Klimarisiken und Konflikte: Welt­klima­konferenz und ihre Auswirkungen auf betroffene Länder

Wie hängen die Themen Klima, Umwelt und Konflikte zusammen? Klar ist: Länder, die von politischen Konflikten betroffen sind, leiden besonders unter den Klima­risiken – erhalten aber pro Kopf nur ein Drittel an Klimafinanzierung für die Anpassung.
Klimarisiken und Konflikte: Welt­klima­konferenz und ihre Auswirkungen auf betroffene Länder
Autor: Philipp Nagels Illustrationen: Anne Albert/Kombinatrotweiss 20.02.2024

Der Klimawandel gefährdet den Frieden weltweit. Doch Länder, die von politischen Konflikten betroffen sind, leiden besonders unter den Klima­risiken. Warum die Ergebnisse der Welt­klima­konferenz COP28 Mut machen, aber nicht ausreichen, erklären zwei Experten der International Crisis Group.

Die Weltklimakonferenz COP28 fand im Dezember 2023 in Dubai statt. Wie zufrieden sind Sie mit den Ergebnissen?

Ulrich Eberle: Zum ersten Mal in der 28-jährigen COP-Geschichte war das Thema Frieden ein offizieller Agenda­punkt. 82 Länder haben die Declaration on Climate, Relief, Recovery and Peace unter­zeichnet, das hat die Erwartungen vieler sicherlich über­troffen. Die Erklärung setzt sich für Klima­maßnahmen und deren Finanzierung in von Konflikten betroffenen Ländern ein. Dies ist ein willkommener und notwendiger erster Schritt. Denn: Länder, die sowohl von politischen Konflikten als auch vom Klima­wandel betroffen sind, erhalten etwa 5 US-Dollar pro Kopf an Klima­finanzierung für die Anpassung, verglichen mit 15 US-Dollar für Länder, die nicht mit aktiven Konflikten zu kämpfen haben. Unter anderem haben auch China, das sich im UN-Sicherheits­rat kritisch über die Klima­sicherheits­diskussion geäußert hat, und Aserbaidschan, der COP-29-Gast­geber, unterzeichnet. Multilaterale inter­nationale Finanz­institutionen wie die Welt­bank, regionale Entwicklungs­banken sowie der Grüne Klima­fonds (Green Climate Fund) und der Anpassungs­fonds sind eben­falls an Bord. In Summe ist sehr viel Schwung in das Thema gekommen.

Ulrich Eberle
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Ulrich Eberle ist Direktor des Forschungsprojektes „Klima, Umwelt und Konflikt“ bei der ICG. Zuvor forschte Eberle unter anderem als Senior Analyst und Postdoctoral Fellow im Rahmen des Empirical Studies of Conflict Project der Princeton University.

Andrew Ciacci: Zusätzlich wurde schon am ersten Tag der Fonds für Verluste und Schäden durch den Klima­wandel (Loss and Damage Fund) verabschiedet, der inter­national mehr als 700 Millionen US-Dollar für den Umgang mit Klimaschäden bereit­stellt. Das war eine große Überraschung und ein Jahr zuvor noch vollkommen undenkbar. Neben Deutschland haben sich über­raschender­weise auch die USA beteiligt.

Um die weltweiten Verluste und Schäden durch den Klima­wandel zu finanzieren, brauchen wir mehrere Hundert Milliarden US-Dollar jährlich.

Andrew Ciacci

Sind 700 Millionen US-Dollar genug?

Ciacci: Die Summe reicht bei Weitem nicht aus. Wir brauchen ein Vielfaches davon, um die welt­weiten Verluste und Schäden durch den Klima­wandel zu finanzieren: mehrere Hundert Milliarden US-Dollar jährlich. Es ist ein wichtiger erster Schritt, dass der Fund und die dazugehörige Organisations­struktur überhaupt auf­gesetzt werden. Doch in der Folge ist es entscheidend, dass eine Form von kontinuierlicher Finanzierung entwickelt wird. Also regel­mäßige Beiträge der beteiligten Länder anstatt einmaliger Summen, die von der Großzügigkeit der jeweiligen Regierung abhängen. So könnte man den Loss and Damage Fund nach­haltig und skalierbar machen. Außerdem hätten wir uns gewünscht, dass es einen Leitfaden für die Beantragung von Fund-Geldern gibt, der den Prozess für von Konflikten betroffene Länder vereinfacht.

