Bits & Bäume – eine Idee wird zur Bewegung
Wie können wir Digitalisierung als Chance für eine nachhaltige und faire Zukunft nutzen? Die Konferenz „Bits & Bäume“ sucht Antworten und hat fünf Forderungen an Gesellschaft, Wirtschaft und Weltgemeinschaft erarbeitet. AufRuhr stellt sie vor.
Wie kann die Digitalisierung im Rahmen der planetaren Grenzen gelingen? Wie können wir die Macht der Tech-Riesen gerechter umverteilen? Wie etablieren wir eine faire Wirtschaftsordnung? Um diese Kernfragen dreht sich die Konferenz „Bits & Bäume 2022“, die nach ihrem erfolgreichen Start 2018 vom 30. September bis 2. Oktober zum zweiten Mal stattfindet. Es werden rund 2000 Teilnehmende in Berlin erwartet. Ziel ist es, Tech-Communitys (Bits), Umwelt- und Nachhaltigkeitsbewegte (Bäume) und weitere Interessierte zusammenzubringen und zu vernetzen, voneinander zu lernen und gemeinsam Lösungen für eine nachhaltige Digitalisierung zu entwickeln.
Seit ihrer Gründung wächst und gedeiht „Bits & Bäume“ prächtig. 13 Trägerorganisationen* aus Umweltschutz, Digital- und Entwicklungspolitik und Wissenschaft bilden das Wurzelwerk, für die fruchtbare Erde sorgen verschiedene Förderer**. Ein Geäst von (immer mehr) Regionalgruppen trägt das Blätterdach, die eigentliche Community. Viele fleißige Bienchen (Ehrenamtliche) arbeiten emsig mit und leisten ihren Beitrag dazu, dass der Wind (die Medienpartner) die Samen und Blüten in die Welt, sprich an die Öffentlichkeit streut.
Die Akteur*innen von „Bits & Bäume“ sehen die Gefahr, dass die momentane Ausgestaltung der Digitalisierung als Brandbeschleuniger bestehender gesellschaftlicher Ungerechtigkeiten wirkt. Eine sinnvolle, faire und nachhaltige Digitalisierung müsse im Dienst der Umwelt und der Menschen stehen. Sie müsse sich daran messen lassen, ob sie konkrete Beiträge zum Schutz der Menschenrechte, zu Klimaschutzzielen und zur Beendigung von Hunger und Armut leiste. „Bits & Bäume“ möchte Druck auf die Politik – auf nationaler, europäischer und globaler Ebene – aufbauen, um die notwendigen Rahmenbedingungen für die Transformation zu schaffen. Dafür wurde der ursprüngliche Forderungskatalog zur diesjährigen Konferenz um eine Vielzahl von politischen Maßnahmen weiter konkretisiert. Die Forderungen sind in fünf Blöcken geclustert:
Hier kommen die politischen Forderungen von 13 Organisationen aus Umweltschutz, Digital- und Entwicklungspolitik und Wissenschaft an die Bundesregierung, die Europäische Union und politische Akteur*innen weltweit, geclustert in fünf Hauptforderungen (bzw. Ziele), jeweils mit drei Beispielen für konkrete Maßnahmen:
1. Digitalisierung im Rahmen der planetaren Grenzen
Ziel: Digitale Infrastrukturen und elektronische Geräte müssen klimaneutral hergestellt und betrieben werden.
- Ein digitaler Produktpass mit Angaben zum Beispiel zu Emissionen und Rohstoffen soll Transparenz über die gesamte Wertschöpfungskette gewährleisten.
- Funktionen wie Autoplay sollen beschränkt werden, um das Wachstum von Datenströmen zu reduzieren.
- Hardware muss langlebig und recyclebar sein, jegliche Betriebssysteme und Software müssen auf allen Geräten laufen können.
2. Globale Gerechtigkeit und regionale Selbstbestimmung
Ziel: Digitaler Wandel unterstützt ein global gerechtes und nachhaltiges Wirtschaftssystem.
