Wald ohne Wasser
Das Wasser in deutschen Wäldern wird immer knapper. Aurel Jahn, Reporter bei „Radio Darmstadt“, berichtet seit Jahren über den Konflikt um den Darmstädter Westwald. Die gemeinnützige und unabhängige Redaktion CORRECTIV.Lokal hilft Journalist*innen wie ihm dabei, zum Klimaschutz zu recherchieren.
Endloses Blau erstreckt sich über dem Darmstädter Westwald. Die Sonne strahlt unbarmherzig auf die kleine Gruppe Menschen, die eng gedrängt im Schatten steht. Als würden sie die lichten Stellen der Pflanzen betonen wollen, leuchten die Sonnenstrahlen durch die Büsche. Auf dem sandigen Waldweg platziert Aurel Jahn seinen Lautsprecher. Mit präzisen Griffen verkabelt er das Mikrofon. Er spricht testweise kurz hinein, seine Worte vermischen sich mit Vogelgesang und dem leisen Rauschen der Autobahn.
Kampf gegen Trockenheit verloren
Gespannt warten die 25 Teilnehmer*innen darauf, dass die Veranstaltung über den Westwald beginnt. „Der Wald ist eines der umstrittensten Themen in Darmstadt und der Region“, erzählt Aurel Jahn in seinem ersten Redebeitrag. Wo vor 120 Jahren noch schattenspendende Baumkronen rauschten, ragen nun trockene Äste spitz in den Himmel. Dieser Wald hat den Kampf gegen die Trockenheit verloren.
Der Westwald ist Teil des Hessischen Rieds, das die komplette Region mit Trinkwasser versorgt. Das Problem: Der Wasserverband Hessenwasser soll jahrzehntelang zu viel Grundwasser aus der Region entnommen haben. Der Landesverband Hessen der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald klagt daher in zwei Fällen gegen das Land. Der Radioreporter Aurel Jahn begleitet den Konflikt seit Jahren.
Er will den Teilnehmer*innen die Gründe für das Baumsterben im Darmstädter Wald bei einem Spaziergang näherbringen. „CORRECTIV.Lokal“ unterstützt ihn dabei. Die gemeinnützige und unabhängige Redaktion recherchiert in ganz Deutschland zum Thema Wasserknappheit.
Bei seiner Recherche konnte das Netzwerk „CORRECTIV.Lokal“ nachweisen, dass vor Gericht immer öfter um Wasser gestritten wird – auch in Hessen. Es wertete insgesamt 350 Verfahren zu Wasserkonflikten aus. Darunter sind auch die aktuellen Klagen, die sich mit dem Westwald in Darmstadt beschäftigen. Zwei Reporterinnen begleiten Aurel Jahn an diesem Tag.
Kahle Bäume und sandiger Boden
Nachdem Aurel Jahn die Anlage getestet hat, beginnen die Waldexperten Arnulf Rosenstock und Christian Storm, die desolate Lage des Waldes einzuordnen. Immer wieder zeigen sie auf die lichten Baumkronen. Der Radioreporter steht konzentriert neben ihnen. Die Hände in die Seiten gestützt, neben ihm die Lautsprecheranlage, lässt er seinen Blick über die betroffenen Bäume schweifen oder schaut auf den sandigen Boden vor sich. Besonders der macht dem Wald zu schaffen. Denn bei Regen kann die Sandschicht nicht viel Wasser speichern.
Der trockene Wald ist immer wieder Teil seiner Sendung 29 11 11 radiodarmstadt.de/in-sendeplatz. In der Vergangenheit hat Aurel Jahn häufig über den „Runden Tisch zum Stadtwald Darmstadt“ berichtet, bei dem Politiker*innen mit Expert*innen über den Westwald sprechen. Auch heute ist er auf seine Radiosendung fokussiert, prüft immer wieder, ob sein Aufnahmegerät die Veranstaltung aufzeichnet.
Für „Radio Darmstadt“ arbeitet er seit 1995. Der Sender ist ein Verein und nichtkommerziell. Finanzielle Unterstützung erhalten die Ehrenamtlichen über den Rundfunkbeitrag. Aurel Jahn stieß zufällig auf einem Stadtfest auf den Radiosender, als er bei der Technik half.
Wer sein Verhalten ändert, hilft dem Klima
Seine beiden festen Sendeplätze pro Woche nutzt der 65-Jährige komplett aus. „Wenn bei den lokalen Themen der Bericht aus der Stadtverordnetenversammlung gesendet wird, gibt es in der Stunde auch mal 59 Minuten Wortbeiträge“, erzählt er stolz. Wer sich dafür nicht interessiere, könne wegschalten. Dafür würden sich andere Hörer*innen seine Sendungen auch herunterladen – wie einen Podcast, sagt er.
Für Klimathemen interessiert sich der Radioreporter mit den langen weißen Haaren schon seit seiner Schulzeit und lässt dies immer wieder in seine Arbeit einfließen. Er ist überzeugt: „Wir müssen unser Verhalten ändern, um auf der Welt weiterleben zu können.“
Auch nach all den Jahren, in denen er Erfahrung bei „Radio Darmstadt“ gesammelt hat, versucht er durch Workshops und Gespräche seine Klimaberichterstattung zu verbessern. „Mir ist wichtig, dass die Beiträge verständlich sind. Und das erfordert besonders bei solch komplexen Themen viel Zeit“, erzählt der studierte E-Techniker.
Diese Zeit nehmen sich die beiden Waldexperten und der Radioreporter während ihres Spaziergangs, um Lösungsansätze zu besprechen. Bisher pumpt der regionale Wasserverband aufbereitetes Rheinwasser in den Wald, um ihn zu versorgen. Wie zukunftsträchtig es sein wird, sich nur auf den Rhein zu verlassen, ist noch unklar.
Den Dialog verstärken
Nach mehr als zwei Stunden beendet Aurel Jahn zusammen mit den Reporterinnen die Veranstaltung. Während die Teilnehmer*innen sich in kleinen Gruppen über das Event austauschen, ist Aurel Jahn schon auf dem Weg zum Parkplatz.
Noch am Abend wird er sich um die Aufnahme der Veranstaltung kümmern. Denn schon am nächsten Morgen läuft die erste Sendung zum Waldspaziergang bei „Radio Darmstadt“. Die Zusammenarbeit mit „CORRECTIV.Lokal“ habe ihm sehr gefallen. „Ich arbeite so gern mit anderen Menschen, mache das aber viel zu wenig“, gibt er zu und schiebt das pinke Lastenrad mit seinem Equipment aus dem Wald. Die Veranstaltung heute habe ihn bestärkt, mehr in den Dialog mit den Hörer*innen, aber auch mit anderen Lokalreporter*innen zu gehen.
Er kann sich gut vorstellen, im Netzwerk von „CORRECTIV.Lokal“ aktiv zu werden, das die lokalen Recherchen der über 1200 Mitglieder unterstützt. „Ich bin der Meinung, dass wir zu besseren Lösungen kommen, wenn mehr Leute beteiligt sind. Und besonders beim Klima müssen wir dafür sorgen, dass wir alle nur erdenklichen Möglichkeiten zum Austausch nutzen.“
CORRECTIV.Lokal
Projektwoche für den drögen Wald: Correctiv ist ein spendenfinanziertes und unabhängiges Recherchezentrum in Deutschland. Bei dem Netzwerk Correctiv.Lokal arbeiten Journalist*innen aus deutschlandweiten Lokalredaktionen gemeinsam an investigativen Recherchen.
https://correctiv.org/lokal/