„Die Klimakrise findet auch im Lokalen statt“

Vom Dorf bis in die Großstadt: Klimawandel geht uns alle an.
„Die Klimakrise findet auch im Lokalen statt“
Autorin: Anna-Lena Limpert 25.04.2024

Das Netzwerk CORRECTIV.Lokal will den Lokaljournalismus in Deutschland stärken und unterstützt Journalist*innen bei ihren Recherchen. Wie die Zusammenarbeit funktioniert und warum sie gerade für Klimathemen wichtig ist, erklärt CORRECTIV-Reporterin Gesa Steeger im Interview.

Die Pressefreiheit und ein vielfältiger Journalismus gehören zu den Grundpfeilern unserer Demokratie. Doch der deutsche Lokaljournalismus schwindet und somit auch die Repräsentation lokaler Themen. Eine Studie der Bundesregierung von 2023 zeigt, dass bei 60 Prozent der befragten Verlage die Breite des Informationsangebotes in den letzten zehn Jahren abgenommen hat. Dies ist kein gutes Zeichen. Wenn wenige große Publikationen alleine das Wort haben, führt dies nicht nur zu Unmut auf Lokalebene. Es fördert zudem eine polarisierende Berichterstattung. Doch wie kommt diese Entwicklung zustande, und was kann man dagegen tun?

Am 27. und 28. April 2024 lädt CORRECTIV zur CORRECTIV.Lokal Konferenz nach Erfurt ein. Hier können Lokaljournalist*innen diskutieren, Recherchen besprechen und sich fortbilden. Ziel ist es, lokalen Nachrichten und Geschichten mehr Sichtbarkeit zu verschaffen. 2022 gab es für die Idee und Umsetzung den Grimme Online Award.

Eine der Speaker*innen auf der Konferenz ist CORRECTIV-Journalistin Gesa Steeger. Sie berichtet auf nationaler Ebene über die Klimakrise und koordiniert die thematische Zusammenarbeit mit dem CORRECTIV.Lokal-Netzwerk, das mittlerweile knapp 1.700 Mitglieder zählt. Wie sie dem Lokaljournalismus wieder auf die Sprünge helfen will und warum Klimathemen dort besonders relevant sind, erklärt sie im Interview.

Gesa Steeger
© Alexander Scheuber

Gesa Steeger ist seit Februar 2022 Reporterin der Klimaredaktion von CORRECTIV. Zuvor war sie Reporterin der Märkischen Allgemeinen Zeitung und der taz.am wochenende. Ausgebildet wurde sie an der Evangelischen Journalistenschule Berlin. 2020 war sie für den Deutschen Journalistenpreis nominiert. Gewonnen hat sie im selben Jahr den Journalisten-Preis „Grüne Reportage 2020“ des Verbandes Deutscher Agrarjournalisten in der Kategorie „Nachwuchs“.

AufRuhr: Frau Steeger, was sind die größten Herausforderungen bei der lokalen Klimaberichterstattung?

Gesa Steeger: Da ich selbst bei einer Lokalzeitung gearbeitet habe, weiß ich, wie stark der Veröffentlichungs- und Zeitdruck ist. Die Zeitung muss voll werden, und die Zeit für die Recherche ist knapp. In vielen Redaktionen wird das Thema Klima außerdem zu wenig mitgedacht. Um diesen Zeit- und Ressourcenmangel auszugleichen und die redaktionelle Arbeit zu vereinfachen, bieten wir von CORRECTIV.Lokal den Lokaljournalist*innen Datenpakete zu diversen Recherchen und für verschiedene Landkreise an.

Warum ist die Lokalberichterstattung für Klimathemen ein wichtiger Hebel?

