30 Gründe für Tempo 30

Immer mehr Kommunen machen mit: Seit den 1980er-Jahren gibt es Tempo-30-Zonen in deutschen Innenstädten. Dadurch soll das Leben sicherer und gesünder werden. 30 gute Gründe und Beispiele, warum das so ist.
1. Tempo-30-Zone
Tempo 30 ist ein Bereich des öffentlichen Straßenverkehrs, innerhalb dessen sich alle Fahrzeuge höchstens mit einer Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometern bewegen dürfen. Die Vorfahrt ist innerhalb einer Tempo-30-Zone grundsätzlich durch rechts vor links geregelt.
2. Erste Tempo-30-Zone Deutschlands
Den Anfang machte in Deutschland Buxtehude. Ein Teil der norddeutschen Kleinstadt wurde 1983 zur ersten Tempo-30-Zone Deutschlands und Europas erklärt. Verkehrsschilder und Blumenkübel machten die Autofahrer*innen auf die neuen Verkehrsregeln aufmerksam. Grund für die Maßnahme war der starke Durchgangsverkehr nach Bauarbeiten unmittelbar in Zentrumsnähe, damals rasten die Fahrzeuge durch die Altstadt und ein Wohngebiet. Mit der Tempo-30-Zone nahm Buxtehude an einem Modellversuch von drei deutschen Bundesinstituten teil. Es sollte in der Bevölkerung ein neues Bewusstsein für die Geschwindigkeitsbegrenzung entstehen. Eine Auswertung zeigte: Die Luftqualität hatte sich in Buxtehude nach einem Jahr verbessert. Außerdem sank die Zahl der Schwerverletzten um etwa 76 Prozent, die der Leichtverletzten um 58 Prozent.
3. Initiativen pro Tempo 30
2012 ließ die Europäische Kommission die europäische Bürgerinitiative „30 km/h – macht die Straßen lebenswert!“ zu. Ihr Ziel ist es, Tempo 30 zur Regelgeschwindigkeit in Städten zu machen. Auch die von den Städten Augsburg, Ulm und Freiburg mitgegründete Initiative „Lebenswerte Städte“ für mehr Tempo 30 findet zunehmend Unterstützer*innen. Im Schnitt trete pro Werktag eine Kommune dem Projekt bei, so die Initiative. Mittlerweile sind es mehr als 360 Städte, Gemeinden und Landkreise. Sie wollen selbst entscheiden können, welche Geschwindigkeiten in den Orten erlaubt sind. Sie beklagen, es sei bisher im Bundesverkehrsministerium in Berlin „kaum Bereitschaft erkennbar, sich ernsthaft mit unserem Anliegen auseinanderzusetzen“. Die Initiative plant, das in diesem Jahr durch mehr öffentlichen Druck zu ändern.

4. Durchgängige Tempo-30-Zonen
Seit 2021 können Städte durchgängige Tempo-30-Zonen zwischen sogenannten schutzwürdigen Einrichtungen wie Schulen und Altersheimen einführen. Bisher war dies immer nur direkt vor den Einrichtungen möglich, was zu einem mitunter abrupten Wechsel zwischen Tempo 30 und Tempo 50 führte. Durchgängige Tempo-30-Zonen verlangsamen den Verkehr in der Stadt und in Vororten auf größeren Strecken.
5. Fahrradprofessorin
Deutschlands erste Fahrradprofessorin Jana Kühl arbeitet am Institut für Verkehrsmanagement der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften in Wolfenbüttel. Sie plädiert für die Einführung von Tempo-30-Zonen in allen verdichteten Innenstadtgebieten. Warum? Weil Tempo-30-Zonen die Verkehrssicherheit erhöhten, so die Wissenschaftlerin.
6. Fahrzeit
„Wenn man Auto, Bahn und Rad vergleicht, dann ist das Rad gerade in der Stadt meist schneller“, sagt Fahrradprofessorin Jana Kühl. Eine Studie aus Madrid belegt außerdem, dass sich die Fahrzeit durch die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 Stundenkilometer nicht erhöht. Die Innenstadt von Madrid ist seit 2018 Tempo-30-Zone, auf dieser Grundlage konnten die spanischen Wissenschaftler*innen Vergleiche zu Tempo-50-Zonen ziehen.

