Fundament für den Brückenbau
Stiftungen, Think Tanks, Nichtregierungsorganisationen: Viele Akteure arbeiten mit nicht-demokratischen Staaten zusammen. Dadurch werden sich diese aber nicht unbedingt in Richtung liberaler Demokratien entwickeln. Wie Forschungskooperationen und Dialog dennoch gelingen können.
Für ein Vierteljahrhundert nach dem Ende des Kalten Krieges sahen sich Europa und der Westen mit ihrem Modell liberaler Demokratie und der offenen Gesellschaft als die klaren Sieger der Geschichte. Der Rest der Welt, so die weit verbreitete Annahme, würde sich nach und nach demokratisieren. Autoritäre Regierungsmodelle würden bald verschwinden. Durch Zusammenarbeit und Austausch sowie die Förderung zivilgesellschaftlicher Akteure, so die Erwartung, würde die Angleichung an westliche Demokratien beschleunigt und liberal-demokratische Elemente in Übergangsgesellschaften gestärkt.
Erwartungen enttäuscht
Diese Erwartungen haben sich nicht erfüllt. Wir können heute nicht mehr davon ausgehen, dass Forschungskooperation sowie Dialog- und Austauschprogramme mit Nicht-Demokratien wie Russland, China oder der Türkei dazu führen, dass diese sich in Richtung liberale Demokratien und offene Gesellschaften entwickeln.
Das heißt ausdrücklich nicht, dass Forschungskooperation sowie Dialog- und Austauschprogramme nicht weiterhin Priorität der (Förder-) Arbeit von Stiftungen haben sollten. Im Gegenteil: Ganz im klassischen Sinne der Völkerverständigung (oder moderner formuliert: der zwischengesellschaftlichen Verständigung) sind in Zeiten zunehmender geopolitischer Spannungen Forschungskooperationen und Dialog- und Austauschprogramme wichtige zwischengesellschaftliche Brücken. Sie dienen dem besseren Verstehen der anderen Seite, der gemeinsamen Wissensgenerierung (insbesondere zu globalen Problemen wie der Klimakrise und Pandemien), dem Aufbau von belastbaren Beziehungen.
Gegenparts in Kooperationen mit nicht-demokratischen Staaten haben oft eine klare Agenda und Ziele, inklusive der Beeinflussung von Akteuren in liberalen Demokratien. Ihr Handeln steht oft im Gegensatz zu dem Ziel, eine offene Gesellschaft durch die Kooperation zu stärken.
Hinzu kommt: Gleichgesinnte Kooperationspartner in Nicht-Demokratien sind zunehmend Repressalien ausgesetzt. Deshalb birgt die Kooperation beträchtliche Risiken, die bislang nicht genügend in den Blick genommen worden sind. Wie wir in unserer Studie „Rethinking Research Cooperation with Non-Democracies“ darlegen, sollten Stiftungen Ziele realistisch rekalibrieren und Strategien zur Risikoeinhegung sowie einer besseren Zielerreichung unterstützen.
Die Studie „Risky Business. Rethinking Research Cooperation with Non-Democracies“ können Sie hier downloaden.
Für Partner einsetzen
Auch sollte das Ziel der Unterstützung gleichgesinnter Verfechter der offenen Gesellschaft in autoritären Staaten nicht aufgegeben werden. Je nach Verfestigung des autoritären Regimes bestehen unterschiedliche Freiräume, die Akteure weiterhin kreativ und durch flexible Instrumente nutzen sollten. Handlungsleitende Maxime muss dabei stets sein, Kooperationspartner nicht in Gefahr zu bringen. Auch sollten sich Stiftungen für Kooperationspartner einsetzen, wenn sie zum Ziel von Repression werden, wie das im Falle des türkischen Intellektuellen Osman Kavala vorbildhaft passiert. Selbst wenn sich die Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten nicht unmittelbar in Systemtransformation niederschlägt, sind es genau diese Kontakte, die später besonders wertvoll sind, sollte sich eine Öffnung der Regierungsform ergeben. Auch deshalb lohnt die Investition in diese selbst unter erschwerten Bedingungen.