- Regionale Selbstbestimmung: Lokale Gemeinden, zivilgesellschaftliche Gruppen und indigene Völker sollen an der Gestaltung der globalen Digitalwirtschaft und -politik beteiligt werden.
- Eine faire digitale Wirtschaftsordnung soll die Kluft zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden durch Wissens- und Technologietransfer verringern.
- Digitalisierung der Landwirtschaft: Kleinwirtschaftliche Landwirt*innen müssen technisch unabhängig von Plattform-, Saatgut- und Landmaschinenkonzernen agieren können.
3. Umverteilung technologischer Gestaltungsmacht, Demokratie und Teilhabe
Ziel: Es sollen bessere Rahmenbedingungen zur Kontrolle digitaler Monopole und zur Demokratisierung der digitalen Welt geschaffen werden.
- Geschäftsmodelle und staatliches Handeln, die auf dem Tracking/der Profilbildung oder anderweitig komplexen Verhaltensanalysen aufbauen, sollen verboten werden.
- Demokratische Steuerungs- und Teilhabemöglichkeiten sowie gemeinwohlorientierte Geschäftsmodelle sollen gefördert werden.
- Eine Reform des Wettbewerbs- und Kartellrechts soll bewirken, dass sich keine digitalen Monopole bilden und bestehende aufgelöst werden.
4. Gerechte Digitalisierung, nachhaltige Technikgestaltung und soziale Fragen
Ziel: Digitaler Wandel zielt auf soziale und ökologische Gerechtigkeit und Frieden.
- Digitale Technologien und ihre Nutzung müssen stets daran ausgerichtet werden, langfristige Friedensbestrebungen zu unterstützen. Diesbezügliche Ge- und Verbote müssen zwingend in einer internationalen Konvention geregelt werden (Beispiel: Export bewaffneter Drohnen).
- Kommunikationsplattformen müssen jeder Form von Diskriminierung, Hass und Gewalt gegen marginalisierte Gruppen aktiv entgegenwirken.
- Das Patent- und Urheberrecht soll neu ausgerichtet (faire Ausgleichsmodelle schaffen) und die Vorratsdatenspeicherung abgeschafft werden.
5. Schutz digitaler Infrastruktur und IT-Sicherheit
Ziel: IT-Sicherheit dient dem Schutz einer nachhaltigen Demokratie.
- E-Government soll ein kostenloses und freies bundesweites System für sichere Signierung und Authentifikation gewährleisten.
- IT-Sicherheitslücken dürfen nicht länger von Behörden ausgenutzt werden (Beispiel: Trojaner-Einbau).
- Für die IT-Sicherheit und die langfristige Nutzbarkeit digitaler Produkte müssen Mindeststandards sichergestellt werden.
* Brot für die Welt, BUND, Chaos Computer Club, Deutscher Naturschutzring, Einstein Center, Forum Informatiker*innen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung, Free Software Foundation Europa Germanwatch, Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, Konzeptwerk Neue Ökonomie, Open Knowledge Foundation Deutschland, Technische Universität Berlin, Weizenbaum Institut
** u. a. Deutsche Bundesstiftung Umwelt und Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz. Germanwatch und das Forum Informatiker*innen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung werden von der Stiftung Mercator gefördert.
Bits & Bäume 2022
„Bits & Bäume 2022“ ist die zweite Konferenz für Digitalisierung und Nachhaltigkeit, die von 13 Organisationen aus Umweltschutz, Digital- und Entwicklungspolitik und Wissenschaft gemeinsam mit einer engagierten Community veranstaltet wird. Sie sind der Überzeugung, dass es politische Veränderungen braucht, damit die Digitalisierung besser zum drängenden sozialen und ökologischen Wandel beiträgt. Dafür haben sie einen Forderungskatalog für die Bundesregierung, die Europäische Union und politische Akteur*innen weltweit entwickelt.
bits-und-baeume.org/