Bits & Bäume – Christoph Bals zieht Bilanz nach fünf Jahren
Wie kann die Digitalisierung im Rahmen der planetaren Grenzen gelingen? Um diese Kernfrage dreht sich die Arbeit des Netzwerkes Bits & Bäume. 13 Trägerorganisationen aus Umweltschutz, Digital- und Entwicklungspolitik und Wissenschaft wollen die Digitalisierung nachhaltig gestalten. Nach fünf Jahren zieht Mitbegründer Christoph Bals Bilanz. Mit AufRuhr spricht er über den Rohstoffbedarf der Digitalisierung, Bürger*innen als Prosumer*innen und über die Vorteile digitaler Treffen.
AufRuhr: Christoph Bals, Sie haben die Initiative Bits & Bäume 2018 mit gegründet und blicken als politischer Geschäftsführer der Umwelt-, Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisation Germanwatch auf jahrzehntelanges Engagement zurück. Was hat Digitalisierung mit Klimaschutz zu tun?
Christoph Bals: Das ist eine ziemlich ambivalente Beziehung, bei der es darum geht, die positiven Potenziale gut zu nutzen und die Probleme so gut wie möglich einzudämmen. Das versuchen wir mit dem Netzwerk Bits & Bäume.
Was sind denn die Potenziale?
Die Digitalisierung ist innig mit den Transformationsprozessen verknüpft, die wir in praktisch allen Sektoren haben – Energiewirtschaft, Gebäude, Verkehr, Industrie, Landwirtschaft. Wir brauchen die Digitalisierung für den Klimaschutz. Schauen wir auf den Energiebereich und die Hoffnung, dass Bürger*innen zu sogenannten Prosumer*innen werden, die also nicht nur Energie konsumieren, sondern auch produzieren. Dieser Prozess wird letztlich digital gesteuert werden. Für die Mobilität der Zukunft brauchen wir die Digitalisierung, wenn wir die Verkehrsmittel gut aufeinander abstimmen wollen. Oder in der Landwirtschaft ermitteln digitale Sensoren, wie viel gewässert und gedüngt werden muss. Dadurch lässt sich der Düngemitteleinsatz erheblich reduzieren.
Christoph Bals ist seit 1987 in verschiedenen Rollen in der Zivilgesellschaft für den Klimaschutz aktiv. Er war 1991 Gründungsmitglied der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch und ist seit 2006 ihr politischer Geschäftsführer. Er engagiert sich für eine ambitionierte Klimapolitik und hat etliche Initiativen für den Klimaschutz und die globale Gerechtigkeit mit auf den Weg gebracht, unter anderem die Klima-Allianz Deutschland, ein breites Bündnis von rund 150 Mitgliedsorganisationen.
Wo sehen Sie Probleme der Digitalisierung?
Die Digitalisierung ist auch ein Brandbeschleuniger der Klimakrise. Für die Herstellung von Smartphones, PCs und Servern braucht man Rohstoffe, deren Abbau zu massiven sozialen und ökologischen Problemen führt. Aber es geht auch um CO2-Emissionen, beispielsweise durch den enormen Energieverbrauch der Serverfarmen. Zwei bis vier Prozent der CO2-Emissionen verursacht die Digitalisierung weltweit, mit einem starken Wachstum von ungefähr sechs bis acht Prozent pro Jahr. Wären es sieben Prozent, würde das alle zehn Jahre eine Verdoppelung an CO2-Emissionen bedeuten. Zusätzlich kann Digitalisierung auch indirekte Herausforderungen fürs Klima mit sich bringen, etwa indem sie beeinflusst, wie viel und was wir konsumieren oder wie wir Diskurse über die Klimakrise führen.
Welche Rolle kann Bits & Bäume spielen?
2018 ist die Idee entstanden, dass die beiden agilen Bewegungen der Zivilgesellschaft – die Tech-Szene und die Klima- und Umweltszene – effektiver zusammenarbeiten sollten. Die Tech-Szene hatte sich bislang nicht intensiv mit den Klima- und Rohstofffragen auseinandergesetzt. Die Umwelt- und Klimaszene wiederum befasste sich nur am Rande mit dem Thema Digitalisierung. Damals organisierten zehn NGOs und eine ganze Reihe von engagierten Einzelpersonen gemeinsam eine große Konferenz in Berlin – und nannten sie Bits & Bäume. Rund 2000 Menschen kamen. 2022 veranstalteten dann 13 Organisationen eine zweite Bits & Bäume-Konferenz mit deutlich mehr Teilnehmenden. Darüber hinaus gibt es viele Regionalgruppen. Bits & Bäume ist der Kristallisationskeim für verschiedenartige Kooperationen beider Bewegungen. Wir befinden uns klimapolitisch im entscheidenden Jahrzehnt der Transformation. Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind Querschnittsthemen. Wir brauchen hier viel mehr Kooperation. Deshalb wollen wir diese beiden Bewegungen bündeln.
