Was ist Sustainable Finance?
Ein Finanzsystem erscheint auf den ersten Blick weder besonders klimafreundlich noch klimafeindlich. Doch wohin Investitionsströme fließen, wirkt sich auf das Klima aus – etwa wenn emissionsreiche Industrien finanziert werden. Mit „Sustainable Finance“ hat sich ein neuer Ansatz gebildet, um das Finanzsystem als Ganzes nachhaltiger zu gestalten. Was es damit auf sich hat, erklären wir hier.
Was genau ist „Sustainable Finance“?
Der Begriff „Sustainable Finance“ heißt so viel wie „nachhaltiges Finanzsystem“. Damit ist gemeint, dass sich Akteure und Akteurinnen am Markt mit ihren Investitionen gleichzeitig für den Klimaschutz einsetzen. Aber auch soziale Aspekte wie faire Arbeits- und Produktionsbedingungen stehen im Fokus von Anbieter*innen nachhaltiger Finanzprodukte. Unterschiedliche Länder und Finanzinstitutionen haben eine ganze Reihe an Definitionen und Labels für Nachhaltigkeit entworfen, was für Verwirrung am Markt sorgen kann.
Welche Rolle spielt die EU?
Bislang ist selbst auf EU-Ebene noch nicht eindeutig definiert, was als nachhaltig bezeichnet werden kann. Die EU-Kommission will feste Kriterien für eine Klassifizierung erarbeiten. Spätestens Ende 2021 soll dies passiert sein. Hintergrund: Die Europäische Investitionsbank (EIB) will ab Ende dieses Jahres alle Finanzierungen an die Ziele der Pariser Vereinbarung anpassen und bis 2030 eine Billion Euro für Klimaschutzmaßnahmen und umweltfreundliche, nachhaltige Investitionen bereitstellen. Ende 2019 verständigten sich die Mitgliedstaaten auf eine vorläufige Definition von Nachhaltigkeit. Kohlekraft fällt immer raus, bei Gaskraftwerken hängt es von der CO2-Bilanz im Einzelfall ab, zum Beispiel durch Beimischung von Biogas zum Erdgas. Die „No-Harm-Prinzipien“ der EU besagen: Ein nachhaltiges Investment darf die Umwelt auch abseits der Treibhausgase nicht gefährden.
Wie wichtig sind nachhaltige Finanzprodukte am Markt aktuell?
Nachhaltiges Investieren ist keine Modeerscheinung mehr. Rund 150 nachhaltige Indexfonds und ETFs sind in Deutschland zugelassen, ständig kommen neue Produkte hinzu. Allerdings bewegt sich laut dem Verbraucher-Ratgeber Finanztip der Anteil an nachhaltigen Anlagen gemessen am Gesamtinvestitionsvermögen bislang erst im einstelligen Prozentbereich. ETFs folgen einem bestimmten Index, zum Beispiel der Weltwirtschaft (MSCI World) oder Schwellenländern (MSCI Emerging Markets). Diese gibt es in mehr oder weniger Grün. Dabei analysieren Expert*innen die Firmen nach ESG-Kriterien (ESG steht für „Environmental, Social, Governance“, auf Deutsch „Umwelt, Soziales, Unternehmensführung“). Oftmals werden gewisse Industrien von vornherein ausgeschlossen, etwa Tabak, Alkohol, Rüstung, Kohle- und Kernenergie oder Glücksspiel.
Sind deutsche Investoren grün?
Eine Studie im Auftrag der Unternehmensberatung BearingPoint kam Anfang des Jahres 2020 zu dem Ergebnis, dass bei Finanzprodukten das ökologische Gewissen der Deutschen aufhört. Wichtiger seien beim Kauf von Aktien und Anleihen die Aspekte Sicherheit, Rendite und Höhe der Dividende. Lediglich für vier Prozent der Befragten sei die ökologische Nachhaltigkeit das wichtigste Kriterium bei der Investitionsentscheidung, so die Studie. Aber: Je jünger die Befragten, desto eher waren sie bereit, zu einer Bank zu wechseln, die verstärkt in nachhaltige Produkte investiert.
Wie sicher sind grüne Finanzprodukte?
Grundsätzlich gilt: Ökologische Geldanlagen bergen die gleichen Chancen und Risiken wie konventionelle Investments. Wie hoch die Ertragschancen, aber auch die Risiken sind, hängt dabei in erster Linie von der Anlageform ab. Wie bei jeder Investmentoption gilt: Eine höhere Renditeerwartung birgt in der Regel auch ein höheres Risiko. Der Finanzexperte John E. Morton argumentiert, dass nicht-ökologische Anlagen riskanter sind, weil sie nicht zukunftsfähig sind – und somit grüne Portfolios sicherer sind.
Wie sieht die Zukunft der Sustainable Finance aus?
Ab nächstem Jahr müssen Bankangestellte und Vermögensverwalter*innen Kund*innen zu ihren Vorstellungen zu nachhaltigen Investments befragen und passende Produkte vorschlagen. Ab März 2021 haben große Versicherungen und Fondsgesellschaften umfassende Transparenzpflichten. Sie müssen dann die ESG-Risiken ihrer Portfolios offenlegen. Besonders institutionelle Investoren sehen inzwischen klare Vorteile in der Nachhaltigkeitsthematik: Es geht nicht mehr um Greenwashing oder Wohltätigkeit, sondern um eine interessante Investmentchance in einem sich wandelnden politischen Umfeld. Der „European Green Deal“ der Europäischen Kommission etwa sieht vor, dass die Mitgliedstaaten der Union bis 2050 klimaneutral wirtschaften, also netto kein Treibhausgas mehr ausstoßen. Dieses politische Umfeld bietet daher sehr gute ökologische Investitionschancen.
Wissenschaftsplattform Sustainable Finance
Die von der Stiftung Mercator geförderte Wissenschaftsplattform Sustainable Finance ist ein Kooperationsnetzwerk aus fünf deutschen Forschungseinrichtungen. Ihr Ziel ist es, gesellschaftliche, politische und privatwirtschaftliche Fragestellungen zu Sustainable Finance mit Forschungswissen zu unterstützen sowie im politisch-öffentlichen Diskurs beratend tätig zu sein.