Bits & Bäume – Christoph Bals zieht Bilanz nach fünf Jahren

Mann steht vor einer dunklen LED-Wand
Bits & Bäume – Christoph Bals zieht Bilanz nach fünf Jahren
Autorin: Valeska Zepp 14.11.2023

Wie kann die Digitalisierung im Rahmen der planetaren Grenzen gelingen? Um diese Kern­frage dreht sich die Arbeit des Netzwerkes Bits & Bäume. 13 Träger­organisationen aus Umwelt­schutz, Digital- und Entwicklungs­politik und Wissenschaft wollen die Digitalisierung nach­haltig gestalten. Nach fünf Jahren zieht Mitbegründer Christoph Bals Bilanz. Mit AufRuhr spricht er über den Roh­stoff­bedarf der Digitalisierung, Bürger*innen als Prosumer*innen und über die Vorteile digitaler Treffen.

AufRuhr: Christoph Bals, Sie haben die Initiative Bits & Bäume 2018 mit gegründet und blicken als politischer Geschäfts­führer der Umwelt-, Entwicklungs- und Menschen­rechts­organisation Germanwatch auf jahr­zehnte­langes Engagement zurück. Was hat Digitalisierung mit Klimaschutz zu tun?
Christoph Bals: Das ist eine ziemlich ambivalente Beziehung, bei der es darum geht, die positiven Potenziale gut zu nutzen und die Probleme so gut wie möglich einzudämmen. Das versuchen wir mit dem Netzwerk Bits & Bäume.

Was sind denn die Potenziale?
Die Digitalisierung ist innig mit den Transformations­prozessen verknüpft, die wir in praktisch allen Sektoren haben – Energie­wirtschaft, Gebäude, Verkehr, Industrie, Land­wirtschaft. Wir brauchen die Digitalisierung für den Klimaschutz. Schauen wir auf den Energie­bereich und die Hoffnung, dass Bürger*innen zu sogenannten Prosumer*innen werden, die also nicht nur Energie konsumieren, sondern auch produzieren. Dieser Prozess wird letztlich digital gesteuert werden. Für die Mobilität der Zukunft brauchen wir die Digitalisierung, wenn wir die Verkehrs­mittel gut aufeinander abstimmen wollen. Oder in der Land­wirtschaft ermitteln digitale Sensoren, wie viel gewässert und gedüngt werden muss. Dadurch lässt sich der Dünge­mittel­einsatz erheblich reduzieren.

Christoph Bals
© Germanwatch

Christoph Bals ist seit 1987 in verschiedenen Rollen in der Zivil­gesellschaft für den Klima­schutz aktiv. Er war 1991 Gründungs­mitglied der Umwelt- und Entwicklungs­organisation Germanwatch und ist seit 2006 ihr politischer Geschäfts­führer. Er engagiert sich für eine ambitionierte Klima­politik und hat etliche Initiativen für den Klima­schutz und die globale Gerechtigkeit mit auf den Weg gebracht, unter anderem die Klima-Allianz Deutschland, ein breites Bündnis von rund 150 Mit­glieds­organisationen.

Wo sehen Sie Probleme der Digitalisierung?
Die Digitalisierung ist auch ein Brand­beschleuniger der Klimakrise. Für die Herstellung von Smartphones, PCs und Servern braucht man Rohstoffe, deren Abbau zu massiven sozialen und ökologischen Problemen führt. Aber es geht auch um CO2-Emissionen, beispiels­weise durch den enormen Energie­verbrauch der Server­farmen. Zwei bis vier Prozent der CO2-Emissionen verursacht die Digitalisierung weltweit, mit einem starken Wachstum von ungefähr sechs bis acht Prozent pro Jahr. Wären es sieben Prozent, würde das alle zehn Jahre eine Verdoppelung an CO2-Emissionen bedeuten. Zusätzlich kann Digitalisierung auch indirekte Heraus­forderungen fürs Klima mit sich bringen, etwa indem sie beeinflusst, wie viel und was wir konsumieren oder wie wir Diskurse über die Klimakrise führen.

Die Konferenz für Digitalisierung und Nachhaltigkeit „Bits & Bäume“ 2022
Die Konferenz für Digitalisierung und Nachhaltigkeit „Bits & Bäume“ 2022 © Silke Mayer
Mann schreibt auf ein Flipchart
Wie können digitale Technologien und Klimaschutz zusammen gedacht werden? © Silke Mayer

Welche Rolle kann Bits & Bäume spielen?
2018 ist die Idee entstanden, dass die beiden agilen Bewegungen der Zivil­gesellschaft – die Tech-Szene und die Klima- und Umwelt­szene – effektiver zusammen­arbeiten sollten. Die Tech-Szene hatte sich bislang nicht intensiv mit den Klima- und Rohstoff­fragen aus­einander­gesetzt. Die Umwelt- und Klima­szene wiederum befasste sich nur am Rande mit dem Thema Digitalisierung. Damals organisierten zehn NGOs und eine ganze Reihe von engagierten Einzel­personen gemeinsam eine große Konferenz in Berlin – und nannten sie Bits & Bäume. Rund 2000 Menschen kamen. 2022 veranstalteten dann 13 Organisationen eine zweite Bits & Bäume-Konferenz mit deutlich mehr Teilnehmenden. Darüber hinaus gibt es viele Regional­gruppen. Bits & Bäume ist der Kristallisations­keim für verschieden­artige Kooperationen beider Bewegungen. Wir befinden uns klima­politisch im entscheidenden Jahr­zehnt der Transformation. Nach­haltigkeit und Digitalisierung sind Quer­schnitts­themen. Wir brauchen hier viel mehr Kooperation. Deshalb wollen wir diese beiden Bewegungen bündeln.

