Blick auf die Bitkom-Rangliste, die Sie anführen. Mit Dresden ist nur eine ostdeutsche Stadt unter den ersten 20 Plätzen vertreten. Welche Rolle spielt Wohlstand für die Digitalisierung von Städten?
Leider spielen die verfügbaren Ressourcen eine große Rolle. Mit den Städten Hamburg und Leipzig haben wir ein gemeinsames Projekt zum digitalen Zwilling. Und wir stellen Werkzeuge, die wir nutzen, über Open-Source-Modelle anderen Verwaltungen zur Verfügung. So teilen wir unser Wissen. Aber die Problematik bleibt: Technologie kostet viel Geld.
Urban Digitainability Lab
Passend zu Laura Dornheims Arbeit fragt auch die Stiftung Mercator: Wie lassen sich deutsche Städte nachhaltig und digital gestalten? Mit dem von der Stiftung geförderten Urban Digitainability Lab schafft der TUM Think Tank an der Hochschule für Politik München einen Ort, an dem Wissenschaft und Praktiker*innen aus dem öffentlichen Dienst, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Bürger*innen Lösungsansätze für eine Verbesserung der nachhaltig digitalen Daseinsvorsorge in urbanen Räumen entwickeln können. Dazu dienen etwa Taskforces zu den Themenschwerpunkten Mobilität, Wohnen und Gesundheit sowie verschiedene Formate, die den Transfer zwischen Universität und Städten befördern sollen.
www.hfp.tum.de