7. Tempo 30 verbessert die Luft und macht Straßen sicherer
Das Umweltbundesamt (UBA) hat 2016 die wichtigsten Erkenntnisse aus Messungen der Tempo-30-Wirkungen in der Broschüre „Wirkungen von Tempo 30 an Hauptverkehrsstraßen“ zusammengetragen. Ihr Fazit: „Tempo 30 verbessert überwiegend Umweltqualität, Sicherheit sowie Verkehrsfluss, und Anwohnende nehmen die Entlastung wahr.“
8. Feinstaub
Luftverschmutzung sind in Zusammenhang mit Tempo-30-Zonen ein schwieriges Thema, an dem sich die Geister scheiden. Das zeigt auch eine Untersuchung der LUBW Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg von 2012. Einerseits stiegen den Ergebnissen der Messungen zufolge die Belastungen durch Feinstaub in den Motorabgasen bei Tempo 30 an. Andererseits beobachteten die Wissenschaftler*innen einen gegenläufigen Effekt. Denn die Belastung durch Feinstaub, der durch Abrieb (Reifen, Bremsen, Straßen) und Verwirbelung entsteht, sank. Eine Geschwindigkeitsbeschränkung kann die Belastung der Luft mit Feinstaub also verringern.
9. Geofencing
Geofencing ist ein Kunstwort, das sich aus den englischen Wörtern geographic und fence zusammensetzt. Es bedeutet übersetzt geografischer Zaun. Die Geofencing-Technologie soll künftig Tempobegrenzungen unabhängig von Schildern erkennen und Fahrzeuge beispielsweise in Tempo-30-Zonen selbsttätig abbremsen.
10. Gesundheit
Bessere Luft, weniger Lärm, weniger Unfälle: Diese Argumente führen Befürworter*innen von Tempo-30-Zonen an. Zu Recht, wie Sie unter den Gründen 13. Klima, 14. Lärm, 15. Luft und 26. Überlebenswahrscheinlichkeit nachlesen können.
11. Grüne in NRW
Im Landtag Nordrhein-Westfalen haben die Grünen 2021 einen Antrag eingereicht, mit dem sie in geschlossenen Ortschaften Tempo 30 fordern. Sie begründeten ihren Vorstoß mit entsprechenden Forderungen der Weltgesundheitsorganisation WHO. Als Argumente führten sie eine bessere Luftqualität in Städten, weniger Lärm, weniger Unfälle und weniger Verkehrstote an. Allein in NRW seien im Jahr 2020 insgesamt 430 Menschen im Straßenverkehr gestorben, heißt es im Antrag der Grünen.
12. Helsinki
2018 begrenzte die finnische Hauptstadt die Höchstgeschwindigkeit für Fahrzeuge auf 30 Stundenkilometer. Seitdem sind weder Radfahrer*innen noch Fußgänger*innen ums Leben gekommen.
13. Klima
Langsameres Tempo bedeutet weniger Energieverbrauch und damit auch weniger Klimagase – so der erste Gedanke. Doch leider ist es etwas komplizierter und weniger eindeutig. So zeigt eine Studie der LUBW Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg: Autos emittieren mehr CO2, wenn sie über lange Strecken 30 Kilometer pro Stunde fahren. Wie viele Schadstoffe ausgestoßen werden, kommt aber vor allem auf die Strecke an, ob sie zum Beispiel eben ist oder ansteigt. Ferner auf die Haltepunkte, die technische Ausstattung der Motoren sowie den Verkehrsfluss.
14. Lärmschutz
Lärm ist nicht einfach nur lästig. Er kann die Gesundheit erheblich gefährden. So leiden als Folge von Verkehrslärm jedes Jahr durchschnittlich 245.000 Menschen in Europa unter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, 50.000 Menschen sterben. Tempo 30 innerorts senkt den Verkehrslärm um drei bis vier Dezibel (dbA) gegenüber Tempo 50. Das entspricht einer Halbierung des wahrgenommenen Lärms.

15. Luft
Tempo 30 ist eine wirksame Maßnahme zur Verbesserung der Luftqualität, wenn es gelingt, die Qualität des Verkehrsflusses beizubehalten oder zu verbessern. Das ist das Ergebnis einer wissenschaftlichen Untersuchung, die zwischen 2017 und 2019 in Berlin an fünf stark befahrenen Hauptstraßen durchgeführt wurde. Demnach haben sich auf vier von fünf Straßenabschnitten die Werte von Stickstoffdioxid (NO2) aufgrund der geringeren Geschwindigkeit teils sehr deutlich reduziert.
