Grün investieren – leih dein Geld der Stadt

Grün investieren – leih dein Geld der Stadt
Autorin: Verena von Ondarza 31.01.2023

Immer mehr Menschen wollen ihr Geld nachhaltig anlegen, doch das ist gar nicht so leicht: Viele vermeintlich Grüne Finanzprodukte von Banken bewirken am Ende wenig. Mercator Fellow für Sustainable Finance im Journalismus Verena von Ondarza ist möglichen Alternativen vor der eigenen Haustür auf der Spur.

Klaus Peter Krekeler von der Stadtentwässerung Münster zeigt auf sein aktuelles Endprodukt. Im Nachklärbecken ist das Abwasser fast schon wieder klar. Die letzten Schwebstoffe werden hier noch rausgefiltert.

„Es ginge aber noch mehr“, sagt Krekeler. „Rückstände von Arzneien oder Mikroplastik, all die Dinge, die man mit dem bloßen Auge nicht erkennen kann, sind möglicherweise noch drin“. Eine Laboranalyse würde das zeigen.

Künftig sollen auch diese Stoffe aus dem Wasser herausgefiltert werden. Deshalb bereiten Baumaschinen gerade knapp 50 Meter weiter eine große rechteckige Grube vor. Hier entsteht ein Becken mit einer zusätzlichen – einer vierten – Reinigungsstufe für eben diese Mikropartikel.

Nur wenige Kommunen in Deutschland können sich diese Technik bislang leisten. Insgesamt wird die Stadt Münster dafür über 100 Millionen Euro investieren. Einen Teil dieser Kosten übernehmen Land und Bund im Rahmen einer Förderung. Für die restlichen 54 Millionen brauchte Münster Kapital.

Porträt Verena von Ondarza ist Fellow bei Mercator im Bereich Sustainable Finance in der medialen Berichterstattung stärken.
© Hanna Karstens

Verena von Ondarza ist Fellow der Stiftung Mercator für Sustainable Finance im Journalismus. Die Volkswirtin und freie Journalistin schreibt und berichtet vor allem für die Wirtschaftsredaktionen des Norddeutschen Rundfunks und der ARD.

Erster Ausflug an den Kapitalmarkt

Das hat die Stadt nun mit einer Grünen Anleihe eingesammelt. Im Herbst vergangenen Jahres ist das Geld bei der Kämmerin Christine Zeller angekommen, und brachte ihr ein überraschendes Luxusproblem ein: Deutlich mehr Geldgeber*innen als nötig wollten mitfinanzieren. Schon in der ersten halben Stunde, erzählt sie, seien die ersten Anfragen eingegangen. Nach einer Woche entscheidet die Kämmerin, Papiere im Gegenwert von insgesamt 140 Millionen Euro auszugeben, geplant war eigentlich ein Volumen von 100 Millionen Euro.

Kämmerin Christine Zeller im Gespräch mit Klaus Peter Krekeler von der Stadtentwässerung Münster. © Verena von Ondarza

Neben der Modernisierung der Kläranlage geht das Geld in den Neubau einer Schule. Ein sehr gut gedämmtes Holzgebäude mit Dachbegrünung und eigener Grünstromproduktion. Und in den Ausbau des Glasfasernetzes. Denn darüber fließen Daten deutlich energieeffizienter durch die Stadt.

Für die Stadt hat die Finanzierung über eine Anleihe einen klaren Vorteil: Die Kapitalkosten waren günstiger als üblich. Wieviel genau sie gespart hat, will Christine Zeller nicht sagen, nur so viel: Es hat sich gelohnt. Und das, obwohl von der Idee der Grünen Anleihe bis zum Moment, in dem das Geld auf dem Konto der Stadt ankam, ein ganzes Jahr vergangen ist.

Hohe Hürden für kommunale grüne Finanzprodukte

In aller Regel dauert die Finanzierung von kommunalen Investitionen nicht länger als eine halbe Stunde, sagt Henrik Scheller vom Deutschen Institut für Urbanistik. Ein Anruf bei der örtlichen Sparkasse oder Volksbank und der Kredit ist bewilligt.

Scheller hat gerade ein Forschungsprojekt begonnen, das untersuchen soll, wie Investitionsstau in Kommunen und die hohe Nachfrage nach grünen Finanzprodukten zusammenkommen könnten. Denn auf der einen Seite stehen viele Städte und Gemeinden vor einem Berg aufgeschobener Investitionen – viele davon mit Klimabezug. Etwa die Wärmedämmung von Schulen, Kitas oder Turnhallen, Solaranlagen für Schwimmbäder oder Windparks, die Strom für Stadtwerke liefern könnten. Auf der anderen Seite suchen viele Anleger*innen gerade nach Möglichkeiten, ihr Geld nachhaltig anzulegen. Der Markt für nachhaltige Finanzanlagen wächst seit Jahren rasant. Zuletzt vermeldet das Forum für Nachhaltige Geldanalgen ein Plus von mehr als 60 Prozent innerhalb von nur einem Jahr.

