Bits & Bäume – eine Idee wird zur Bewegung

Bits und Bäume - eine Idee wird zur Bewegung
Bits & Bäume – eine Idee wird zur Bewegung
Autorin: Bettina Brakelmann Illustrationen: Sebastian Schwamm 29.09.2022

Wie können wir Digitalisierung als Chance für eine nach­haltige und faire Zukunft nutzen? Die Konferenz „Bits & Bäume“ sucht Antworten und hat fünf Forderungen an Gesellschaft, Wirtschaft und Welt­gemeinschaft erarbeitet. AufRuhr stellt sie vor.

Wie kann die Digitalisierung im Rahmen der planetaren Grenzen gelingen? Wie können wir die Macht der Tech-Riesen gerechter umverteilen? Wie etablieren wir eine faire Wirtschafts­ordnung? Um diese Kernfragen dreht sich die Konferenz „Bits & Bäume 2022“, die nach ihrem erfolg­reichen Start 2018 vom 30. September bis 2. Oktober zum zweiten Mal stattfindet. Es werden rund 2000 Teilnehmende in Berlin erwartet. Ziel ist es, Tech-Communitys (Bits), Umwelt- und Nachhaltig­keits­bewegte (Bäume) und weitere Interessierte zusammen­zu­bringen und zu vernetzen, voneinander zu lernen und gemeinsam Lösungen für eine nachhaltige Digitalisierung zu entwickeln.

Seit ihrer Gründung wächst und gedeiht „Bits & Bäume“ prächtig. 13 Träger­organisationen* aus Umwelt­schutz, Digital- und Entwicklungs­politik und Wissenschaft bilden das Wurzel­werk, für die frucht­bare Erde sorgen verschiedene Förderer**. Ein Geäst von (immer mehr) Regionalgruppen trägt das Blätter­dach, die eigentliche Community. Viele fleißige Bienchen (Ehrenamtliche) arbeiten emsig mit und leisten ihren Beitrag dazu, dass der Wind (die Medien­partner) die Samen und Blüten in die Welt, sprich an die Öffentlichkeit streut.

Die Akteur*innen von „Bits & Bäume“ sehen die Gefahr, dass die momentane Ausgestaltung der Digitalisierung als Brand­beschleuniger bestehender gesellschaftlicher Ungerechtigkeiten wirkt. Eine sinnvolle, faire und nachhaltige Digitalisierung müsse im Dienst der Umwelt und der Menschen stehen. Sie müsse sich daran messen lassen, ob sie konkrete Beiträge zum Schutz der Menschen­rechte, zu Klima­schutz­zielen und zur Beendigung von Hunger und Armut leiste. „Bits & Bäume“ möchte Druck auf die Politik – auf nationaler, europäischer und globaler Ebene – aufbauen, um die notwendigen Rahmen­bedingungen für die Transformation zu schaffen. Dafür wurde der ursprüngliche Forderungs­katalog zur dies­jährigen Konferenz um eine Vielzahl von politischen Maßnahmen weiter konkretisiert. Die Forderungen sind in fünf Blöcken geclustert:

Hier kommen die politischen Forderungen von 13 Organisationen aus Umweltschutz, Digital- und Entwicklungs­politik und Wissenschaft an die Bundes­regierung, die Europäische Union und politische Akteur*innen welt­weit, geclustert in fünf Haupt­forderungen (bzw. Ziele), jeweils mit drei Beispielen für konkrete Maßnahmen:

Forderung 1: Digitale Infra­strukturen und elektronische Geräte müssen klima­neutral hergestellt und betrieben werden
© Sebastian Schwamm

1. Digitalisierung im Rahmen der planetaren Grenzen

Ziel: Digitale Infra­strukturen und elektronische Geräte müssen klima­neutral hergestellt und betrieben werden.

  • Ein digitaler Produktpass mit Angaben zum Beispiel zu Emissionen und Rohstoffen soll Transparenz über die gesamte Wert­schöpfungs­kette gewährleisten.
  • Funktionen wie Autoplay sollen beschränkt werden, um das Wachstum von Daten­strömen zu reduzieren.
  • Hardware muss langlebig und recyclebar sein, jegliche Betriebs­systeme und Software müssen auf allen Geräten laufen können.

2. Globale Gerechtigkeit und regionale Selbst­bestimmung

Ziel: Digitaler Wandel unterstützt ein global gerechtes und nach­haltiges Wirtschafts­system.

