Wald ohne Wasser

Wald ohne Wasser
Autorin: Anastasia Zejneli Fotos: Alexander Scheuber 20.09.2022

Das Wasser in deutschen Wäldern wird immer knapper. Aurel Jahn, Reporter bei „Radio Darmstadt“, berichtet seit Jahren über den Konflikt um den Darmstädter Westwald. Die gemein­nützige und unabhängige Redaktion CORRECTIV.Lokal hilft Journalist*innen wie ihm dabei, zum Klima­schutz zu recherchieren.

Endloses Blau erstreckt sich über dem Darmstädter Westwald. Die Sonne strahlt unbarmherzig auf die kleine Gruppe Menschen, die eng gedrängt im Schatten steht. Als würden sie die lichten Stellen der Pflanzen betonen wollen, leuchten die Sonnen­strahlen durch die Büsche. Auf dem sandigen Waldweg platziert Aurel Jahn seinen Lautsprecher. Mit präzisen Griffen verkabelt er das Mikrofon. Er spricht testweise kurz hinein, seine Worte vermischen sich mit Vogelgesang und dem leisen Rauschen der Autobahn.

Kampf gegen Trockenheit verloren

Gespannt warten die 25 Teilnehmer*innen darauf, dass die Veranstaltung über den Westwald beginnt. „Der Wald ist eines der umstrittensten Themen in Darmstadt und der Region“, erzählt Aurel Jahn in seinem ersten Rede­beitrag. Wo vor 120 Jahren noch schatten­spendende Baumkronen rauschten, ragen nun trockene Äste spitz in den Himmel. Dieser Wald hat den Kampf gegen die Trockenheit verloren.

Der Darmstädter Radioreporter Aurel Jahn wartet auf die Teilnehmer*innen des Waldspaziergangs.
Der Darmstädter Radioreporter Aurel Jahn wartet auf die Teilnehmer*innen des Waldspaziergangs. © Alexander Scheuber

Der Westwald ist Teil des Hessischen Rieds, das die komplette Region mit Trink­wasser versorgt. Das Problem: Der Wasser­verband Hessenwasser soll jahr­zehnte­lang zu viel Grundwasser aus der Region entnommen haben. Der Landes­verband Hessen der Schutz­gemeinschaft Deutscher Wald klagt daher in zwei Fällen gegen das Land. Der Radio­reporter Aurel Jahn begleitet den Konflikt seit Jahren.

Er will den Teilnehmer*innen die Gründe für das Baumsterben im Darmstädter Wald bei einem Spazier­gang näher­bringen. „CORRECTIV.Lokal“ unterstützt ihn dabei. Die gemeinnützige und unabhängige Redaktion recherchiert in ganz Deutschland zum Thema Wasser­knappheit.

Bei seiner Recherche konnte das Netzwerk „CORRECTIV.Lokal“ nachweisen, dass vor Gericht immer öfter um Wasser gestritten wird – auch in Hessen. Es wertete insgesamt 350 Verfahren zu Wasser­konflikten aus. Darunter sind auch die aktuellen Klagen, die sich mit dem Westwald in Darmstadt beschäftigen. Zwei Reporterinnen begleiten Aurel Jahn an diesem Tag.

Kahle Bäume und sandiger Boden

Nachdem Aurel Jahn die Anlage getestet hat, beginnen die Wald­experten Arnulf Rosenstock und Christian Storm, die desolate Lage des Waldes einzuordnen. Immer wieder zeigen sie auf die lichten Baumkronen. Der Radio­reporter steht konzentriert neben ihnen. Die Hände in die Seiten gestützt, neben ihm die Laut­sprecher­anlage, lässt er seinen Blick über die betroffenen Bäume schweifen oder schaut auf den sandigen Boden vor sich. Besonders der macht dem Wald zu schaffen. Denn bei Regen kann die Sandschicht nicht viel Wasser speichern.

Der Waldexperte Arnulf Rosenstock setzt sich seit Jahren mit dem Wasserverlust im Hessischen Ried auseinander.
Der Waldexperte Arnulf Rosenstock setzt sich seit Jahren mit dem Wasserverlust im Hessischen Ried auseinander. © Alexander Scheuber
Christian Storm forscht an der Universität in Darmstadt zur Chemische Pflanzenökologie.
Christian Storm forscht an der Universität in Darmstadt zur Chemische Pflanzenökologie. © Alexander Scheuber

Der trockene Wald ist immer wieder Teil seiner Sendung 29 11 11 radiodarmstadt.de/in-sendeplatz. In der Vergangenheit hat Aurel Jahn häufig über den „Runden Tisch zum Stadtwald Darmstadt“ berichtet, bei dem Politiker*innen mit Expert*innen über den Westwald sprechen. Auch heute ist er auf seine Radiosendung fokussiert, prüft immer wieder, ob sein Aufnahme­gerät die Veranstaltung aufzeichnet.