Klingt nach einem Perfect Match? Bislang ist es das aber nicht. Denn die wenigsten Kommunen wagen sich überhaupt an den Kapitalmarkt. Laut der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die jedes Jahr die kommunalen Finanzen in einem Panel untersucht, sind es gerade einmal drei Prozent. Einen Grund sehen die Expert*innen von der KfW darin, dass den meisten Kommunen der Umweg über den Finanzmarkt zu kompliziert ist. Und wer in den Markt für nachhaltige Finanzprodukte will, muss mit besonders großem Aufwand rechnen.

Was sind Anleihen?

Eine Anleihe ist eine Möglichkeit Geld anzulegen. Anleger*innen werden damit zu Geldgeber*innen für Unternehmen, Staaten oder wie in diesem Fall einer Stadt. Im Gegenzug gibt es dafür einen vorher vereinbarten Zins. Die Laufzeit einer Anleihe ist fix. Ist sie zu Ende wird die Anleihe fällig. Die Investor*innen bekommen dann ihr eingezahltes Geld zurück. Für Unternehmen funktioniert eine Anleihe also ähnlich wie ein Kredit. Mit einem Unterschied: Der Zins – also die Kapitalkosten – wird nicht mit dem/der Bankberater*in ausgehandelt, sondern ergibt sich aus der Nachfrage nach der Anleihe am Kapitalmarkt. Wenn viele Anleger*innen eine Anleihe kaufen wollen, kann der Zins niedriger ausfallen.

© Getty Images

Klimakrise vor Ort

Auch in Münster war der Weg zur ersten Grünen Klimaanleihe ein langer. Ausgangspunkt ist ein Unwetter im Juli 2014. Bei einem Starkregen wird die Stadt binnen weniger Stunden geflutet. Zwei Menschen sterben. Dieses Unglück nimmt Münster zum Anlass, die Finanzen der Stadt mit einer Ökokomponente zu versehen. Die Begründer*innen der grünen Finanzstrategie schreiben damals, das Unwetter habe gezeigt, dass die Klimakrise vor Ort spürbar sei und auf allen Ebenen – auch bei den Stadtfinanzen –  bekämpft werden müsse. In der Folge schmeißt die Stadt bei ihrer Geldanlage Investitionen in klimaschädliche Unternehmen aus dem Depot, 16 von 50 Unternehmen fliegen dabei raus.

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Beteiligungen an Unternehmen aus dem Portfolio werfen, die für Umweltschäden oder hohe CO2-Emissionen stehen – diese Strategie nennt man Divestment. Marco Wilkens von der Universität Augsburg und Mitglied der Mercator Wissenschaftsplattform für Sustainable Finance hat in einer Studie gezeigt, dass Divestment dazu führen kann, dass Unternehmen ihren CO2-Ausstoß senken, damit sie für Anleger*innen attraktiv bleiben. Den Weg der Stadt Münster findet er deshalb äußerst spannend. Vor allem weil es nicht beim puren Divestment geblieben ist. Mit der Grünen Anleihe hat die Stadt selbst ein Finanzprodukt gebaut – die erste rein grüne kommunale Anleihe in Deutschland.

Ein Kriterium, das Wilkens für wirksame nachhaltige Investitionen definiert, erfüllt die Münsteraner Grüne Anleihe allerdings nicht. Dafür müsste es sich um eine zusätzliche Investition handeln, die nur durch das nachhaltige Finanzprodukt ermöglicht wird. In Münster finanziert die Anleihe ohnehin geplante Projekte.

Trotzdem glaubt er an eine subtilere, vielleicht nicht messbare Wirkung – und auch die sei nicht zu unterschätzen. Über die Grüne Anleihe von Münster wird bundesweit berichtet. Sie bringt Nachhaltigkeit ins Gespräch und auch das könnte am Ende etwas fürs Klima bewirken. Die entscheidende Frage sei doch, sagt er, ob wir als Gesellschaft darauf warten sollten, bis wir alles zu 100 Prozent messen können. Dann warten wir wahrscheinlich so lange bis es sehr warm geworden ist in unserer Welt.


Mercator Fellowship-Programm

Das Mercator Fellowship-Programm bietet seinen Stipendiat*innen den Freiraum, sich explorativ und ideen­reich einem Forschungs- oder Praxis­­vorhaben zu widmen.

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