16. Oslo
2019 wurde in der norwegischen Hauptstadt Tempo 30 als Standard eingeführt. Die Maßnahmen wirken: Im Langsamverkehr starben keine Menschen – abgesehen von einem Autofahrer, der selbstverschuldet in einen Zaun raste.
17. Niederlande
Seit 1983 dürfen Städte im Nachbarland Zonen und Strecken mit einer Maximalgeschwindigkeit von 30 Stundenkilometern beschränken. So wurden zwischen 1985 und 1997 ungefähr 15 Prozent der Straßen in Wohngebieten zu Tempo-30-Zonen umgewandelt. 2008 galt bereits in etwa 75 Prozent des gesamten niederländischen Wohnstraßennetzes die Raserbremse.
18. Paris
Frankreichs Hauptstadt erprobt die Verkehrswende seit August 2021. Die Bürgermeisterin Anne Hidalgo setzte damit ein Wahlversprechen um und senkte das Tempolimit flächendeckend von 50 auf 30 Stundenkilometer. Ausnahmen sind die Ringautobahn und einige große Verkehrsachsen, unter anderem die Champs-Élysées. Das Tempolimit soll für bessere Luft, weniger Lärm und mehr Sicherheit für die Fußgänger*innen und Radfahrer*innen in der Metropole sorgen.
19. Pettstadt
Als Klein-Paris gilt die Gemeinde Pettstadt südlich von Bamberg, denn seit Oktober 2021 ist hier generell Tempo 30 einzuhalten. Und nicht nur das: In ganz Pettstadt gilt rechts vor links, außerdem wurden alle Parkverbots- und Halteverbotszeichen abgebaut: Das neue Verkehrskonzept traut den Verkehrsteilnehmenden zu, dass sie nicht dort halten und parken, wo sie andere behindern oder gefährden. Laut Bürgermeister Jochen Hack soll Pettstadt nicht nur sicherer, sondern der Aufenthalt auch schöner werden – für Tourist*innen und Anwohner*innen.

20. Radwege
In Tempo-30-Zonen dürfen keine benutzungspflichtigen Radwege ausgewiesen werden. Nur Straßen ohne Fahrstreifenbegrenzungen und Leitlinien sind erlaubt. Trotzdem können die Menschen natürlich mit Rädern durch Tempo-30-Zonen fahren – aus Sicht der Umwelt ist es sogar erwünscht und überdies mitunter schneller als mit dem Auto (siehe Grund 6. Fahrzeit).
21. Sicherheit
Nach Zahlen der WHO sterben jährlich 1,3 Millionen Menschen weltweit im Straßenverkehr. Tempo 30 bietet hier mehr Sicherheit, vor allem für Kinder und ältere Menschen. Es passieren weniger Unfälle, und bei Zusammenstößen, die sich nicht vermeiden lassen, haben Gehende und Radfahrende bei Tempo 30 deutlich höhere Überlebenschancen (siehe Grund 26. Überlebenswahrscheinlichkeit).
22. Slow City
Das Zukunftsinstitut konstatiert, dass die Sehnsucht nach einem vereinfachten Leben, geprägt von Naturnähe, Nachbarschaft und Nachhaltigkeit, zunehmend Einzug in die Stadtentwicklung hält. Slow Citys wie das toskanische Städtchen Greve haben sich den Prinzipien Lebensqualität, Entschleunigung und Nachhaltigkeit verschrieben und werden entsprechend immer begehrter. Zonen der Langsamkeit gehören zur Slow City dazu – zum Beispiel durch Tempo 30.
23. Spanien
2021 hat das Land als erster EU-Staat Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in geschlossenen Ortschaften beschlossen. Nur auf Straßen mit zwei oder mehr Fahrspuren pro Richtung dürfen Autofahrer*innen mit 50 Stundenkilometern unterwegs sein. Das klingt revolutionär, ist in Madrid aber bereits seit 2018 Realität. Denn seitdem gilt in der Hauptstadt die Tempo-30-Regel. „Finde ich gut, hatte ich aber noch nicht mitbekommen“, sagte eine vor einer roten Ampel wartende Autofahrerin zu einem Reporter der spanischen staatlichen Nachrichtenagentur Efe. Tempo 30 kann also ganz ohne Einbußen vonstatten gehen.