Zu den Risiken der Kooperation mit Partnern aus autoritären Staaten gehören zuvorderst Abhängigkeiten in puncto Finanzen und Zugang zu wissenschaftlicher Infrastruktur. Diese können zu Selbstzensur, Beeinflussbarkeit in puncto Agenda-Setting und Curriculum sowie zum Ignorieren weiterer Risiken führen. Deshalb gilt es, jegliche Form von Abhängigkeiten zu minimieren. Universitäten, Think Tanks und NGOs sollten in keiner Form finanzielle Mittel aus autoritären Staaten annehmen. Sie sollten auch die Bestimmungen jeglicher Kooperationsvereinbarungen transparent machen. Der Fall der vom chinesischen Parteistaat finanzierten Professur an der FU Berlin ist ein Paradebeispiel dafür, wie man es nicht machen sollte.
Zum Umgang mit
den Risiken braucht
es Regeln.
Rote Linien festlegen
Es gibt darüber hinaus eine ganze Reihe weiterer Risiken. Dazu gehören eine politische Instrumentalisierung zur Legitimierung der Regierung, die doppelte Verwendung von Forschungsergebnissen (zum Beispiel für militärische Zwecke), Spionage, Beihilfe zur Einschränkung der Wissenschaftsfreiheit oder der Missbrauch von Daten. All diese Risiken werden potenziert, wenn Akteure ohne klare Regeln sowie Zugang zu relevanter Länderexpertise Kooperationen eingehen. Zum Umgang mit diesen Risiken braucht es deshalb Regeln sowie den Aufbau von Unterstützungsmechanismen und Erfahrungsaustausch.
Zunächst müssen rote Linien definiert werden, die keinesfalls überschritten werden dürfen. Eine Exit-Option muss jederzeit auf dem Tisch liegen, um Handlungsfreiheit zu haben. Jede Organisation, die mit Partnern aus autoritären Staaten kooperiert, sollte diese Regeln intern klar kommunizieren sowie klare Kontroll- und Sanktionsmechanismen entwickeln. Dazu gehören auch anonyme Beschwerdekanäle in allen prominent an Kooperationen mit Nicht-Demokratien beteiligten Organisationen. Gerade im Forschungsbereich sollten Anreize so gesetzt werden, dass nicht diejenigen belohnt werden, die irrespektive der Risiken das Maximalvolumen an Forschungskooperation hereinholen.
Oft fehlen Expertise und ein Bewusstsein für die Risiken mit Partnern in nicht-demokratischen Staaten.
In Expertise investieren
Im Bereich Dialogprogramme sollten Förderer Anreize so setzen, dass Organisationen Programme nicht aus Angst vor dem Verlust der Förderung um jeden Preis weiterführen. Gerade bei Dialogprogrammen sollte Qualität vor Quantität stehen. Eine große Rolle spielt dabei die Vor- und Nachbereitung: In diesem Bereich sollten systematisch mehr Ressourcen eingesetzt werden.
Ein grundsätzliches Problem ist, dass oft Expertise und ein Bewusstsein für die Risiken mit Partnern in nicht-demokratischen Staaten fehlen. Bisweilen sind geheimdienstliche Informationen nötig, um Risiken bewerten zu können. Sowohl die öffentliche Hand als auch Stiftungen sollten in Expertise über die Länder, in denen sie aktiv sind, investieren. Für Stiftungen heißt dies: Sie sollten Risiken stärker im Blick haben, Partner bei der Durcheinführung der Angebote intensiver unterstützen und Plattformen für den Austausch von Erfahrungen schaffen.
Regierungsnahe Akteure aus Nicht-Demokratien haben eine klare von offizieller Seite vorgegebene Agenda und Strategien für Forschungskooperation und Austauschprogramme. In offenen Gesellschaften wird die Agenda für Stiftungen, Universitäten, Think Tanks und NGOs nicht von der Regierung vorgegeben. Das ist eine Stärke. Umso wichtiger ist es, dass diese Akteure selbst dafür sorgen, die Zusammenarbeit mit Nicht-Demokratien auf ein neues, tragfähiges Fundament zu stellen. Stiftungen können hier entscheidende Impulse liefern.