„Nein!“ für ein besseres Klima

Schon als junger Mensch machte sich Jakob Peter Gedanken über das Wohl unseres Planeten, über Rohstoffknappheit und über das Klima. Heute ist er Generalsekretär des Expertenrats für Klimafragen in Berlin und Leiter der Geschäftsstelle – und setzt sich für eine lebenswerte Zukunft der jungen Generationen ein.
Persönlich kennengelernt hat Jakob Peter seinen Urgroßvater nie. Trotzdem ist dieser ihm ein Vorbild. Denn der Schweizer Theologe Karl Barth (1886–1968), der Großvater von Jakob Peters Mutter, gilt als einer der bedeutendsten Theologen des 20. Jahrhunderts. Und als ein Mann, der nicht nur die evangelische Theologie maßgeblich beeinflusst hat, sondern die Gefahr des Nationalsozialismus früh erkannte und auch aktiv zum Widerstand aufrief.
„Er hat es gewagt, gegen den Strom zu schwimmen, hat versucht, aus theologischer Sicht zu argumentieren, dass der Nationalsozialismus ein Unrechtsregime ist, und er hat klargemacht, dass es manchmal wichtig ist, Nein zu sagen“, erzählt der Urenkel. „Mich hat schon immer fasziniert, welchen Mut er hatte.“

Klimaschutz auf dem Prüfstand
Einem Schreckensregime wie dem Nationalsozialismus muss Jakob Peter in seinem Alltag zwar nicht die Stirn bieten. Doch auch in seinem Job als Generalsekretär und Geschäftsstellenleiter des Expertenrats für Klimafragen in Berlin spielt die Fähigkeit, Nein zu sagen, eine wichtige Rolle – wenn auch auf einer anderen Ebene. Denn als unabhängiges Gremium aus fünf Sachverständigen bewertet der Expertenrat, ob die Klimaschutzmaßnahmen der Bundesregierung ausreichen, um bis zum Jahr 2030 einen Rückgang der Treibhausgasemissionen von mindestens 65 Prozent im Vergleich zu 1990 zu erreichen. Und da lautet die Antwort des Klimarats manchmal eben auch: Nein.

„Es geht darum, Klimaschutzlücken aufzudecken“, erklärt Peter. „Der Expertenrat prüft unter anderem die jährlich durch das Umweltbundesamt veröffentlichten Vorjahresschätzungen der Treibhausgasemissionen. Wenn der Rat dabei Klimaschutzlücken im Vergleich zu den Zielen feststellt, müssen zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden.“ Der Einfluss des Expertenrats sei in der Klimaschutzdebatte nicht zu unterschätzen, meint der sympathische Schweizer. „Die Ergebnisse der Prüfungen werden der Bundesregierung überreicht und sind öffentlich zugänglich. Entsprechend nehmen die Presse und die Öffentlichkeit die Gutachten des Klimarats wahr, und dadurch entsteht politischer Handlungsdruck.“
Vom kindlichen Interesse zur Klimaexpertise
Für das Klima hat sich Jakob Peter schon seit seiner Kindheit interessiert. Und an einen bestimmten Moment vor rund 25 Jahren – damals war er elf Jahre alt – kann er sich besonders gut erinnern. „Ich weiß noch, wie ich von dem Begriff ‚Peak Oil‘ hörte und mir klar wurde, dass es einen Moment gibt, an dem die Ölförderung ihr Maximum erreicht hat und nach dem sie unumkehrbar abfällt“, erzählt Peter, der im schweizerischen Basel aufwuchs. „Und dabei wurde mir bewusst, dass fossile Rohstoffe begrenzt sind und damit ein Problem der Generationengerechtigkeit vorliegt. Später realisierte ich, dass es eine noch deutlich stärker begrenzte Ressource als die fossilen Rohstoffe gibt: nämlich unsere Atmosphäre als Treibhausgasspeicher – es muss folglich ein Großteil der heute noch vorhandenen fossilen Ressourcen faktisch im Boden bleiben, wenn man einen desaströsen Klimawandel verhindern will. Das war für mich schon früh eine Motivation, darüber nachzudenken, was ich später mal beruflich tun möchte.“



