Aufstieg durch Kulturelle Bildung – ein persönliches Plädoyer

Impression vom Forum Kreativpotentiale 2022.
Aufstieg durch Kulturelle Bildung – ein persönliches Plädoyer
Autorin: Karin Prien 24.05.2022

Kulturelle Bildung lässt sich nicht nur in einem bestimmten Raum, einer Institution, oder einem Verein verorten. Sie findet auf vielen Ebenen statt. Warum genau diese Vielfalt so relevant ist, erklärt unsere Gastautorin Karin Prien, Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein.

2022 hat Schleswig-Holstein die Präsidentschaft der Kultusministerkonferenz übernommen. Das Programm der Präsidentschaft haben wir unter die Überschrift „Lernen aus der Pandemie“ gestellt, da die vergangenen Jahre uns mit Nachdruck gezeigt haben, wie vielfältig die Herausforderungen für die Bildungspolitik im 21. Jahrhundert sind.

Aus Herausforderungen ergibt sich Gestaltungswille

Meine persönliche Motivation, mich für Bildungsgerechtigkeit und die nachhaltige Verankerung Kultureller Bildung auf der politischen Agenda sowie in der Praxis von Schule und Kultur einzusetzen, ist größer denn je. Zudem: Die Pandemie hat nicht nur negative Auswirkungen gehabt.

© Frank Peter

Karin Prien ist Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Schleswig-Holstein. Sie ist die Präsidentin der Kultusministerkonferenz im Jahr 2022.

Die Transformation zur digitalen Bildungsgesellschaft ist in der Zeit der Krise vorangeschritten und die Ressorts Bildung, Wissenschaft und Kultur sind enger zusammengerückt.
Wir haben beispielhaft gesehen, wie sie voneinander lernen können – wie Forschungsergebnisse direkten Einfluss auf unsere Konzepte und unser (Um-)Denken nehmen, wie kulturelle Praxis kreative neue Zugänge eröffnet und vorlebt – und wie dadurch die Kulturelle Bildung an Teilhabe, Qualität und Relevanz gewinnt.
In den vergangenen zehn Jahren hat der Rat für Kulturelle Bildung das Feld mit unverzichtbaren Erkenntnissen aus künstlerischer und wissenschaftlicher Perspektive belebt. Er hat mit seinen Publikationen immer wieder die unbequeme Frage nach der Qualität der Kulturellen Bildung in Deutschland gestellt und den Weg in die Zukunft einer reichhaltigen und zugänglichen Bildungslandschaft, in der kulturelle Teilhabe ein Gemeingut sein soll, vorgezeichnet. Die Ergebnisse des Rates sind nun ein gewichtiges Vermächtnis für die Kultusministerkonferenz. Das diesjährige Forum Kreativpotenziale 2022 „Kulturelle Bildung – Bildung der Zukunft“ hat eindrucksvoll bewiesen, wie viele Akteur*innen dem Ziel der Transformation bundesweit verpflichtet sind.

Traditionen aufbrechen

Wenn wir Kulturelle Bildung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrnehmen, gilt dasselbe auch für alle ihre Teilbereiche. Die Allgegenwärtigkeit von Kultur macht es notwendig, dass sie über die traditionellen Bildungseinrichtungen wie Schulen und außerschulische Bildungsträger*innen hinaus zur ästhetischen und gesellschaftlichen Bildung beiträgt: an Orten ihrer Aufführung und gemeinschaftlichen Ausübung.

Kulturelle Bildung findet mittlerweile an verschiedensten Kulturorten statt: an Bildungsorten, Lernorten, Begegnungsorten. Bibliotheken, Museen, Musik- und Kunstschulen sowie soziokulturelle Zentren sind fester Bestandteil der kommunalen Bildungslandschaften, während auch Theater, Konzert- und Literaturhäuser, Festivals und Kunstvereine die Kulturelle Bildung immer mehr als Kerngeschäft verstehen. Neben diesen traditionellen Träger*innen von Kultur und Bildung spielt auch der digitale Raum eine immer größere Rolle.

