Klimagipfel in der Nachspielzeit
Kommende Woche beginnt in New York der UN-Sondergipfel zum Klimaschutz. Brigitte Knopf vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) hat in einem Expertengremium die Konferenz mit vorbereitet. Dort stieß sie auf ein Problem, das typisch für die Debatte über den Klimawandel ist.
Seinen Auftrag hat UN-Generalsekretär António Guterres klar formuliert. „Ich möchte wissen, wie wir den Anstieg der Emissionen bis 2020 stoppen, und wie wir sie dramatisch reduzieren, um bis Mitte des Jahrhunderts Netto-Null-Emissionen zu erreichen“, sagte er. Damit das beim kommenden Klimagipfel in New York gelingen kann, setzte er im Frühjahr zur Vorbereitung ein internationales Expertengremium ein, die Climate Science Advisory Group. Als einzige Deutsche ist Brigitte Knopf vom Berliner Klimaforschungsinstitut MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) dabei.
„Ich habe den Eindruck, dass Guterres dieser Gipfel ganz besonders wichtig ist“, berichtet Knopf. Schließlich sei die kommende Klimakonferenz anders als die vorherigen ausgerichtet: „Es wird diesmal nicht um neue Ziele gehen, es wird nicht wie bisher einen vieldiskutierten Abschlussbericht geben.“ Im Fokus stünden vielmehr konkrete Vorschläge, wie die bislang vereinbarten Ziele erreicht werden können. „Im Vorfeld bereiten verschiedene Akteure wie Staaten oder Städte konkrete Initiativen vor. Die besten werden auf dem Gipfel vorgestellt und es sollen sich möglichst viele Länder anschließen.“ Das sei ein vielversprechender Ansatz, sagt Knopf: „Ich verspreche mir davon deutlich mehr Dynamik als von den vorherigen Klimagipfeln.“
Initiativen bewerten
Brigitte Knopf ist Generalsekretärin am MCC. Die 46-jährige promovierte Physikerin beschäftigt sich besonders mit der Implementierung des Klima-Abkommens von Paris auf deutscher und internationaler Ebene. Seit März tauscht sie sich zusätzlich mit dem internationalen Team der Science Advisory Group aus, meistens bei virtuellen Treffen.
Drei Aufgaben habe das Gremium bekommen, berichtet Knopf. Erstens soll es alle UN-Klimaberichte zusammenfassen. „Die politischen Akteure sind überfordert von den vielen Zahlen und Statistiken. Wir sollen auf rund zehn Seiten das Wesentliche zusammenstellen.“ Zweitens soll das Team für kurzfristige Rückfragen des UN-Generalsekretärs zur Verfügungen stehen und drittens die konkreten Initiativen der Staaten wissenschaftlich untersuchen und bewerten.
Ein Beispiel könne sie nicht nennen, „wir arbeiten ja vertraulich“, sagt Knopf. Aber sie kann den Mechanismus erklären: Um beispielsweise eine CO2-neutrale Mobilität in Städten zu erreichen, muss die Infrastruktur verändert werden. „Wir schauen uns Initiativen von Städten an, die das machen wollen – und bewerten dann, ob diese Maßnahmen ausreichen.“
Ob das immer so gut ankommt? „Unsere Rolle ist schon schwierig“, erzählt Knopf. „Ich habe den Eindruck, dass manche uns als eine Art Aufpasser wahrnehmen, das ist undankbar. Aber wir haben auch viele gute Kontakte aufgebaut, zum Beispiel zu Städten, die gemeinsam Initiativen starten wollen.“ Das Ziel sei dann, möglichst viele Akteure davon zu überzeugen, sich anzuschließen.
In der Zwitter-Rolle
Die Zusammenarbeit mit den internationalen Kolleg*innen funktioniere richtig gut, blickt Knopf zurück. „Ich erlebe allerdings ein Problem, das typisch ist für das Klimathema: die Diskrepanz zwischen Natur- und Sozialwissenschaften.“ Auch innerhalb der Climate Science Advisory Group sei eine Sicht prägend: „Ich höre oft heraus, dass die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse zum Klimawandel eben wissenschaftliche Ergebnisse seien. Die sozialwissenschaftliche Diskussion über Maßnahmen seien hingegen eher Meinungen, keine Wissenschaft.“ Brigitte Knopf seufzt. „Ich habe eine Zwitter-Rolle: Ich bin ja gelernte Physikerin, arbeite aber seit zehn Jahren mit ökonomischen Forschungsergebnissen. Wir können wissenschaftlich untersuchen, wie welche Maßnahmen zu bewerten sind.“
Wie erfolgreich die Arbeit der Science Advisory Group sei, lasse sich erst nach dem Gipfel sagen, erklärt Knopf. „Wir haben eine Plattform geschaffen, systematisch über verschiedene Initiativen zu sprechen, das ist auf jeden Fall ein Erfolg.“
Wir Klimaexperten sind nun aus der wissenschaftlichen Nische herausgekommen.
Die „Fridays for future“-Proteste und die dadurch angestoßene Klima-Debatte habe die Arbeit in dem Expertengremium übrigens nicht beeinflusst, sagt Knopf. „Auch vor Gretas Schulstreik war der Handlungsdruck schon sehr groß.“ Ganz anders sei das in ihrem privaten Umfeld. „Auch in meinem Freundeskreis ist der Klimawandel jetzt ein prominentes Thema. Ich werde plötzlich bei privaten Besuchen angesprochen: Du, erklär doch mal, wie das mit einem CO2-Preis eigentlich funktionieren kann.“
Die Stimmung habe die Debatte in Deutschland verändert: „Wir Klimaexperten sind nun aus der wissenschaftlichen Nische herausgekommen.“ Die Chancen stünden gut, dass auch in der Politik etwas in Bewegung komme: „Um es in der Fußballsprache zu sagen: Der Ball liegt auf dem Elfmeterpunkt. Er muss nur verwandelt werden, wobei das ja manchmal nicht so einfach ist wie gedacht.“
Nun alles nach vorne werfen
Passt dieses Bild eigentlich auch auf den kommenden Klimagipfel? „Nein“, sagt Knopf und denkt einen Moment nach. „Ich will es so sagen: Das Spiel ist eigentlich zu Ende. Wir haben bisher nicht genug getan, um die Ziele des Pariser Klimagipfels zu erreichen. Jetzt sind wir sozusagen in der Nachspielzeit. Wir müssen nun alles nach vorne werfen, um das Ziel noch zu erreichen.“
Das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change befasst sich mit den großen Herausforderungen des Klimawandels und der Nutzung globaler Gemeinschaftsgüter.