Was macht München zur Smart City Nr. 1?

Was macht München zur Smart City Nr. 1?
Autor: Stefan Mey Fotos: Sebastian Arlt 21.05.2024

München gilt als Deutschlands Smart City Nummer eins. Im Interview spricht Laura Dornheim, IT-Leiterin und Chief Digital Officer der bayerischen Landes­haupt­stadt, über die Chancen und Risiken, die in einer digitalisierten Verwaltung stecken können. Am 27. Mai 2024 diskutiert sie auf der Digital-Konferenz re:publica auf dem Panel „Digital-Sozial-Ökologisch: Die nachhaltige Transformation unserer Städte im Reality Check“.

Frau Dornheim, der IT-Branchenverband Bitkom hat mit seinem „Smart City Index“ den Digitalisierungs­grad von 81 Städten bewertet, München ist auf Platz eins gelandet. Was macht München anders?

Die wichtigste Entscheidung der Stadt war, die IT zu zentralisieren. Die Steuerung und die strategische Planung liegen in einer Hand. Außerdem verfügt die Stadt München über eine Digitalisierungs­strategie, die wir jedes Jahr weiter­entwickeln. Ich habe bei der Stadt offiziell zwei Posten. Zum einen halte ich als Leiterin des IT-Referats eine Organisation mit gut 40.000 Mitarbeitenden am Laufen. Zum anderen bin ich Chief Digital Officer: Ich schaue nach vorne, setze innerhalb der Verwaltung Impulse und zeige, wofür man Technologien sinnvoll einsetzen kann.

Das Konzept der „Smart City“ beinhaltet auch die „smarte Verwaltung“. Wie genau kann man sich das vorstellen?

„Smarte Verwaltung“ bedeutet, dass die Bürger*innen nicht für jedes kleine Anliegen einen Antrag auf Papier ausdrucken und zum Amt laufen müssen, sondern dass vieles ganz einfach vom heimischen Computer aus erledigt werden kann. In München haben wir derzeit über 200 digitale Verwaltungs­anwendungen: Dazu gehören ganz alltägliche Sachen wie das Beantragen eines Anwohner­park­ausweises oder auch ungewöhnlichere, zum Beispiel die Anmeldung eines Bienen­stocks auf dem eigenen Dach.

Da Sie gerade von Bienen sprechen: Welchen Beitrag kann die Digitalisierung zur Erreichung ökologischer Ziele leisten?

Da gibt es einige Beispiele: Digitale Karten helfen, Trinkbrunnen in der Stadt zu finden. Mit KI-basierter Bild­erkennung zählen wir auf Basis von Luftbildern Baum­kronen und können den Baum­bestand genauer als vorher erfassen. Sensoren an jungen Bäumen messen, welchem Stress­level sie ausgesetzt sind. Und Sensoren an Müll­fahr­zeugen erfassen über die ganze Stadt hinweg Klimadaten. So lässt sich etwa erkennen, ob die Durch­lüftungs­schneisen, die den Luftaustausch ermöglichen sollen, funktionieren.

© Sebastian Arlt

Laura Sophie Dornheim ist in München auf­gewachsen, hat in Hamburg Wirtschafts­informatik studiert und an der Universität Lüneburg in Gender­studies promoviert. Sie war lange als Unternehmens­beraterin aktiv und leitet seit 2022 als IT-Referentin und als Chief Digital Officer die digitale Entwicklung der Stadt München.

Und wie sieht es mit sozialen Zielen aus?

Die haben wir natürlich auch im Blick. Denn es gibt auch in München Haushalte, die weit unter dem Durch­schnitts­einkommen liegen. Die dürfen nicht digital abgehängt werden. Die Stadt bietet deshalb kosten­loses WLAN an. Und über öffentlich zugängliche Computer in Stadt­bibliotheken können auch diejenigen das Internet nutzen, deren eigener Rechner kaputt ist. Die Stadt München als große Arbeit­geberin hat außerdem die Zwangs­präsenz abgeschafft. Das hilft bei der Vereinbarkeit von Job und Familie. Die Homeoffice-Quote des IT-Referats beispiels­weise liegt bei über 50 Prozent.