Andrew Ciacci
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Andrew Ciacci ist bei der ICG seit 2022 als Forscher im Projekt „Klima, Umwelt und Konflikt“ tätig. Zuvor hat Ciacci unter anderem im Rahmen eines Fulbright-Stipendiums im Kosovo geforscht und im US-Senat gearbeitet.

Mehr Geld, weniger Bürokratie: Was brauchen diese Länder außerdem, um in Zukunft mit Klima­risiken umgehen zu können?

Eberle: Länder wie Afghanistan oder der Südsudan brauchen nicht nur Gelder, um Klimaschäden auszugleichen, sondern insbesondere auch Geld für Anpassungs­maßnahmen, um Über­schwemmungen und Dürren bewältigen zu können. Zum Beispiel muss in Früh­warn­systeme und Infra­struktur sowie Deiche, Dämme und Wasser­bewirtschaftungs­systeme investiert werden. Fragile Länder haben oft jedoch nur reduzierten Zugang zu Geldern und technischem Wissen. Daher ist die Bevölkerung in diesen Ländern oft nicht vorbereitet auf die Klima­veränderungen, wodurch sich die humanitäre und Konflikt­situation noch verschlimmern kann.

Stürme, Dürren und Überschwemmungen – bessere Frühwarnsysteme könnten die Bevölkerung in Ländern, die von politischen Konflikten betroffen sind, vorbereiten auf die Klima­veränderungen, wodurch sich die humanitäre und Konflikt­situation verbessern könnte.
Stürme, Dürren und Überschwemmungen – bessere Frühwarnsysteme könnten die Bevölkerung in Ländern, die von politischen Konflikten betroffen sind, vorbereiten auf die Klima­veränderungen, wodurch sich die humanitäre und Konflikt­situation verbessern könnte. © Anne Albert/Kombinatrotweiss

Im Rahmen der COP28 haben mehrere Länder, darunter Deutschland, neue Gelder für den globalen Adaptation Fund (Klima­anpassungs­fonds) versprochen, in Summe mehr als 190 Millionen US-Dollar. Ist das ausreichend?

Eberle: Nein, zum einen ist die Summe nicht ausreichend, zum anderen gibt es bisher keine Garantie dafür, dass diese Gelder dort ankommen, wo sie am meisten gebraucht werden. Beispiels­weise sind in Afghanistan 40 Millionen Menschen von Klimarisiken bedroht. Doch der politische Wille, mit den Taliban bei der Klima­finanzierung zusammen­zu­arbeiten, ist aktuell gering. Diese Position ist aus menschen­rechtlichen Gründen nach­voll­zieh­bar, aber aus humanitärer Sicht unrealistisch. Afghanistan hat sehr wenig zum Klima­wandel beigetragen, und es wird erhebliche inter­nationale Hilfe benötigen, um damit fertig­zu­werden. Ein weiteres Problem: Es gibt kein verbindliches systematisches Reporting für den Einsatz von Klima­anpassungs­geldern. Es ist nicht immer klar, welche Maßnahmen unter Anpassung laufen dürfen und wofür die Gelder verwendet werden. Daher wissen wir auch nicht genau, in welchen Ländern es welche Finanzierungs­lücken gibt. Ich hoffe, dass es zumindest für den neuen Loss and Damage Fund ein besseres Reporting geben wird.

Die Crisis Group analysiert weltweit, wie sich Klima­risiken auf Konflikt­länder auswirken. Gibt es ein Patent­rezept, das allen hilft?

Ciacci: Es ist richtig, dass diese Länder generell deutlich zu wenig Gelder erhalten. Wir müssen in Zukunft jedoch stärker differenzieren, wie sich die jeweiligen Konflikte in den Ländern auf die Klima­finanzierung auswirken. Afghanistan braucht Geld und weiß, wie es ein­zu­setzen wäre. Doch die Gelder wurden eingefroren, seit die Taliban die Macht über­nommen haben. In Somalia möchte die Regierung Klima­maßnahmen durch­führen, doch ihr fehlt die Kontrolle und der Zugang – große Teile des Landes und der Bevölkerung werden von der Terror­organisation Al-Shabaab und anderen nicht staatlichen Akteuren kontrolliert. Im Südsudan wiederum herrscht oft Miss­management, es gibt Korruption und verschiedene regionale Konflikte. Das erschwert dort die Klima­anpassung. Helfen würden hier inter­nationale Klima­programme, die Konflikte stärker berücksichtigen, und eine bessere Koordination zwischen humanitären Organisationen, Entwicklungs­banken und Friedens­akteur*innen.