Klar war für ihn schon damals, dass er sich in seinem Leben einer „Menschheitsaufgabe“ wie dem Klimawandel widmen will. Also arbeitete er nach seinem Studium der Maschineningenieurwissenschaften an der ETH Zürich zunächst für verschiedene Unternehmen im Bereich Energie und Klimaschutz im In- und Ausland. Als Fellow des Mercator Kollegs für internationale Aufgaben ging er anschließend als Berater für nachhaltige Investments nach Zürich, zum Bundesumweltministerium in Berlin und zur Internationalen Energieagentur in Paris. „Das war eine einmalige Erfahrung“, sagt Peter rückblickend. „Ich konnte mit hoch spannenden Leuten in interdisziplinären Teams zusammenarbeiten, habe in Zürich die Finanzperspektive beim Thema Klimaschutz kennengelernt und in Paris an Analysen zur Energiewende mitgearbeitet. Das war für mich als Maschinenbauingenieur eine große Erweiterung der Perspektive und ein echtes Privileg.“

Die vielen positiven Eindrücke aus dem Fellowship ließen in Jakob Peter schließlich den Wunsch reifen, seine Doktorarbeit zu schreiben – jedoch nicht im Bereich Maschinenbau. Ein anderes Studienfach mit mehr Gesellschaftsbezug sollte her. Also promovierte er berufsbegleitend in Volkswirtschaft und arbeitete als Berater in der Energiewirtschaft. Danach wechselte er zu einem Start-up im Bereich klimafreundliche Flugkraftstoffe und einem Energieunternehmen für erneuerbare Energien und Wasserstoff. Seit September 2021 ist der 36-Jährige nun beim Expertenrat für Klimafragen in Berlin.
Kein gutes Jahr fürs Klima
In dieser Funktion muss Peter den Klimaschutzzielen der Bundesregierung neutral gegenüberstehen. Als Privatperson und Klimaexperte hat er aber eine eigene Einschätzung. „Das Ziel von Deutschland, bis 2045 klimaneutral zu werden, ist gut – der Weg dahin muss aber mit konkreten Maßnahmen hinterlegt werden“, meint er. „Die Menge der Emissionen, die wir noch freisetzen können, ist begrenzt. Und erste Hochrechnungen lassen schon vermuten, dass die Klimaschutzziele für 2021 nicht in allen Sektoren erreicht werden.“ Das werde sich mit erhöhter Sicherheit aber erst im März 2022 sagen lassen, wenn das Umweltbundesamt seine alljährliche Vorjahresschätzung abgibt, erklärt Peter. Für das Jahr 2020 sei das Ziel, 40 Prozent der Emissionen im Vergleich zu 1990 einzusparen, „maßgeblich durch Corona“ realisiert worden. „Wahrscheinlich werden wir für 2021 das 40-Prozent-Ziel von 2020 wieder verfehlen“, glaubt er. Daher brauche es voraussichtlich bald neue Klimaschutz-Sofortprogramme der Regierung.

Auch die Frage, wie sozialverträglicher Klimaschutz funktionieren kann, beschäftigt Peter, der aktuell in Berlin lebt und dem man bei jedem Wort anmerkt, wie sehr ihm seine Arbeit am Herzen liegt. Denn während mithilfe der CO2-Bepreisung die Entscheidungen großer Konzerne gesteuert werden sollen, könne diese Bepreisung in der Gesellschaft durch die erhöhten Kosten zu sozialen Härtefällen führen. „Deshalb muss die soziale Frage unbedingt im Blick behalten und die Folgen abgefedert werden, zum Beispiel durch eine Rückverteilung der CO2-Einnahmen in der Bevölkerung“, findet Peter. „Wer weniger emittiert, könnte so profitieren.“
Einsatz für die nächsten Generationen
Noch sei es nicht zu spät, dem Klimakollaps entgegenzusteuern, sagt der Experte, der in seiner Freizeit am liebsten, ganz klimaneutral, segeln geht. Und aus dieser Überzeugung heraus arbeitet er jeden Tag für ambitionierten Klimaschutz und realistisch umsetzbare Lösungen. „Dafür ist die Position beim Expertenrat für Klimafragen ziemlich ideal, und ich würde mir wünschen, auch in Zukunft in einer verantwortungsvollen Position an diesem Thema mitzuarbeiten.“ Denn um die Zukunft der nächsten Generationen macht er sich große Sorgen. „Ich habe zwar selbst noch keine Kinder, bin aber Onkel und habe manchmal ein richtig beklemmendes Gefühl, wenn ich an die möglichen Folgen des Klimawandels für unsere Kinder denke“, sagt Peter. „Wir müssen diese Krise ernst nehmen!“
Mercator Kolleg für internationale Aufgaben
Das „Mercator Kolleg für internationale Aufgaben“ fördert jährlich 25 engagierte deutschsprachige Hochschulabsolvent*innen und junge Berufstätige aller Fachrichtungen, die für unsere Welt von morgen Verantwortung übernehmen.
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