Am 27. Mai 2024 diskutiert Dornheim auf der re:publica auf dem Panel „Digital-Sozial-Ökologisch: Die nachhaltige Transformation unserer Städte im Reality Check“ gemeinsam mit Lea Wulf (Stiftung Mercator), Helene von Schwichow (Technische Universität München) und Filiz Günsür (Social-Smart-City-Managerin der Stadt Lübeck).

zur Session

Immer mit dabei: der Laptop von Laura Sophie Dornheim.
Immer mit dabei: der Laptop von Laura Sophie Dornheim. © Sebastian Arlt
© Sebastian Arlt
Platz für neue Entwicklungen bietet ein Raum im Untergeschoss des IT-Referats. © Sebastian Arlt

Als „Herzstück der Zukunftsstadt“ bezeichnet München seinen „digitalen Zwilling“. Was kann man sich darunter vorstellen?

Der „digitale Zwilling“ ist der Nachbau der Stadt München im virtuellen Raum. Wir bauen diesen mithilfe unter­schiedlichster Daten, die wir erheben und zusammen­führen. Das sind Daten der Stadt­verwaltung, der Stadtwerke, der Münchner Verkehrs­gesellschaft sowie Echt­zeit­daten zu Wetter oder Luftqualität. Verschiedene Referate, etwa das Bau-, Mobilitäts- oder Klima­referat, können dann auf die gesammelten Informationen zugreifen. Der digitale Zwilling hilft uns beispiels­weise zu verstehen, unter welchen Bedingungen es besonders heiß und stickig in der Stadt wird. Außerdem sind Simulationen möglich: Eine Person sitzt im Rollstuhl, fährt virtuell durch die Stadt und kann sehen, wie roll­stuhl­gerecht verschiedene Strecken sind. Man kann auch durch­spielen, wie es sich auswirkt, wenn zusätzliche Bäume gepflanzt oder Park­plätze abgeschafft werden.

Das klingt ja erst mal super. Aber es gibt auch eine kritische Perspektive auf das Konzept der Smart City: Wenn eine Verwaltung nahezu sämtliche Aktivitäten innerhalb einer Stadt digital erfassen kann, kann dies auch zur Über­wachung genutzt werden. Wie lässt sich Ihrer Meinung nach ein Missbrauch der gesammelten Daten verhindern?

Ehrlich gesagt sehe ich bei der Smart City wenig Missbrauchs­potenzial. Daten wurden auch früher schon erhoben, etwa durch klassische Vermessung. Die Digitalisierung erhöht natürlich das Risiko, dass Daten abfließen, vor allem wenn sie mit persönlichen Informationen verknüpft sind. Aller­dings gelten für personen­bezogene Daten der Verwaltung durch geltendes EU-Recht höchste Standards.

Zum Schluss wagen wir noch einen Blick auf die Bitkom-Rangliste, die Sie anführen. Mit Dresden ist nur eine ostdeutsche Stadt unter den ersten 20 Plätzen vertreten. Welche Rolle spielt Wohlstand für die Digitalisierung von Städten?

Leider spielen die verfügbaren Ressourcen eine große Rolle. Mit den Städten Hamburg und Leipzig haben wir ein gemeinsames Projekt zum digitalen Zwilling. Und wir stellen Werkzeuge, die wir nutzen, über Open-Source-Modelle anderen Verwaltungen zur Verfügung. So teilen wir unser Wissen. Aber die Problematik bleibt: Technologie kostet viel Geld.


Urban Digitainability Lab

Passend zu Laura Dornheims Arbeit fragt auch die Stiftung Mercator: Wie lassen sich deutsche Städte nach­haltig und digital gestalten? Mit dem von der Stiftung geförderten Urban Digitainability Lab schafft der TUM Think Tank an der Hochschule für Politik München einen Ort, an dem Wissenschaft und Praktiker*innen aus dem öffentlichen Dienst, Wirtschaft, Zivil­gesellschaft und Bürger*innen Lösungs­ansätze für eine Verbesserung der nach­haltig digitalen Da­seins­vorsorge in urbanen Räumen entwickeln können. Dazu dienen etwa Task­forces zu den Themen­schwer­punkten Mobilität, Wohnen und Gesundheit sowie verschiedene Formate, die den Transfer zwischen Universität und Städten befördern sollen.
www.hfp.tum.de