Eine der politische Forderungen von Bits & Bäume: Digitalisierung nachhaltig und zukunftsfähig gestalten.
Eine der politische Forderungen von Bits & Bäume: Digitalisierung nachhaltig und zukunftsfähig gestalten. © Silke Mayer

Wie gestaltet sich denn die Zusammen­arbeit?
Für mich war sehr eindrücklich, wie groß der Unterschied zwischen den Bits & Bäume-Konferenzen 2018 und 2022 war. Die von 2018 bot die Gelegenheit eines ersten Abtastens. In der zweiten Konferenz war dann echter Kooperations­wille zu sehen und die Erkenntnis: Ja, wir können eine ganze Menge voneinander lernen und große Fortschritte bei beiden Themen­komplexen machen, wenn wir kooperieren.

In welcher Rolle engagiert sich Germanwatch für Bits & Bäume?
Wir gehörten zu den Initiatoren und haben beide Konferenzen mit ausgerichtet. Seit August 2023 sind wir Gastgeber der neu ins Leben gerufenen Bits & Bäume-Koordinations­stelle. Von Haus aus beschäftigen wir uns als Umwelt- und Entwicklungs­organisation natürlich auch mit der Digitalisierung und haben eine ganze Reihe von Studien dazu veröffentlicht. Im Moment schauen wir uns das Rohstoff­thema im Detail an und bringen uns auch in Regulierungs­prozesse für die Digitalisierung ein.

Es gibt bei der Digitalisierung Hebel, mit denen wir mit wenig Aufwand sehr viel für den Klimaschutz gewinnen könnten.

Christoph Bals, Gründungsmitglied Germanwatch

Was macht die Koordinations­stelle genau?
Wir haben als Netzwerk gemerkt, dass es zwischen diesen beiden großen Bits & Bäume-Konferenzen zwar eine ganze Reihe interessanter Entwicklungen gab, aber vieles auch liegen geblieben ist. Wir hätten uns mehr in gesellschaftliche und politische Debatten einmischen und einbringen können. Aber es gab keine Kapazitäten und unklare Zuständig­keiten. Genau dafür haben wir diese Koordinierungs­stelle geschaffen: Wir wollen auch zwischen den Konferenzen als Netzwerk handlungs­fähig sein. Wir sind jetzt in einer sehr zeit­kritischen Phase. Derzeit werden die politischen Weichen für eine demokratische und nachhaltige Ausgestaltung der Digitalisierung gestellt. Gleich­zeitig gibt es bei der Digitalisierung Hebel, mit denen wir mit wenig Aufwand sehr viel für den Klima­schutz gewinnen könnten.

Zum Beispiel?
Die Speicherplatzbelegung in den Clouds ist sehr energie­intensiv. Wir könnten den Energie­verbrauch deutlich reduzieren, etwa wenn Clouds mit Solar- und Wasser­kraft betrieben würden. Auch bei den Regulierungen und Rahmen­setzungen für Server könnten wir deutliche Verbesserungen erreichen – so sollten wir endlich die ganzjährig erzeugte nieder­temperierte Abwärme von Rechen­zentren nutzen. Die Grundlage dafür hat die Bundes­regierung mit dem neuen Energie­effizienz­gesetz geschaffen.

Wie senken Sie CO2-Emissionen bei Germanwatch?
Ganz konkret: Indem wir zum Beispiel heute dieses Gespräch digital führen. Wir versuchen also Reisen weit­gehend zu vermeiden. Auch kaufen wir unsere Laptops gebraucht und wieder fit gemacht, um den Rohstoff­bedarf in der gesamten Produktions­kette zu verringern. Und wir nutzen seit Jahr­zehnten Ökostrom, wo immer wir das selbst entscheiden können – und zwar von den relativ wenigen Anbietern, die wir für seriös halten. Als Gesamt­gesellschaft muss Deutschland laut IPCC-Bericht bis 2030 seine Treib­haus­gas­emissionen um 43 Prozent reduzieren. Nur so könnte das Ziel, die Erderwärmung auf höchstens 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, erreicht werden. Wir haben nicht mehr viel Zeit bis 2030.

Bits & Bäume

Das Netzwerk Bits & Bäume wächst und gedeiht. Seit August 2023 stärkt die Koordinations­stelle das kontinuierliche Zusammen­spiel zwischen den 13 Umwelt-, Klima-, Entwicklungs- und netz­politischen Organisationen sowie der Bits & Bäume-Community. Die Initiative fordert politische Veränderungen, damit die Digitalisierung besser zum drängenden sozialen und ökologischen Wandel beiträgt. Dafür hat Bits & Bäume einen Forderungs­katalog für die Bundes­regierung, die Europäische Union und politische Akteur*innen weltweit entwickelt.
bits-und-baeume.org