Was macht eine Beraterin für Migrations­politik, Sophie Meiners?

Was macht eine Beraterin für Migrations­politik, Sophie Meiners?
Autor*innen: Carola Hoffmeister, Laura Kübler Fotos: Reinaldo Coddou 28.03.2024

Wie finden Geflüchtete wieder Anschluss, wenn sie in ihr Heimatland zurückkehren? Das ist eine der vielen Fragen, die Politikwissenschaftlerin und Migrationsforscherin Sophie Meiners beschäftigen. Sie ist Alumna der Think Tank School, welche die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik und das Mercator Institute for China Studies (MERICS) gemeinsam organisieren. Auf einem Spaziergang durch Berlin-Kreuzberg erklärt sie, wie man wissenschaftliche Beraterin für Migrationsthemen wird und was sie aus der Think Tank School dafür mitnehmen konnte.

Es ist ein kalter, grauer Nachmittag im März. Die Sonne, die sich noch am Morgen am Berliner Himmel hat blicken lassen, hat sich hinter der U-Bahn-Brücke des Görlitzer Bahnhofs verzogen. Sophie Meiners überquert schnellen Schrittes die Wiener Straße. Sie nimmt unter der Markise der Eurocan Bäckerei Platz, bevor die Tour des Vereins querstadtein losgeht. Der Verein bietet Stadtführungen von Personen an, die oft ungehört bleiben, wie beispielsweise Wohnungslose oder Menschen mit Migrationsbiografie. Seit Kurzem engagiert sich Sophie Meiners hier als wissenschaftliche Beraterin für Klimamigration und gibt Tipps, wie die Tourguides die komplexe Beziehung zwischen dem Klimawandel und Migration ansprechen können, ohne dabei Ängste zu schüren.

Politikwissenschaftlerin und Migrationsforscherin Sophie Meiners. © Reinaldo Coddou

Der Weg zur Beraterin begann vor einigen Jahren. Die Politikwissenschaftlerin nippt an ihrem schwarzen Tee und erklärt, dass sie sich 2015 als ehrenamtliche Geflüchtetenpatin engagiert habe und so ihr Forschungsinteresse geweckt worden sei: „Zu meiner wissenschaftlichen Beschäftigung bin ich über mein Ehrenamt gekommen. Für die Themensuche meiner Bachelorarbeit habe ich dann meine Kontakte zur städtischen Geflüchtetenpolitik genutzt, die ich durch das Ehrenamt hatte. So begann meine akademische Spezialisierung.“ In ihrem Auslandssemester in Tel Aviv studierte sie später Migration Studies. Mit einem Blick auf die Uhr wird klar: Besser los, gleich startet die Stadtführung von querstadtein.

Die Stadtführung steht unter dem Thema Klimamigration. Sophie Meiners und Tourguide Muhammed Lamin Jadama hatten sich zuvor über die Inhalte abgestimmt. © Reinaldo Coddou
Auch Sophie Meiners Hund ist mit von der Partie. © Reinaldo Coddou

Migrationsgeschichten im Stadtbild entdecken

Geleitet wird die Tour von Muhammed Lamin Jadama, einem Aktivisten und Journalisten aus Gambia, der seit 2011 in Berlin lebt. Er führt die zehnköpfige Truppe durch seinen Kiez in Kreuzberg. Er erzählt, wie er aufgrund seiner journalistischen Arbeit Gambia verlassen musste und warum das Restaurant Senegambia hier im Kiez ein Ort des Austauschs bildet.

Die Tour findet auf Englisch statt, und Sophie Meiners hört aufmerksam zu. Sie ist heute das erste Mal live mit dabei. Für seine geplante Tour zum Thema Klimamigration hat sie Muhammed Lamin Jadama Hintergrundinformationen zu den Auswirkungen des Klimawandels im Senegal und in Gambia geliefert. „Klimamigration ist ein dringendes Thema, aber das oft dystopische Framing sollte entschärft werden“, sagt sie.

