„Schwerste Krise des trans­atlantischen Verhältnisses“

Zwei Wegweiser, EU und USA, weisen in entgegengesetzte Richtungen.
„Schwerste Krise des trans­atlantischen Verhältnisses“
Autor: Matthias Klein 28.06.2018

Unter Präsident Trump sei die amerikanische Außenpolitik schizophren geworden, sagt Constanze Stelzenmüller, Senior Fellow am Brookings Institution Washington D.C., im Interview. „Der Präsident will das eine – seine Berater, seine Bürokraten oder der Kongress wollen etwas anderes.“ Dieses andauernde Kräftemessen sei destabilisierend für den Rest der Welt.

Frau Stelzenmüller, seit Donald Trumps Amtsantritt ist sein Regierungsstil in aller Munde. Wie sehr hat er das transatlantische Verhältnis verändert?

Constanze Stelzenmüller: Präsident Trump hat die schwerste Krise des transatlantischen Verhältnisses ausgelöst, die ich bisher erlebt habe. Beim Jugoslawien-Krieg, dem Irak-Krieg, dem Libyen-Einsatz, Syrien: Immer ging es in den Streitigkeiten zwischen Amerika und Europa um die Frage der Mittel. Nun geht es erstmals darum, ob das westliche Bündnis für die Hardliner in dieser Regierung überhaupt noch ein Wert an sich ist. Gleichzeitig aber versuchen Teile der Bürokratie und des Kongresses mit mehr oder weniger Erfolg, Amerikas Bindung an Europa zu retten.

Constanze Stelzenmüller

Constanze Stelzenmüller ist Senior Fellow am Brookings Institution Washington D.C

Beim G7-Gipfel im Juni zog Trump die Zustimmung zur Abschlusserklärung zurück. Wendet sich Trump grundsätzlich vom Multilateralismus ab?

Stelzenmüller: Dass Amerika nach dem Ende eines Gipfels nachträglich seine Zustimmung zur Abschlusserklärung zurückzieht, ist noch nie dagewesen. Und in der Tat scheint der Präsident generell eine Abneigung gegen multilaterale Abkommen zu haben. Ob es das Pariser Klimaabkommen, das Iran-Abkommen, Handelsabkommen oder Militärbündnisse sind: Stets scheint Trump das Gefühl zu haben, dass Amerika von seinen Partnern ausgenutzt oder gar betrogen wird.

Seit Jahrzehnten stehen die USA für die Garantie einer liberalen Weltordnung. Steht dieses Prinzip unter dem Präsidenten Trump in Frage?

Stelzenmüller: Es ist leider schon ein wenig auffällig, wie sehr sich dieser Präsident für Diktatoren und Autokraten erwärmen kann: Rodrigo Duterte (Philippinen), Xi Jinping (China), Kim Jong Un (Nordkorea), Wladimir Putin (Russland): Über sie alle hat Trump warme Worte verloren, ihnen allen hat er Freundschaft angeboten – die eigene und Amerikas. Was diese neuen Freunde gemeinsam haben, ist ihre Ablehnung einer US-geführten liberalen Weltordnung. Sollte sich Amerika unter Trumps Führung tatsächlich von dieser Rolle abwenden, würden sie am meisten profitieren.

Sind die USA noch ein verlässlicher Partner?

Stelzenmüller: Unter Trump ist die amerikanische Außenpolitik schizophren geworden. Der Präsident will das eine – seine Berater, seine Bürokraten oder der Kongress wollen etwas anderes. Dieses andauernde Kräftemessen, bei dem mal die eine und mal die andere Seite siegt, ist beunruhigend und destabilisierend für den Rest der Welt. Ganz besonders gilt das derzeit für Europa.

Inwiefern verändert sich durch Trumps Politik die Rolle der EU in der Welt?

Stelzenmüller: Es ist inzwischen überdeutlich, dass wir- wie es Bundeskanzlerin Angela Merkel einmal in ihrer gewohnt nüchternen Art in einer Wahlkampfrede gefordert hat – nun “unser Schicksal ein Stück weit selber in die Hand nehmen müssen”. Sowohl die Kanzlerin als auch Außenminister Heiko Maas haben kürzlich interessante Antworten auf die großen europäischen Visionen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron vorgelegt. Aber in den letzten Jahren, vor allem seit der weltweiten Finanzkrise, ist Europa politisch immer gespaltener und gelähmter geworden.

Was bedeutet das für die Rolle Deutschlands?

Stelzenmüller: Als Mittelmacht in einem Europa, das gerade den Brexit bewältigt, und Frankreich, das vollauf mit internen Reformen beschäftigt ist, hat Deutschland enorme Gestaltungsmacht und Verantwortung gegenüber seinen kleineren Nachbarn, die in vielerlei Hinsicht von ihm abhängig sind. Aber derzeit scheinen wir mehr mit uns selber beschäftigt zu sein als mit dem Rest der Welt.