24. Subjektive Sicherheit
Laut einer Erhebung aus dem verkehrsberuhigten Buxtehude Mitte der 80er-Jahre nahm durch die Etablierung der Tempo-30-Zone nicht nur die tatsächliche, sondern auch die gefühlte Sicherheit der Menschen zu. Der ADAC schreibt hierzu: „Die überwiegende Mehrheit der Bewohner*innen fühlt sich bei Tempo 30 sicherer, als es sonst bei Tempo 50 der Fall war. Vor allem hat nach ihrer Meinung die Sicherheit für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen zugenommen. Die Autofahrer*innen empfanden die Tempo-30-Regelung zunächst nicht so sehr als Sicherheitsgewinn, nach drei Jahren meinte jedoch jede*r zweite Autofahrer*in, dass die Unfallgefahr deutlich geringer geworden sei.“

25. Treibstoffverbrauch
Nur bei Geschwindigkeiten deutlich unter 30 benötigen Verbrennerautos deutlich mehr Treibstoff. Aber auch dort gilt: Am meisten beeinflusst der Fahrstil den Verbrauch, etwa schnelles Beschleunigen oder viele Geschwindigkeitswechsel. Der ruhigere Verkehrsfluss bei flächenhaftem Tempo 30 verringert ihn dagegen. Das ist auch für das Klima wichtig, denn der Beitrag des Verkehrs zum CO2-Ausstoß hängt direkt davon ab, wie viel Treibstoff verbraucht wird.
26. Überlebenswahrscheinlichkeit
Je höher die Geschwindigkeit eines Fahrzeuges ist, desto länger sind der Reaktions- und der Bremsweg und desto heftiger ist die Wucht, mit der Fahrzeug und Fußgänger*in aufeinanderprallen. Eine Studie drückt dies in Zahlen aus: Wenn ein erwachsener Mensch von einem Fahrzeug erfasst wird, das mit Tempo 30 unterwegs ist, liegt seine Überlebenswahrscheinlichkeit bei 70 Prozent. Bei 50 Stundenkilometern jedoch nur bei 20 Prozent.
27. Verkehrsfluss
Das UBA und die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) haben herausgefunden: Wenn alle gleichmäßig Tempo 50 fahren und der Verkehr gut fließt, kann es besser sein, als ständig zu bremsen und anzufahren bei Tempo 30. Aber es gilt auch: Je mehr Beschleunigung, desto höher die Emissionen.
28. Verkehrswende
Sie soll zu einem grundlegenden Umbau des Verkehrssystems und einem Umstieg der Gesellschaft auf umweltfreundliche Mobilität führen. Immer mehr Kommunen möchten nach eigenem Ermessen Tempo 30 anordnen können – und damit zur Verkehrswende und entspannteren Städten beitragen. Siehe – Initiative „30 km/h – macht die Straßen lebenswert!“
29. Vision Zero
Dieser Begriff, der Assoziationen zur Zero-Covid-Strategie aufruft, beschreibt das Ziel, die Zahl der Toten und Schwerverletzten im Straßenverkehr auf null zu bringen. Null Verkehrstote also. Seit 2007 ist dieser Plan Grundlage der Arbeit des Deutschen Verkehrssicherheitsrates. Ist das überhaupt möglich? Ja! Helsinki erreichte das Ziel „Vision Zero“ 2022.
30. Weltgesundheitsorganisation
Im Mai 2021 forderte die WHO ein Tempolimit von 30 Stundenkilometern in geschlossenen Ortschaften. Das soll die Sicherheit für Fußgänger*innen, Rad- und Autofahrer*innen erhöhen. Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus (siehe Grund 12. Helsinki) führte aus, dass die Welt sicherere, gesunde, grüne und lebenswerte Städte brauche. „Tempo 30 gehört dazu.“
Agora Verkehrswende
Agora Verkehrswende will zusammen mit zentralen Akteur*innen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft die Grundlagen dafür legen, dass der Verkehrssektor bis 2050 vollständig dekarbonisiert ist.
www.agora-verkehrswende.de