Wald und Industriegebiet
Der Wald ohne Wasser mit angrenzender Bebauung. © Alexander Scheuber

Für „Radio Darmstadt“ arbeitet er seit 1995. Der Sender ist ein Verein und nicht­kommerziell. Finanzielle Unterstützung erhalten die Ehren­amtlichen über den Rund­funk­beitrag. Aurel Jahn stieß zufällig auf einem Stadtfest auf den Radiosender, als er bei der Technik half.

Wer sein Verhalten ändert, hilft dem Klima

Seine beiden festen Sendeplätze pro Woche nutzt der 65-Jährige komplett aus. „Wenn bei den lokalen Themen der Bericht aus der Stadt­verordneten­versammlung gesendet wird, gibt es in der Stunde auch mal 59 Minuten Wortbeiträge“, erzählt er stolz. Wer sich dafür nicht interessiere, könne wegschalten. Dafür würden sich andere Hörer*innen seine Sendungen auch herunterladen – wie einen Podcast, sagt er.

Für Klimathemen interessiert sich der Radio­reporter mit den langen weißen Haaren schon seit seiner Schulzeit und lässt dies immer wieder in seine Arbeit einfließen. Er ist über­zeugt: „Wir müssen unser Verhalten ändern, um auf der Welt weiter­leben zu können.“

Auch nach all den Jahren, in denen er Erfahrung bei „Radio Darmstadt“ gesammelt hat, versucht er durch Workshops und Gespräche seine Klima­bericht­erstattung zu verbessern. „Mir ist wichtig, dass die Beiträge verständlich sind. Und das erfordert besonders bei solch komplexen Themen viel Zeit“, erzählt der studierte E-Techniker.

Der Westwald leidet unter der Trockenheit in den Sommermonaten.
Der Westwald leidet unter der Trockenheit in den Sommermonaten. © Alexander Scheuber

Diese Zeit nehmen sich die beiden Waldexperten und der Radioreporter während ihres Spazier­gangs, um Lösungs­ansätze zu besprechen. Bisher pumpt der regionale Wasser­verband aufbereitetes Rheinwasser in den Wald, um ihn zu versorgen. Wie zukunfts­trächtig es sein wird, sich nur auf den Rhein zu verlassen, ist noch unklar.

Den Dialog verstärken

Nach mehr als zwei Stunden beendet Aurel Jahn zusammen mit den Reporterinnen die Veranstaltung. Während die Teilnehmer*innen sich in kleinen Gruppen über das Event austauschen, ist Aurel Jahn schon auf dem Weg zum Parkplatz.

Noch am Abend wird er sich um die Aufnahme der Veranstaltung kümmern. Denn schon am nächsten Morgen läuft die erste Sendung zum Wald­spaziergang bei „Radio Darmstadt“. Die Zusammen­arbeit mit „CORRECTIV.Lokal“ habe ihm sehr gefallen. „Ich arbeite so gern mit anderen Menschen, mache das aber viel zu wenig“, gibt er zu und schiebt das pinke Lastenrad mit seinem Equipment aus dem Wald. Die Veranstaltung heute habe ihn bestärkt, mehr in den Dialog mit den Hörer*innen, aber auch mit anderen Lokal­reporter*innen zu gehen.

Er kann sich gut vorstellen, im Netzwerk von „CORRECTIV.Lokal“ aktiv zu werden, das die lokalen Recherchen der über 1200 Mitglieder unterstützt. „Ich bin der Meinung, dass wir zu besseren Lösungen kommen, wenn mehr Leute beteiligt sind. Und besonders beim Klima müssen wir dafür sorgen, dass wir alle nur erdenklichen Möglichkeiten zum Austausch nutzen.“


CORRECTIV.Lokal

Projektwoche für den drögen Wald: Correctiv ist ein spenden­finanziertes und unabhängiges Recherche­zentrum in Deutschland. Bei dem Netzwerk Correctiv.Lokal arbeiten Journalist*innen aus deutschland­weiten Lokal­redaktionen gemeinsam an investigativen Recherchen.
https://correctiv.org/lokal/