  • Regionale Selbstbestimmung: Lokale Gemeinden, zivil­gesellschaftliche Gruppen und indigene Völker sollen an der Gestaltung der globalen Digital­wirtschaft und -politik beteiligt werden.
  • Eine faire digitale Wirtschafts­ordnung soll die Kluft zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden durch Wissens- und Technologie­transfer verringern.
  • Digitalisierung der Landwirtschaft: Klein­wirtschaftliche Landwirt*innen müssen technisch unabhängig von Plattform-, Saatgut- und Land­maschinen­konzernen agieren können.
Forderung 2: Digitaler Wandel soll ein global gerechtes und nach­haltiges Wirtschafts­system unterstützen
© Sebastian Schwamm
Forderung 3: Bessere Rahmen­bedingungen zur Kontrolle digitaler Monopole und zur Demokratisierung der digitalen Welt
© Sebastian Schwamm

3. Umverteilung technologischer Gestaltungs­macht, Demokratie und Teilhabe

Ziel: Es sollen bessere Rahmenbedingungen zur Kontrolle digitaler Monopole und zur Demokratisierung der digitalen Welt geschaffen werden.

  • Geschäftsmodelle und staatliches Handeln, die auf dem Tracking/der Profil­bildung oder anderweitig komplexen Verhaltens­analysen aufbauen, sollen verboten werden.
  • Demokratische Steuerungs- und Teil­habe­möglichkeiten sowie gemein­wohl­orientierte Geschäfts­modelle sollen gefördert werden.
  • Eine Reform des Wettbewerbs- und Kartell­rechts soll bewirken, dass sich keine digitalen Monopole bilden und bestehende aufgelöst werden.

4. Gerechte Digitalisierung, nach­haltige Technik­gestaltung und soziale Fragen

Ziel: Digitaler Wandel zielt auf soziale und ökologische Gerechtigkeit und Frieden.

  • Digitale Technologien und ihre Nutzung müssen stets daran ausgerichtet werden, lang­fristige Friedens­bestrebungen zu unter­stützen. Dies­bezügliche Ge- und Verbote müssen zwingend in einer inter­nationalen Konvention geregelt werden (Beispiel: Export bewaffneter Drohnen).
  • Kommunikations­platt­formen müssen jeder Form von Diskriminierung, Hass und Gewalt gegen marginalisierte Gruppen aktiv entgegenwirken.
  • Das Patent- und Urheberrecht soll neu ausgerichtet (faire Ausgleichs­modelle schaffen) und die Vorrats­daten­speicherung abgeschafft werden.
Forderung 4: Digitaler Wandel für soziale und ökologische Gerechtigkeit und Frieden
© Sebastian Schwamm
Forderung 5: IT-Sicherheit zum Schutz einer nach­haltigen Demokratie
© Sebastian Schwamm

5. Schutz digitaler Infrastruktur und IT-Sicherheit

Ziel: IT-Sicherheit dient dem Schutz einer nachhaltigen Demokratie.

  • E-Government soll ein kostenloses und freies bundes­weites System für sichere Signierung und Authentifikation gewähr­leisten.
  • IT-Sicherheits­lücken dürfen nicht länger von Behörden ausgenutzt werden (Beispiel: Trojaner-Einbau).
  • Für die IT-Sicherheit und die langfristige Nutzbarkeit digitaler Produkte müssen Mindest­standards sicher­gestellt werden.

* Brot für die Welt, BUND, Chaos Computer Club, Deutscher Natur­schutz­ring, Einstein Center, Forum Informatiker*innen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung, Free Software Foundation Europa Germanwatch, Institut für ökologische Wirtschafts­forschung, Konzeptwerk Neue Ökonomie, Open Knowledge Foundation Deutschland, Technische Universität Berlin, Weizenbaum Institut

** u. a. Deutsche Bundesstiftung Umwelt und Bundes­ministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucher­schutz. Germanwatch und das Forum Informatiker*innen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung werden von der Stiftung Mercator gefördert.


Bits & Bäume 2022

„Bits & Bäume 2022“ ist die zweite Konferenz für Digitalisierung und Nach­haltig­keit, die von 13 Organisationen aus Umwelt­schutz, Digital- und Entwicklungs­politik und Wissenschaft gemeinsam mit einer engagierten Community veranstaltet wird. Sie sind der Über­zeugung, dass es politische Veränderungen braucht, damit die Digitalisierung besser zum drängenden sozialen und ökologischen Wandel beiträgt. Dafür haben sie einen Forderungs­katalog für die Bundes­regierung, die Europäische Union und politische Akteur*innen weltweit entwickelt.
bits-und-baeume.org/