Alle Migrations­themen im Blick

Doch die Migrationsströme, die durch die Folgen der Klimakrise ausgelöst werden, sind nicht der einzige Fokus von Sophie Meiners. Als Wissenschaftlerin im Migrationsprogramm der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) befasst sie sich ebenso mit Ukrainer*innen auf der Flucht oder in den Kosovo abgeschobenen Rom*nja und Sinti*zze. Um neben der Vielfalt an Themen auch dem nötigen Skillset in einem Thinktank gerecht zu werden, nahm Sophie Meiners 2023 an der Think Tank School der DGAP und des Mercator Institute for China Studies (MERICS) teil. Es unterstützt junge Forscher*innen dabei, die Kultur der Denkfabriken in Deutschland voranzutreiben.

Tourguide Muhammed Lamin Jadama ist Aktivist und Journalist aus Gambia. Seit 2011 lebt er in Berlin. © Reinaldo Coddou

Teil des Think Tank Labs werden?

Eine Bewerbung für die Think Tank School, dem Trainingsprogramm für Nachwuchs-Thinktanker*innen, ist bis zum 7. April möglich.

Jetzt bewerben bis zum 7. April!

In Zeiten vielfältiger globaler Krisen werden Thinktanks immer wichtiger, da Forschende dort interdisziplinär Ideen, Konzepte und Lösungen entwickeln können. Während des Programms, das sich über ein halbes Jahr erstreckt, wurden Meiners und ihre 14 Kolleg*innen berufsbegleitend im Forschen, Medientraining oder Fundraising unterrichtet. „Projektmittel anzuwerben, sorgt oftmals für Konkurrenz unter den Wissenschaftler*innen. Das Think Tank Lab setzt hier auf Transparenz und Austausch“, berichtet sie.

Perspektivwechsel im Görlitzer Park: Die Besucher:innen der Tour werden den Park und seine Klientel nach der Tour vielleicht neu und anders sehen. © Reinaldo Coddou
Muhammed Lamin Jadama eröffnet den Besucher:innen neue Perspektiven. © Reinaldo Coddou
Sophie Meiners am Ende eines langen aber erfolgreichen Tages. © Reinaldo Coddou

Bedürfnisse möglicher Rückkehrer*innen im Blick

Ein Forschungsschwerpunkt von Meiners bei der DGAP ist das Thema Migration in Heimatländer. Seit Putins Angriffskrieg sind etwa 6,5 Millionen Menschen aus der Ukraine geflüchtet, davon mehr als eine Million nach Deutschland. Auch wenn eine Rückkehr in weiter Ferne zu liegen scheint, sei es bereits heute wichtig, die Brücke in die Heimat zu bewahren und zu fördern, etwa durch Angebote wie Ukrainisch-Unterricht für die in Deutschland aufwachsenden ukrainischen Kinder, so Meiners. Wenn eine Rückkehr in die Ukraine wieder möglich sei, seien Reintegrationsprogramme wichtig, die die Gesellschaft im Herkunftsland mitdächten. „Wenn die Bundesregierung einzelne Rückkehrer*innen individuell unterstützt und ihnen Geld für die Lebensunterhaltungskosten beim Neustart gibt, ist das mitunter nicht die zentrale Hilfestellung“, weiß Meiners. „Denn viele haben Angst, wegen ihrer Flucht als feige und privilegiert von ihren Landsleuten wahrgenommen zu werden.“ Weiter erklärt sie: „Hier wäre es gut, eher die ukrainische Gesamtgesellschaft zu unterstützen und Aufklärungsarbeit vor Ort zu leisten.“

Mit neuen Impulsen aus der Tour und dem Gespräch endet der Spaziergang in Berlin-Kreuzberg an der Radiostation von WeAreBornFree! Empowerment Radio. Die Stadtführung hat Meiners gut gefallen: „Besonders interessant fand ich die persönliche Perspektive des Tourguides.“ Wie es jetzt für sie weitergeht? Sie möchte im Bereich der Migration weiterforschen und noch tiefer in die Materie eintauchen. Die Think Tank School habe ihr hierfür alle wichtigen Werkzeuge mit an die Hand gegeben, sagt Sophie Meiners zufrieden.


Think Tank Lab der DGAP

Das Think Tank Lab ist eine gemeinsame Initiative der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und des Mercator Institute for China Studies (MERICS), gefördert von der Stiftung Mercator. Es unterstützt die Weiter­entwicklung der deutschen Thinktank-Landschaft mit gezielten Aktivitäten in den Arbeits­feldern Peer Learning und Kooperation, Trainings und Weiterbildung und im Erproben.

dgap.org/think-tank-lab