Foto des des Forums Kreativpotentiale
Impression des Forums Kreativ Potentiale 2022 © Neues Handeln/ O.Malzahn

Digitale Angebote von Orten, die der Pflege von Kultur verpflichtet sind, erweitern die Teilhabe. Plattformen, die dem inhaltlichen Austausch über ästhetische Praktiken dienen, verbessern die Ideenfindung und bilden die Grundlage für neue Vermittlungsformen. Vermittlung, Rezeption und Teilhabe werden zusammengeführt und historisch gewachsene Gegensätze überwunden. Ein Gesellschaftsentwurf, der kulturelle Teilhabe als eine seiner zentralen Aufgaben begreift, zielt auch auf eine digitale Teilhabe ab, die das regionale Angebot kultureller Bildung durch hybride und rein digitale Angebote ergänzt, erweitert und transformiert.

Ministerin Karin Prien, Präsidentin der Kultusministerkonferenz, eröffnete das Forum Kreativpotentiale mit einer Keynote. ©  Land S.-H. / O.Malzahn

Teilhabe bedeutet Austausch

Die Vorbedingung für ganzheitliches Lernen im Sinne einer fruchtbaren Kulturellen Bildung ist also immer noch die Verbesserung und Erweiterung von Teilhabe. Denn Teilhabe bedeutet immer auch Austausch, Verbundenheit und friedliche Kommunikation. Sie ermöglicht es den Kindern und Jugendlichen, in und außerhalb von Schule wesentliche Kompetenzen für das 21. Jahrhundert zu entwickeln. Und sie geht über die Vermittlung von Wissen und kognitiven Kompetenzen in schulischen Kernfächern weit hinaus.

Vielmehr bezieht sie sich auf sämtliche Lern- und Entwicklungsprozesse, die zu Selbstbestimmung, Selbstwahrnehmung und Selbstwirksamkeit in der Gesellschaft beitragen. Sie ermöglicht die Herausbildung der eigenen Wahrnehmungs- und Urteilsfähigkeit und befördert die Reflexion. In Zeiten von Hate-Speech und Fake-News sind das zentrale Bedingungen, um souverän als politischer und demokratischer Mensch agieren zu können.
Kulturelle Bildung sorgt also auf drei verschiedenen Ebenen für die Aus-prägung wesentlicher Kompetenzen: der Ebene der Persönlichkeit des Menschen, der Ebene der sozialen Akteurin / des sozialen Akteurs sowie der Ebene der (digitalen) Vernetzung der Menschen. Sie ermöglicht demnach die Entwicklung der Persönlichkeit, die soziale Teilhabe durch Ausbildung demokratischer Kompetenzen sowie die aktive Partizipation an Prozessen der Vernetzung, unter anderem durch den Erwerb digitaler Transformationskompetenzen.

Erfolgreiche Bildung bedeutet, dass wir Kindern, egal, woher sie kommen, die Chance geben zu zeigen, was in ihnen steckt.

Wir müssen Bildungsstrukturen verbessern

Neben diesen inhaltlichen Herausforderungen, mit denen qualitativ hochwertige Kulturelle Bildung sich ständig auseinandersetzt und die sie täglich zu meistern hat, ist es zentral, dafür zu sorgen, dass sie auch in der Breite der Gesellschaft ankommt.

Erfolgreiche Bildung bedeutet, dass wir Kindern, egal, woher sie kommen, die Chance geben zu zeigen, was in ihnen steckt. Die Verbesserung von Bildungsstrukturen zahlt im Idealfall auf die Förderung jedes einzelnen Kindes ein, und das von Anfang an: Sie ermöglicht den Aufstieg durch Bildung für mehr Bildungsgerechtigkeit.
Wenn wir diesen Idealen weiter treu bleiben, werden wir irgendwann zurückblicken und feststellen, dass wir durch unsere gemeinsamen Anstrengungen für die Kinder und Jugendlichen von morgen unser Ziel erreicht haben: mehr Chancengleichheit und eine qualitativ hochwertige, nachhaltig abgesicherte Teilhabe an Kultureller Bildung für alle.

Kreativpotentiale

Das Rahmenprogramm der Stiftung Mercator hat das Ziel, kulturelle Bildung nachhaltig in den Schul­strukturen zu verankern. Die Stiftung unter­stützt die Bundes­länder dabei, landes­eigene Programme zu entwickeln, die im Schul­system implementiert werden.

www.kreativpotentiale.de