Wo brennt es? Die neueste Generation von Satelliten und Klima­modellen ist eine große Hoffnung für Klima­katastrophen­vorhersage und -beobachtung – auch dort, wo der Zugang durch Konflikte und Fluten beeinträchtigt ist.
Wo brennt es? Die neueste Generation von Satelliten und Klima­modellen ist eine große Hoffnung für Klima­katastrophen­vorhersage und -beobachtung – auch dort, wo der Zugang durch Konflikte und Fluten beeinträchtigt ist. © Anne Albert/Kombinatrotweiss

Eberle: Die Amazonasgebiete in Brasilien, Kolumbien und Peru stehen wiederum vor ganz anderen Heraus­forderungen, die in der Declaration on Climate, Relief, Recovery and Peace nicht erwähnt wurden. Hier geht es nicht nur um Klima­anpassungs­maßnahmen, sondern auch um die Bewahrung und die Wieder­herstellung des Regen­waldes. Dies wird erschwert durch organisierte Kriminalität, die zu hohen Mordraten und Umwelt­zerstörung durch Land­wirtschaft und illegalen Bergbau führt. All das hat einen großen Einfluss auf die Natur und beeinträchtigt vor allem indigene Stämme, die schon sehr lange im Regen­wald leben und wissen, wie man ihn bewahrt. Ich hoffe, dieses Thema wird spätestens bei der COP 30 mehr Aufmerksamkeit bekommen, wenn Brasilien die Präsidentschaft übernimmt.

Herr Ciacci, Sie waren im Oktober 2023 drei Wochen im Südsudan. Werden die Beschlüsse der COP28 dort etwas verändern?

Ciacci: Ehrlich gesagt bin ich unsicher, ob es dort eine echte Veränderung geben wird. Es gibt sehr unterschiedliche Interessen. Im Bundes­staat Jonglei leben 1,5 Millionen Menschen, die seit 2019 von Über­flutungen betroffen sind. Sehr viele wurden aus ihrer Heimat vertrieben und konkurrieren nun mit ihren Nachbar*innen um Land und Ressourcen. Es gibt Spannungen zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen, die durch die Fluten verstärkt werden. Wir haben eine Gruppe getroffen, die die Über­flutungen positiv bewertete, weil so Angriffe durch andere Gruppen verhindert würden. Für andere Gemeinschaften waren die Fluten extrem gefährlich, andere wiederum ziehen sie zumindest den Dürren vor. Entscheidungs­träger*innen müssen daher sicher­stellen, dass die politischen Ambitionen der COP-28-Friedens­initiative in effektive Klima­programme transformiert werden, welche die oft komplexe Situation vor Ort berücksichtigen.

Die Crisis Group setzt sich für Früh­warn­systeme in Ländern wie dem Südsudan ein.

Ciacci: Diese Systeme sollen früh­zeitig vor Klimafolgen warnen und besten­falls helfen, die Menschen zum Beispiel vor bevorstehenden Überschwemmungen via Radio und anderen Medien zu warnen. Sie sind relativ kosten­effizient. Doch im Südsudan haben wir beobachtet, dass manche Bevölkerungs­gruppen die Informationen aus Früh­warn­systemen von den Behörden erhalten haben, andere nicht. Die Frage, wer welche Informationen erhält, ist in Ländern, die von Konflikten und Klima­wandel betroffen sind, eine sehr politische. Daher ist es wichtig, dass Früh­warn­benachrichtigungen unabhängig sind und ein freier Zugang zu diesen wichtigen Informationen gewährleistet ist. Gleichzeitig müssen Früh­warn­systeme Konflikt­potenziale besser in Betracht ziehen, um Konflikte wegen knappen Landes und Wasser vorher­sagen zu können. Neue Technologien geben hier Grund für Optimismus: Die neueste Generation von Satelliten und Klima­modellen erlaubt eine recht präzise Klima­katastrophen­vorhersage und -beobachtung – auch dort, wo der Zugang durch Konflikte und Fluten beeinträchtigt ist.


International Crisis Group

Die International Crisis Group (ICG) ist eine inter­nationale Nicht­regierungs­organisation, die globale Konflikte vor Ort erforscht, analysiert und Lösungen entwickelt. Sie finanziert sich über Spenden von Regierungen, Stiftungen, Privat­personen und Unternehmen. ICG berät Institutionen wie die Vereinten Nationen und die Europäische Union zu aktuellen oder drohenden Konflikten.

https://www.crisisgroup.org/