Migration: Mit Fakten gegen Vorurteile
Sei es im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine oder den Seenot-Rettungsaktionen auf dem Mittelmeer: Insbesondere, wenn es um Geflüchtete geht, werden die Diskussionen mitunter unsachlich geführt. Zu derartigen Themen überprüfbare Fakten bereitzustellen ist die Aufgabe des Mediendienstes Integration (MDI), der sich in den Politikfeldern Migration und Integration als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Journalismus sieht. Geschäftsführer Dr. Mehmet Ata freut sich, wie gut das Angebot angenommen wird.
„Wir finden es spannend, als Vermittlungsinstanz zu arbeiten“, so Ata, der seit 2016 die Redaktion des MDI leitet. „Meine tägliche Motivation ist die Frage: Wie können wir guten Service für andere leisten?“ Um Journalist*innen und Interessierte mit Informationen zu versorgen, hat der Mediendienst seine Arbeit auf mehrere Säulen gestellt: Website, Veranstaltungen, Kontaktvermittlung, E-Learning und Netzwerkarbeit. Dafür steht aktuell ein insgesamt 15-köpfiges Team bereit.
Die Website ist in erster Linie eine laufend aktualisierte Informationsplattform für Journalist*innen zu den Themen Flucht, Migration und Diskriminierung. In Themendossiers bündelt sie relevante Zahlen und Fakten, Hintergründe, Verweise auf Ansprechpersonen, Originalquellen sowie Interviews und Gastbeiträge von Expert*innen.
Blick über Grenzen hinaus
Mehmet Ata veranschaulicht seine Arbeit am Beispiel des Kriegsausbruchs in der Ukraine. „Als Mediendienst müssen wir schnell reagieren können. Wir haben sofort die Arbeit im Team aufgeteilt und ein sehr umfangreiches Themendossier erstellt.“ Darin geht es unter anderem um die rechtliche Situation der Geflüchteten aus der Ukraine, die anders ist als bei Flüchtlingen aus anderen Ländern. Entsprechend groß ist der Bedarf an Wissen. Ata: „Wir haben zu dem Thema mehrere Veranstaltungen organisiert und Hintergrundgespräche geführt.“
Die Arbeit des MDI endet nicht an der deutschen Staatsgrenze. Auch in anderen europäischen Ländern arbeiten Organisationen an der Schnittstelle von Medien und Migration. 2018 lud der Dienst zum Kick-off-Event nach Berlin und koordiniert seither die Arbeit des Netzwerkes #MediaMigrationEurope. „Das hat uns auch im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg sehr geholfen. So erfahren wir aus erster Hand, was aktuell in anderen europäischen Ländern geschieht“, so Ata.
Dr. Mehmet Ata
ist ein Kind des Ruhrgebiets: Die Eltern beide in der Türkei geboren, kam er 1982 in Bochum zur Welt. „Natürlich spielten mein eigener Migrationshintergrund und meine persönlichen Erfahrungen eine Rolle bei der Berufswahl“, sagt er. Sein Studium der Kommunikationswissenschaft absolvierte er in Essen und promovierte 2006 am germanistischen Seminar der philosophischen Fakultät in Siegen zum „Mohammed-Karikaturenstreit in den deutschen und türkischen Medien“. Nach einigen Jahren als Journalist wurde Ata Pressesprecher des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, bevor er 2016 zum MDI stieß.
Exklusiv für Journalist*innen bietet der MDI mehrere Veranstaltungsformate an, zum Beispiel Pressegespräche, in denen Expert*innen unterschiedliche Perspektiven zu einem bestimmten Thema beleuchten, oder MDI-Mitarbeitende besuchen gemeinsam mit Fachleuten Redaktionen für Hintergrundgespräche. Grundsätzlich sind die Mitarbeitenden des MDI bundesweit unterwegs, aber im Zuge der Coronapandemie wanderten viele Veranstaltungen ins Internet. Mehmet Ata erzählt: „Seit März betreiben wir – in Kooperation mit der TU Dortmund – eine E-Learning-Plattform für Journalist*innen. Das ist absolutes Neuland für uns, sowohl technisch als auch didaktisch.“ Die Fortbildung umfasst 20 Module zu Themen wie Geschichte der Migration, Arbeitskräftezuwanderung, Islam in Deutschland und Asyl in Deutschland. Ein Modul ist 60 bis 90 Minuten lang und enthält viele Videos, Übungen, Quellen und Checklisten für den redaktionellen Alltag. „Das Feedback ist überaus positiv“, erklärt Mehmet Ata.
Seine Arbeit sieht der 40-Jährige als dynamischen Prozess: „Wir versuchen, immer wieder neue Wege zu finden, siehe E-Learning oder Europäisierung. Die schönsten Momente sind für mich, wenn unsere Veranstaltungen dazu führen, dass in der Folge die Themen in der Öffentlichkeit aufgegriffen werden und die Debatte verstärkt geführt wird. Das haben wir zum Beispiel bei den Themen Kriminalität und Migration oder Corona und Migration erlebt.“ Der Erfolg gibt seinen Bemühungen recht. Seit seiner Gründung im Jahr 2012 wird der Mediendienst zunehmend wahrgenommen: Immer häufiger wird er bei integrationsrelevanten Themen in den Medien zitiert, die Zahl der Veranstaltungen und die Zugriffszahlen auf die Website steigen kontinuierlich.
Ein Thema, das in den vergangenen Jahren an Gewicht gewonnen hat, ist Rassismus. Ata: „Dass Rassismus als Diskussionsthema größer wird, ist erst einmal ein gutes Zeichen. Denn es bedeutet, dass wir mehr darüber sprechen und mehr Betroffene zu Wort kommen. Das ist übrigens auch eine Generationenfrage. Jüngere Menschen sind viel sensibler dafür, weil sie den Anspruch haben, ein selbstverständlicher Teil dieser Gesellschaft zu sein. Diesen Anspruch hatte die erste Einwanderungsgeneration nicht immer. Also sind heute die Erwartungen und Konflikte andere.“ Fällt es ihm manchmal schwer, neutral zu bleiben? „Nein“, erwidert Mehmet Ata. „Wir wollen ja auch Debatten abbilden. Nicht bei Fakten natürlich, aber bei kontrovers diskutierten Themen unbedingt.“
Mediendienst Integration (MDI)
Die Informationsplattform Mediendienst Integration (MDI) ist ein Projekt des Rats für Migration e. V. (RfM), einem bundesweiten Zusammenschluss von Migrationsforscher*innen. Gegründet 2012, setzt er sich für eine differenzierte Debatte über die Politikfelder Migration und Integration ein.