Weil die Klimakrise natürlich auch im Lokalen stattfindet – vor der eigenen Haustür. Es ist für Leser*innen weniger abstrakt, wenn sie merken: Das betrifft mich, das findet in meiner Gemeinde statt. Meine Kollegin hat kürzlich zu Klimaanpassungen von Kommunen und Landkreisen recherchiert und konnte zeigen: Nur wenige von ihnen bereiten sich darauf vor, dass es mehr Hitze und Extremwetter gibt und geben wird. Doch wenn Menschen das in ihrer Lokalzeitung lesen, hat das einen anderen, stärkeren Effekt. Außerdem ist es möglich, über eine größere Bandbreite lokaler Themen zu berichten. Das kann unsere CORRECTIV-Redaktion allein nicht leisten. Deswegen ist die Zusammenarbeit mit den Lokaljournalist*innen so wichtig.

Die Idee ist, dass möglichst viele Zeitungen gleichzeitig veröffentlichen und lokale Themen präsenter werden.

Gesa Steeger, Reporterin der Klimaredaktion von CORRECTIV

Sie sprachen eben von Datenpaketen. Was sind das für Datensätze, und wie können Lokaljournalist*innen sie nutzen?

Wer bei uns in die Recherche einsteigen möchte, kann online schauen, ob es Daten des jeweiligen Landkreises gibt. Dazu liefern wir Erklärungen, die die Daten verständlicher machen. Manchmal organisieren wir zusätzlich ein passendes Expert*innengespräch, in dem die Daten und ihre Erhebung von Fachpersonen weiter eingeordnet werden. All diese Bausteine nennen wir das „Rechercherezept“. Die Idee dahinter ist, dass möglichst viele Zeitungen eine Recherche gleichzeitig landesweit veröffentlichen und das Thema dadurch präsenter wird.

Funktioniert dieser Ansatz?

Ja, im November letzten Jahres hatten wir zum Beispiel eine Zusammenarbeit mit CORRECTIV.Europe, bei der wir einen Datensatz der Europäischen Umweltagentur ausgewertet haben. Es wurde analysiert, wie viele Schadstoffe bestimmte Firmen tatsächlich ausstoßen. Leser*innen konnten ihren Wohnort in ein Suchfeld eingeben und sehen, wie hoch die Schadstoffbelastung bei ihnen vor Ort ist. Die entsprechenden Daten haben wir den Lokaljournalist*innen zur Verfügung gestellt.

Welche Rolle spielt der Austausch für die Mitglieder innerhalb des CORRECTIV.Lokal-Netzwerkes?

Redaktionen nutzen einen gemeinsamen Slack-Kanal, um andere über ihre Recherchen zu informieren. Denn zu sehen, womit sich die anderen beschäftigen, und nachfragen zu können, ist wichtig – auch um daraus eigene Ideen zu entwickeln. Nützliche Links und Tools werden ebenfalls viel ausgetauscht.

CORRECTIV.Lokal versendet zusätzlich einen Newsletter mit weltweiten Klimainfos und bietet Webinare von Expert*innen zu verschiedenen Themen an. Es geht immer darum, Leute fürs Thema Klimaschutz zu begeistern und ihnen den Zugang einfacher zu machen. Wir versuchen dezidiert, eine Austauschplattform für unsere „Lokalen“ zu sein.

Wie geht es mit dem Netzwerk weiter?

Wir planen zum einen, das Webinar-Angebot weiter auszubauen. In Bezug auf unsere Recherchen möchten wir zukünftig auch Geschichten anbieten, die vielleicht nicht für ganz Deutschland relevant sind, sondern nur für einen kleinen Teil. Eine Recherche, die zum Beispiel nur drei Bundesländer betrifft – dafür im Vergleich nicht so zeitaufwendig ist und Ressourcen spart.


CORRECTIV.Lokal

Correctiv ist ein spenden­finanziertes und unabhängiges Recherche­­zentrum in Deutschland. Bei dem Netzwerk Correctiv.Lokal arbeiten Journalist*innen aus deutschland­­weiten Lokal­­redaktionen gemeinsam an investigativen Recherchen.
https://correctiv.org/lokal/