Wie gestaltet sich denn die Zusammenarbeit?
Für mich war sehr eindrücklich, wie groß der Unterschied zwischen den Bits & Bäume-Konferenzen 2018 und 2022 war. Die von 2018 bot die Gelegenheit eines ersten Abtastens. In der zweiten Konferenz war dann echter Kooperationswille zu sehen und die Erkenntnis: Ja, wir können eine ganze Menge voneinander lernen und große Fortschritte bei beiden Themenkomplexen machen, wenn wir kooperieren.
In welcher Rolle engagiert sich Germanwatch für Bits & Bäume?
Wir gehörten zu den Initiatoren und haben beide Konferenzen mit ausgerichtet. Seit August 2023 sind wir Gastgeber der neu ins Leben gerufenen Bits & Bäume-Koordinationsstelle. Von Haus aus beschäftigen wir uns als Umwelt- und Entwicklungsorganisation natürlich auch mit der Digitalisierung und haben eine ganze Reihe von Studien dazu veröffentlicht. Im Moment schauen wir uns das Rohstoffthema im Detail an und bringen uns auch in Regulierungsprozesse für die Digitalisierung ein.
Es gibt bei der Digitalisierung Hebel, mit denen wir mit wenig Aufwand sehr viel für den Klimaschutz gewinnen könnten.
Was macht die Koordinationsstelle genau?
Wir haben als Netzwerk gemerkt, dass es zwischen diesen beiden großen Bits & Bäume-Konferenzen zwar eine ganze Reihe interessanter Entwicklungen gab, aber vieles auch liegen geblieben ist. Wir hätten uns mehr in gesellschaftliche und politische Debatten einmischen und einbringen können. Aber es gab keine Kapazitäten und unklare Zuständigkeiten. Genau dafür haben wir diese Koordinierungsstelle geschaffen: Wir wollen auch zwischen den Konferenzen als Netzwerk handlungsfähig sein. Wir sind jetzt in einer sehr zeitkritischen Phase. Derzeit werden die politischen Weichen für eine demokratische und nachhaltige Ausgestaltung der Digitalisierung gestellt. Gleichzeitig gibt es bei der Digitalisierung Hebel, mit denen wir mit wenig Aufwand sehr viel für den Klimaschutz gewinnen könnten.
Zum Beispiel?
Die Speicherplatzbelegung in den Clouds ist sehr energieintensiv. Wir könnten den Energieverbrauch deutlich reduzieren, etwa wenn Clouds mit Solar- und Wasserkraft betrieben würden. Auch bei den Regulierungen und Rahmensetzungen für Server könnten wir deutliche Verbesserungen erreichen – so sollten wir endlich die ganzjährig erzeugte niedertemperierte Abwärme von Rechenzentren nutzen. Die Grundlage dafür hat die Bundesregierung mit dem neuen Energieeffizienzgesetz geschaffen.
Wie senken Sie CO2-Emissionen bei Germanwatch?
Ganz konkret: Indem wir zum Beispiel heute dieses Gespräch digital führen. Wir versuchen also Reisen weitgehend zu vermeiden. Auch kaufen wir unsere Laptops gebraucht und wieder fit gemacht, um den Rohstoffbedarf in der gesamten Produktionskette zu verringern. Und wir nutzen seit Jahrzehnten Ökostrom, wo immer wir das selbst entscheiden können – und zwar von den relativ wenigen Anbietern, die wir für seriös halten. Als Gesamtgesellschaft muss Deutschland laut IPCC-Bericht bis 2030 seine Treibhausgasemissionen um 43 Prozent reduzieren. Nur so könnte das Ziel, die Erderwärmung auf höchstens 1,5 Grad Celsius zu begrenzen, erreicht werden. Wir haben nicht mehr viel Zeit bis 2030.
Bits & Bäume
Das Netzwerk Bits & Bäume wächst und gedeiht. Seit August 2023 stärkt die Koordinationsstelle das kontinuierliche Zusammenspiel zwischen den 13 Umwelt-, Klima-, Entwicklungs- und netzpolitischen Organisationen sowie der Bits & Bäume-Community. Die Initiative fordert politische Veränderungen, damit die Digitalisierung besser zum drängenden sozialen und ökologischen Wandel beiträgt. Dafür hat Bits & Bäume einen Forderungskatalog für die Bundesregierung, die Europäische Union und politische Akteur*innen weltweit entwickelt.
bits-und-baeume.org